Gamification: Wie man spielend eine Digitalstrategie umsetzen kann

Mit Puzzles, Punktesammeln und Preisen zum Unternehmenserfolg? Die Weisheit, dass es sich leichter lernt und Berührungsängste verfliegen, wenn man sich einer Sache spielerisch annähert, trifft auch auf das Verhältnis zwischen digitaler Transformation und Mitarbeiter zu.  

Wenn die Wucht der digitalen Transformation auf ein Unternehmen trifft, sind gute Ideen für die Umsetzung gefragt. Die Kreativeren vermitteln neue Technologien, Teamwork-Konzepte, Expertenwissen oder eine neue digitalisierte Unternehmenskultur mit Hilfe spielerischer Elemente. Das gleiche gilt für den Bewerbungsprozess oder fürs Verhältnis zum Kunden. Sie lassen Zukunftsvisionen puzzlen, Mitarbeiter Punkte sammeln, wenn sie e-Learning-Programme durchlaufen, oder verteilen Awards, wenn digitales Wissen von einem an den anderen weitergegeben werden soll.

Es geht darum, spielerische Elemente in einen spielfremden Kontext zu setzen.

Was heute unter dem Buzzword „Gamification“ bekannt ist, ist die älteste und einfachste Art, Dinge zu an den Mann/die Frau zu bringen. Es geht darum, spielerische Elemente in einen spielfremden Kontext zu setzen – so lautet die verbreitete und zutreffende Definition für die „Spielifizierung„. Im Vordergrund steht dabei immer: Mitarbeitern die meist schwer verdauliche Kost, in diesem Fall die Digitalstrategie, statt mit drögem Lernmaterial, Manuals oder Whitepapern in Form von Anwendungen zu vermitteln, die Wissen, Informationen oder das Training von Verhaltensweisen spielerisch behandeln. Dabei muss es sich nicht einmal immer um ein digitales Spiel handeln. Auch wenn es kindisch klingt: Zum Beispiel eine Schnitzeljagd im Büro mit Stationen, die die digitale Transformation erklären. Warum nicht? Die folgenden sechs Ansätze zeigen, wie Gamification bei der Umsetzung der Digitalstrategie innerhalb des Unternehmens unterstützen kann.

Denkbarrieren abbauen

Was ist die Digitalisierung und was bedeutet sie für mich und mein Unternehmen (als Arbeitgeber und Arbeitnehmer)? Abgesehen davon, dass nicht alles auf einmal transformiert werden muss, muss man erst einmal einen Zugang zum Thema bekommen. Komplexe Inhalte sind nur in Etappen genießbar und was langwierig und mühselig klingt, können gamifizierte E-Learning-Plattformen abfangen. Sie hämmern nicht einfach Wissen ein, sondern motivieren Mitarbeiter, das nächste Level erreichen zu wollen, letztendlich: mehr zu erfahren.

Statt einem Whitepaper, das die Digitalstrategie im Unternehmen und neue Technologien erklärt, wird der Wandel beispielsweise in eine Geschichte verpackt, mit Protagonisten, die man begleitet. Bei der Geschichte kann die gesamte Belegschaft mitmachen, vielleicht sogar den Verlauf beeinflussen. Ziel sollte sein, dass am Ende alle über die Herausforderungen und Ziele Bescheid wissen. Wer mit Fragen vorprescht oder die Geschichte in einen schneller zum Ziel führende Richtung lenkt, erhält Punke oder einen Preis. Das motiviert und die Leute bleiben bei der Sache. Am Beispiel Porsche sieht man, wie das funktionieren kann. Die Online-Plattform des Autobauers hat unter anderem das Ziel, die Digitalisierung zu entmystifizieren.

Lernen soll Spaß machen

Statt dem Mitarbeiter neue Technologien nur vorzusetzen, sollte er sich damit stressfrei beschäftigen dürfen.

Selbst kleinste Erfolge werden honoriert, mit Punkten, Abzeichen oder dem Zugang zum nächsten Level – das ist das Ziel gamifizierter Anwendungen. Nicht nur bei Kindern, auch bei Erwachsenen nimmt die Lernbereitschaft zu, wenn es etwas zu gewinnen gibt, und sei es nur einen Smiley, der bei erbrachter Leistung aufploppt oder eine Dokumentation über den Lernfortschritt in Form von Fortschrittsbalkens wiedergibt. Gerade bei der Digitalisierung im Unternehmen gibt es die unterschiedlichsten Bereiche, die sich in Zukunft ändern, der Begriff „lebenslanges Lernen“ und der Druck, nicht abgehängt zu werden, hängen wie ein Damokles-Schwert über den Kollegen. Statt neue Technologien dem Mitarbeiter einfach vorzusetzen, sollte er Gelegenheit bekommen, sich damit stressfrei und in seinem eigenen, soweit vertretbaren, Tempo zu beschäftigen.

Allerdings: Es liegt nicht an der Anzahl der Anbieter, die spielerische Elemente in ihren Anwendungen integrieren, dass die Killer-Anwendung aus Expertensicht noch nicht dabei gewesen ist, sagen Jörg Niesenhaus und Roman Rackwitz, zwei ausgewiesene Gamification-Kenner in ihrem Gamification-Podcast. Auch nicht an den Entwicklern. Oftmals seien die Bedingungen, mit denen sie bei ihren Kunden zu kämpfen hätten, ein Hemmschuh. Denn beispielsweise vermieden Unternehmen einen klaren Schnitt hin zu einem neuen Ansatz und forderten stattdessen lediglich eine Erweiterung der eigenen, bereits implementierten E-Learning-Plattform. Ganz neuartige Konzepte kämen dabei eher selten heraus.

Das Intranet zum Spielfeld für den Kulturwandel machen

Das Intranet ist eine völlig unterschätzte Pattform. Oft nur als digitaler Flurfunk und Kantinenspeiseplan missbraucht, könnte das interne Netz Geburtshelfer und Ausgangsort für eine besondere Unternehmenskultur sein. Selbst wer die Digitalisierung ausschließlich als technologischen Todesstoß für Jobs sieht, muss zugeben, dass mit ihr eine neue Diskussion über den Umgang untereinander im Unternehmen entstanden ist. Die Firmenkultur zu digitalisieren ist aber für Digitalstrategen doppelt schwer.

Wenn das Management im Klein-Klein verharrt, nützen alle Spiele nichts

Einerseits ist es möglich, mit spielerischen Elementen die Community zu fördern, Teamwork zu trainieren, Collaboration-Tools auszuprobieren oder zu lernen, dass geteiltes Wissen das Unternehmen weiterbringen kann. Andererseits soll die Kultur aber schon so weit ausgereift sein, dass Gamification-Anwendungen und Angebote überhaupt ernst genommen werden. Denn wenn das Management im Klein-Klein verharrt und nicht bereit ist, selbst weiterzudenken und hierarchische Strukturen aufzubrechen, wird es weder mit der digitalisierten Firmenkultur noch mit der Motivation durch Spiele etwas. Bei Daimler und dessen Intranet-Variante „DigitalLife@Daimler“ beispielsweise spielt die hierarchieschwache Mitarbeitervernetzung eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der digitalen Transformation.

Die richtigen Talente für den digitalen Wandel finden

Recruitainment. So nennt man die Talentsuche mit Hilfe gamifizierter Recruiting-Prozesse. Jo Diercks, Gründer und Geschäftsführer der CYQUEST GmbH, bschreibt das in seinem Recruitainment-Blog so: Personen, die sich beworben haben, werden zum Test eingeladen, absolvieren diesen und das Abschneiden hat konkrete Auswirkungen auf den weiteren Bewerbungsverlauf. Diese Applikationen sind per se keine Spiele, sondern Tests. Aus dem Spielverhalten schließt man nicht auf etwaige Bewerbermerkmale, nach dem Motto: „Wer im Spiel von der Klippe springt, ist ein risikofreudiger Mensch“. Man kombiniert Merkmale des Arbeitgebers mit dem Testverfahren des Kandidaten und erreicht somit eine Art „gegenseitiges Kennenlernen“.

Gamification könnte ein Pluspunkt im Rennen um die besten Fachkräfte sein.

Die ersten Bewerber bleiben dabei schon hängen, weil sie nicht gern spielen – und somit gegebenenfalls nicht zur Unternehmensstrategie passen. Umgekehrt machen technikaffine Talente einen gamifizierten Recruiting-Prozess eher mit und der neue Kollege steht bei Einstellung digitalen Anwendungen positiv gegenüber. Auch können so genannte Self-Assessments (eine Einschätzung der eigenen Fähigkeiten) Aufschluss darüber geben, ob man als Bewerber zur Kultur passt. Angereichert mit spielerischen Elementen bietet beispielsweise der Kulturmatcher Einblicke in die Kultur einer Firma.

Tatsächlich lässt sich mit Hilfe von gamifizierten Bewerbungsprozessen bereits ein großer Teil des Onboardings, also der Eingliederung, abdecken. Denn sowohl das Talent als auch der Arbeitgeber wissen schon einiges voneinander. Allein rein zeitlich kann sich dieser Aufwand lohnen. Und es ist auch eine Form von Wertschätzung, eine Eigenschaft, die im digitalen Zeitalter wieder eine größere Rolle spielt. Schließlich soll wieder enger miteinander gearbeitet werden. Ein One-Klick-Bewerbungstool zeugt nicht gerade von Wertschätzung und dem dringenden Bedürfnis, die besten der besten Talente zu locken. Somit könnte Gamification ein Attraktivitätspluspunkt im Rennen um die kompetentesten Fachkräfte der Zukunft sein.

Das Spektrum reicht von entsprechend gestalteten Meetingräumen bis zu humorvollen Mitarbeiteraktionen.

Wie weit ist Gamification im deutschsprachigen Raum?

Gamification ist Buzzword und Realität zugleich. Einige Unternehmen setzen Spiele-Elemente bereits ein, für andere ist das Konzept eher etwas für Nerds. Im Hernstein Management Report 2018 des österreichischen Hernstein Instituts für Management und Leadership konnten 71 Prozent der befragten Führungskräfte im deutschsprachigen Raum nichts mit dem Begriff Gamification anfangen. Immerhin 10 Prozent haben eine konkrete Vorstellung davon. 27 Prozent halten das Konzept für eine sinnvolle Maßnahme für die Motivation und Bindung von Mitarbeitenden. Für fast die Hälfte (41 Prozent) ist Gamification ein Modewort ohne tiefere Bedeutung. Ebenfalls 41 Prozent erachten Gamification unpassend für die derzeitige Unternehmenskultur. 19 Prozent der Befragten meinen, dass mehr Spielelemente in ihrem Unternehmen wünschenswert wären.

Auch wenn knapp zwei Drittel der Unternehmen keines der vorgelegten Gamification-Instrumente nutzt, so gibt es doch Firmen, die mehrere Anwendungen mit Spielanteilen anreichern, darunter Challenges oder Gewinnspiele. Experten sind sich einig, dass Gamification mehr ist als eine Spielerei. Einen Fehler dürften Unternehmen aber nicht machen: Die Mitarbeiter dürfen nicht als Verlierer aus dem Spiel gehen. Rankings für die Streichung von Benefits oder Punktabzug bei Nichterreichen eines Trainingsziels beispielsweise sind tabu. Denn dann will niemand mehr spielen.

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