Woran Sie eine vergiftete Firmenkultur erkennen – und was Sie dagegen tun können

In vielen Unternehmen besteht oft keine direkte Verbindung zwischen Führungsebene und Mitarbeitern. Dabei sind Firmenlenker in der Pflicht, eine (positive) Unternehmenskultur mitzugestalten – und offenkundige Warnhinweise rechtzeitig zu erkennen.

Jedes Unternehmen hat seine Kultur, nur scheren sich bislang wenige darum, ob sie gut oder schlecht ist. Vor allem nicht die Vorstände, Geschäftsführer und Führungskräfte, die sich Zahlen und Erfolge/Misserfolge berichten lassen, aber nicht, wie die Stimmung an der Basis ist. Inzwischen weiß man jedoch, dass das Betriebsklima enorme Auswirkungen auf den Geschäftserfolg hat. Denn niemand geht gern zur Arbeit, wenn Kollegen sich einigeln, Chefs wie Halbgötter durch die Flure schweben und überhaupt die gesamte Umgebung eine negative Atmosphäre versprüht. Dann nämlich leiden Motivation, Kreativität und Produktivität der Beschäftigten – und ohne die geht es nicht.

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Firmen mit einer guten Kultur haben bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Damit wären schon ein paar Hinweise auf eine wenig kooperative und respektvolle Unternehmenskultur beschrieben. Die WomenCorporateDirectors (WCD), eine Vereinigung weiblicher Führungskräfte, hat gemeinsam mit dem Beratungshaus Marsh McLennan deutliche Warnzeichen für eine vergiftete Unternehmenskultur in einer Studie (PDF) zusammengetragen.

Darauf aufbauend machen die Autorinnen klar, dass es sehr wohl auch Aufgabe der Unternehmensleitungen ist, sich als „Stimmungsaufheller“ und Kulturbotschafter zu betätigen. Sie können sich nicht aus der Verantwortung stehlen mit dem Argument, sie seien nicht nah genug dran. Wenn sie das von sich behaupten, darf die Kultur hinterfragt werden, so das Resümé. Der Bericht richtet sich an die Chefetage. Warnsignale und Tipps sollten jedoch am besten Führungskräften auf allen Ebenen geläufig sein.

Anzeichen einer dysfunktionalen Firmenkultur, die auch Führungskräften auffallen müssen

  1. Keine klaren Unternehmensziele und -werte
  2. Ausschließlich vertikale Kommunikationskanäle, Führungskräfte werden nur von der Chefetage informiert
  3. Grabenkämpfe zwischen Führungskräften
  4. Widerspruch und offene Debatten werden nicht toleriert
  5. Eingeschränkte Transparenz über Unternehmensentscheidungen
  6. Gespräche über Firmenkultur werden selbstgefällig abgewürgt
  7. Schlechte Nachrichten werden nicht offen diskutiert und Mitarbeiter trauen sich nicht, Probleme anzusprechen
  8. Fokus auf die Leistung des Einzelnen und eine „Unbedingt machen“-Haltung
  9. Hohe Fluktuation bei bestimmten Gruppen (Abteilungen, Alter, Geschlecht etc.)
  10. Eingeschränkte Transparenz über Faktoren, die Beförderungen bedingen

So können Führungskräfte die Firmenkultur beeinflussen

Aus der Sicht der Studienautorinnen können Mitglieder der Unternehmensführung, männlich wie weiblich, die Kulturstrategie nicht anführen. Dafür sind sie tatsächlich zu weit weg. Ihre Aufgabe besteht darin, ein Gespür für die Stimmung zu entwickeln und den Überblick zu behalten – was aber nicht funktioniert, wenn nur das obere Management von seinen Heldentaten berichtet (klingt wie ein Klischee und ist doch oftmals Realität).

Der WCD 2017 Visionary Report trennt zwischen „die Kultur begleiten“ und „die Kultur definieren“. Befragte Firmenlenker gaben danach an, dass das Management Mitarbeiterkonzepte für den Umgang untereinander, für die Fehlerkultur oder die Zusammenarbeit entwickeln und umsetzen müssten. Die Autorinnen stellen aber fest, dass: „Die Abteilungs- und Teamleiter kreieren die Kultur, denn sie sind diejenigen, die sie jeden Tag einatmen und leben“.

Wie wäre es mit einem Chief Culture Officer?

Die Aufgabe lässt sich also durchaus nach unten delegieren, so wie es die befragten Vorstände vorschlagen. Und doch bleibt an jeder Mitarbeiter- und Managementebene Verantwortung hängen. Um eine dysfunktionale Firmenkultur zu identifizieren, zu beeinflussen und umzubauen sind laut Studie verschiedene Hebel auf unterschiedlichen Ebenen möglich und nötig:

Auswahl der Geschäftsleitung: Das wichtigste Instrument, das eine Firmenleitung überhaupt hat, um die Geschäfte zu beeinflussen, ist die Auswahl der Geschäftsführung. Wenn beispielsweise Geschäftsführer ihr Unternehmen modernisieren oder umbauen wollen (einschließlich der Kultur), ist die CEO-Position der Schlüssel für Erfolg oder Misserfolg. In einem Bericht des Australian Institute of Company Directors wird der CEO sogar als „Chief Cultur Officer“ bezeichnet.

Auswahl des Management Teams: Wer den „richtigen“ CEO ausgewählt hat, ist auch einen guten Schritt bei der Entscheidung über die Management Teams weitergekommen. Sie sind es nämlich, die die Vision an Abteilungsleiter und Teammitglieder weitertragen und sie motivieren, die Kultur vertikal zu teilen.

Kulturelle Unterschiede beachten: Es reicht nicht, eine homogene unternehmensweite Kultur aufzusetzen, denn nicht alles funktioniert überall gleich. Nationale kulturelle Unterschiede sollen dabei ebenso beachtet werden wie etwa unterschiedliche Teamstrukturen.

Unternehmenskultur muss auf die Agenda: Allein die Tatsache, dass „Kultur“ auf der Meeting-Agenda von Führungskräften steht, kann schon etwas bewegen, sagt eine Autorin. „Talent Management und Personalthemen, wichtiger Bestandteil der Unternehmenskultur, werden oft nicht ernst genommen. Das liegt vor allem daran: Unternehmenskultur ist anstrengend. Besonders am Anfang der Diskussion, wenn noch nicht klar festgelegt ist, was das für die Firma bedeuten soll, welche Entscheidungen dafür getroffen werden müssen und wer sich daran beteiligt beziehungsweise wie sich die Entwicklung verfolgen lässt.“

Die Kulturfrage wird oft erst in Krisensituationen gestellt.

Verhaltenskodex erklären: Alles läuft auf Kommunikation hinaus. Die Autorinnen empfehlen, den Verhaltenskodex, wenn definiert, jedem Mitarbeiter (auch CEO und Management) zugänglich zu machen und darüber zu sprechen. Aus der eigenen Erfahrung der Studienautorinnen kommen Kulturfragen besonders in Krisensituationen auf, wenn sich das Unternehmen verändert, beispielsweise durch eine Übernahme oder eine dramatische Finanzsituation. Dann nämlich müssen Probleme adressiert und besprochen werden können, denn nicht selten krankt der Erfolg an unzufriedenen, unmotivierten und letztlich unproduktiven und unkreativen Mitarbeitern.

Transparenz von oben und unten: Wenn sich Unternehmenslenker an der Entwicklung der Kultur beteiligen sollen, müssen sie auch wissen, was gut und was schlecht läuft. So hat eine Studie des Global Network of Directors Institutes herausgefunden, dass 89 Prozent der Mitarbeiter keinen direkten Kontakt zur Chefetage haben. Auf diese Weise fehlen vielen Führungskräften wichtige Einsichten und Feedback von der Basis. Zwei Drittel der Führungskräfte bewerten die Unternehmenskultur „Pi  mal Daumen“, je nach dem, was das Management ihnen vorgekaut hat.

Daten, Daten Daten: Kultur lässt sich nicht messen, doch Verhaltensweisen und Folgen dysfunktionaler Kultur sind messbar – Krankheitstage, Kündigungen, Image, Follower, um nur einige zu nennen. Entscheider sollten vom nachgeordneten Management verlangen, sie mit aktuellen Zahlen, Personalberichten oder Engagement-Daten von Mitarbeitern zu informieren. Immer häufiger spielen hier digitale Technologien wie intelligente Anwendungen, Algorithmen und People Analytics eine Rolle.

Die Sendung „Undercover Boss“ sagt viel über den Umgang mit dem Betriebsklima aus

Manche Mitarbeiter arbeiten so reaktiv, dass sie schon vergessen haben, was sie an dem Job mal gereizt hat.
Manche arbeiten so reaktiv, dass sie schon vergessen haben, was sie an dem Job mal gereizt hat: Im Auftrag der Digitalisierung – Wie aus frustrierten ITlern Digital-Botschafter werden können

Wem das noch nicht reicht, der geht selbst ins Unternehmen. Die TV-Serie „Undercover Boss“ ist ein gutes Beispiel dafür: Nur wenige würden dem Chef Dinge ins Gesicht sagen, einem „Kollegen“ aber schon. Wenn der sich dann als Chef entpuppt, ist die Sorge um den Arbeitsplatz groß. Daran merkt man schon, dass was nicht stimmt. Sinnvoll sind laut dem WCD-Bericht auch Meetings mit der Belegschaft oder regelmäßige Blicke in die Social-Media-Kanäle des Unternehmens.

Kurzum: Führungskräfte, Unternehmenslenker und Entscheider müssen sich am Tagesgeschäft, von dem sie profitieren wollen, beteiligen und es aktiv mitgestalten. Dabei sind sie nicht mehr und auch nicht weniger in der Verantwortung wie jeder gemeine Mitarbeiter, dessen Rolle als Mitgestalter gerade neu definiert wird.

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Ein Kommentar

  1. Der Artikel „vergiftetet Firmenkultur“ trifft den Nagel voll auf dem Kopf! Jedes Unternehmen hat seine eigene Kultur, und das trifft auch genau so zu. Es muss aber auch in der Führungsetage bereit sein, sich den wachsenden Aufgaben eines z.B. expandierenden Unternehmen zu stellen. Die Geschäftsleitung muss auch in seinem Führungsstil klare Linie zeigen. Ob es kooperativ agiert, direktoral oder im schlimmsten Fall laissez-faire. Aber auch das ist OK, wenn denn eine Linie erkennbar ist. Wie bei der Erziehung eines Heranwachsenden muss es immer eine klare Linie geben, die erkennbar ist. Ansonsten wird ein dauerhafter Erfolg eher fraglich.
    Vielfach finden dann auf der Führungsebene tatsächlich unnötige Profilkämpfe statt, die dem Unternehmen und deren Erfolg massiv beeinflussen können. Je nach Ressortverantwortung tritt genau das in Kraft, was hier treffend beschrieben wurde. Du machst das jetzt, egal wie lange du brauchst. Dabei kommt dann Einiges unter die Räder. Die Entscheidungsinstanzen legen sich selber lahm und die Mitarbeiter sind gezwungen, improvisierte Lösungen auf den Weg zu bringen, damit wenigstens etwas in dem sandigen Getriebe läuft. Zukunft kann und wird das nicht haben.
    Es kann nur ein klares Zusammenspiel zwischen Führungskräften und Mitarbeitern sein, was zum Erfolg führen wird. Auch die Führungskräfte sollten sich, wie früher nicht unüblich, an den normalen Geschäftsprozessen beteiligen, damit sie wissen, was da gelenkt und bewegt werden muss. Was geölt werden muss und wo auch mal die Bremse sehr hilfreich sein kann.
    Ich fürchte aber, davon sind wir weit entfernt.

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