New Pay oder: Worauf Betriebe bei der Modernisierung ihres Lohnkonzepts achten müssen 

Wer über die Arbeitswelt 4.0 diskutiert, darf die Vergütung nicht ausklammern. Wenn Quereinsteiger eingestellt werden, weil sie engagiert statt „nur“ kompetent sind, und Beschäftigte dank einer modernen Unternehmenskultur die Geschicke des Betriebs mitgestalten, dann ist es Zeit, übers Gehalt zu reden. 

Was gerade unter dem Begriff „New Pay“ die Runde macht, betrifft eines der letzten Tabu-Bastionen in deutschen Unternehmen: das Gehalt. Obwohl beim Thema Arbeit vieles, von der Arbeitszeit bis zur Firmenkultur, neu und offen diskutiert wird, mag kaum jemand darüber sprechen, ob denn auch die Voraussetzungen für die Vergütung noch mit der modernen Arbeitswelt vereinbar sind. Die Geheimniskrämerei passt nicht zur Arbeitswelt 4.0, in der Transparenz und Kommunikation gepredigt werden. Und sie bremst Unternehmen, die zukunftsorientiert denken und agieren wollen, bei ihren Fortschrittsbemühungen. Denn der Wandel stellt traditionelle Gehaltsmodelle gewaltig in Frage – und wahrscheinlich auf den Kopf:

  • Da Fachkräfte fehlen, suchen Unternehmen nach motivierten Quereinsteigern, die vielleicht (noch) nicht das Wissen haben, aber die Bereitschaft, Neues zu lernen. Was ist deren Engagement im Verhältnis zu Fachwissen wert?
  • Was, wenn ein Bewerber die dringend gesuchte Erfahrung, aber nicht studiert hat? Wie sollte dessen Arbeit vergütet werden?
  • Firmen schaffen Hierarchien ab, Verantwortungen und Entscheidungsbefugnisse werden auf agile und selbstorganisierte Teams verteilt, aber die Vergütung orientiert sich am traditionellen Führungsbegriff. Wie lässt sich ein Übergang gestalten?
  • Mitarbeiter werden zunehmend aufgefordert, sich aktiv zu beteiligen (Kommunikation!), sei es beim Wissensaustausch via Intranet oder durch das Einbringen eigener kreativen Ideen für neue Geschäftsmodelle. Sollte sich das nicht auch auf Vergütungssysteme erstrecken?
  • Wenn Gehalt zwar den Lebensunterhalt sichern muss, gerade junge Beschäftigte aber mehr Wert auf sinnvolle, zufriedenstellende und flexibel einteilbare Arbeit in einem sozial verantwortungsvollen Unternehmen legen, was bedeutet das für das Lohnsystem?

Klassische Lohnfaktoren stören die Arbeitswelt der Zukunft

Es bedeutet, dass klassische Gehaltsfaktoren wie Ausbildung oder Betriebszugehörigkeit immer mehr wegfallen oder zumindest durch neue Faktoren wie Motivation ergänzt werden. Es bedeutet auch, dass Gehälter in Zukunft nicht am Mitarbeiter vorbei, sondern mit ihm oder ihr zusammen festgelegt werden können. Hinzu kommen alternative Modelle, die auf finanzielle Boni verzichten und stattdessen Freizeit und Weiterbildungsangebote ausschütten.

Tansparente Gehaltsformel: Was soll entlohnt werden – die Expertise vielleicht oder das Engagement in einem sozialen Projekt?

Für die neue Arbeitswelt braucht es neue Vergütungsmodelle, sagen denn auch Sven Franke (Geschäftsführender Gesellschafter beim Beratungsunternehmen CO:X), Stefanie Hornung (Journalistin) und Nadine Nobile (Mitgründerin CO:X). Sie haben ein Buch mit dem Titel „New Pay“ geschrieben, das im Juni 2019 erscheint, und gelten als Erfinder des „New Pay“-Begriffs.

Sie bringen Vergütungskonzepte wie Einheitsgehalt, Wunschgehalt oder eine transparente Gehaltsformel ins Spiel. Beim ersten bekommt jeder gleich viel, egal bei welcher Ausbildung oder Betriebszugehörigkeit. Das Wunschgehalt definieren Bewerber oder Mitarbeiter selbst. Besonders interessant ist die tansparente Gehaltsformel: Dabei berechnet sich der Lohn nach bestimmten Kriterien. Die Basis kann ein Fixgehalt sein, das sich möglicherweise dann doch an klassischen Strukturen orientiert. Der zweite Bestandteil ist das Salz in der Suppe, denn hier entscheidet das Unternehmen (bestenfalls gemeinsam mit den Mitarbeitern) individuell, was es entlohnen möchte. Ist es die Expertise, die besondere Idee, das Engagement für ein soziales Projekt, die Mitgestaltung bei der Umsetzung neuer Firmenkulturinitiativen oder doch die Anwesenheit? Und auch wie: in Form von Freizeit etwa.

Wie entwickelt man ein modernes Vergütungssystem?

Daran erkennt man schon, dass Betriebe in Zukunft „Vergütung“ nicht mehr einfach googeln und in eine Stellenanzeige kopieren können, wenn sie die Sache mit der modernen Arbeitswelt ernst nehmen. Genau wie die Digitalisierungsstrategie für jede Firma individuell entwickelt werden muss und jedes Unternehmen „Zukunft der Arbeit“ anders definiert, so zeichnet sich dies auch für Entlohnungsmodelle ab: Abschreiben ist nicht drin.

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Unternehmen, die nun über das „faire Gehalt“ nachdenken und überlegen, ob sie mit einer jährlichen Gehaltserhöhung die Vorstellung der Beschäftigten von „Entlohnung“ noch treffen, sind schon mittendrin im New-Pay-Gedankenspiel. Um die Theorie in die Praxis umzusetzen, sollten sich Unternehmen mit folgenden Fragen auseinandersetzen:

Sind Mitarbeiter Teil der Gehaltsfindung und wenn nicht, wie lässt sich das ändern? Für die Entwicklung eines eigenen Gehaltssystems, das zum Unternehmen passt, die Mission widerspiegelt und Beschäftigte mit einem guten Gefühl arbeiten lässt, sollten Mitarbeiter in den Prozess mit einbezogen werden. Der erste Schritt, wenn dem nicht so ist: Mehr Transparenz. Das heißt nicht, jedes einzelne Gehalt offenzulegen, sehr wohl aber Kriterien nachvollziehbar zu präsentieren. Für viele deutsche Unternehmen dürfte das eine enorme Hürde sein.

Wie sieht das aktuelle Vergütungssystem aus? Statt sofort neue Entlohnungsideen zu entwickeln, lohnt sich zunächst ein Blick auf die aktuelle Situation: Wer verdient wie viel und auf welcher Grundlage?

Setzen wir uns als Betrieb mit der Arbeitswelt 4.0 auseinander und ist das Gehaltsmodell Teil davon? Manche Lohnstruktur hat sich durch neue Arbeitsmodelle (zum Beispiel selbstbestimmte Teams, eine neue Leitkultur mit neuen Prioritäten) womöglich überholt. Will sich ein Betrieb beispielsweise mit guten Weiterbildungschancen für Beschäftigte profilieren, sollte sich das in der Gehaltsstruktur widerspiegeln, etwa mit einem besonderen Belohnungssystem.

Wie können wir unsere Vergütungsstruktur modernisieren? Welche Alternativen gibt es? Einheits- und Wunschgehalt oder Gehälter im Baukastensystem sind Varianten, die in manchen Branche diskutiert werden. Jedes Unternehmen sollte aber darauf achten, nicht einem Konzept hinterherzujagen, weil es der Mitbewerber so macht. Eigene Lösungsideen sind gefragt, die die bekannten Varianten in maßgeschneiderte Lohnmodelle für den jeweiligen Betrieb formen.

Wie stellen wir sicher, dass sich unser neues Entlohnungsmodell mit unserem Verständnis von moderner Arbeitswelt auch in Zukunft deckt? Wandel ist kein statisches Objekt, sondern er ist permanent und so sollten Unternehmen kontinuierlich analysieren, ob die New-Pay-Strategie, so wie sie aktuell ist, noch funktioniert. Hier spielen Aspekte wie Fehlerkultur sowie Veränderung eine große Rolle. Will heißen, Betriebe sollten ausprobieren und weiterentwickeln können, auch mit Zustimmung und Mitgestaltung der Beschäftigten.

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