Porsche krempelt für die Digitalisierung seine Firmenkultur um
Der deutsche Automobilkonzern Porsche ist zur Erkenntnis gekommen, dass die digitale Transformation mehr sein muss als die Einführung neuer IT-Systeme. Deswegen geht man in Zuffenhausen einen anderen Weg: Zuerst die Unternehmenskultur und die Mitarbeiter, dann die Bürotechnik.
Der Autohersteller Porsche nimmt den digitalen Wandel zum Anlass, die eigene, traditionsreiche Unternehmenskultur umzukrempeln. Mit der „Strategie 2025“ hat sich das Unternehmen Fragen gestellt wie: „Wohin wollen wir?“ „Trägt unsere Firmenkultur diesen Wandel oder müssen wir nachjustieren?“ Dafür habe man „das Ohr an die Mannschaft gelegt“, sagte Simone Vogt, Projektleiterin Kulturinitiative bei der Porsche AG, bei der Strategie-Vorstellung. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen Ressorts, Ebenen und Altersgruppen hätten mitgearbeitet. Das Ergebnis: „Ja, wir brauchen Veränderung.“ Bei Porsche hieß das, Teams bilden, Führungsetage, Mitarbeiter sowie Betriebsrat einbinden und Leitplanken definieren. Herausgekommen ist der „Porsche Code“, die neue Unternehmens-DNA.
Das neue Leitbild wurde zusammen mit der jetzt eröffneten digitalen Werkstatt in Ludwigsburg präsentiert, von der später noch die Rede sein wird. Auf der Porsche-DNA soll in Zukunft alles basieren, was mit Recruiting, Weiterbildung, Arbeits- und Bürowelt zu tun hat. Der Porsche Code definiert die Zukunftseigenschaften des Unternehmens und besteht aus den Eckpfeilern Herzblut, Pioniergeist, Sportlichkeit, Eine Familie. Im Detail fallen Begriffe wie Agilität, Transparenz und Innovation, aber auch Wertschätzung, Individualität und Respekt. Es soll das Fundament dafür sein, dass der digitale Wandel von allen mitgetragen wird, neue Mitarbeiter anzieht und bindet.
„Fit für Digit@l“ – Der Name ist (Lern-)Programm
Über 70 Prozent der Strategiefelder bei Porsche widmen sich den Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung, von Produkten über den Kunden bis zur Firmenkultur. Das oberste Ziel müsse sein: Die Digitalisierung zu entmystifizieren, so die Porsche-Personaler unisono. Dafür will der Autobauer zuallererst ein Bewusstsein für Veränderungen sowie Relevanz schaffen und Ängste abbauen.
Eine neue Online-Lernplattform soll die Denk- und Handlungsbarrieren aus dem Weg schaffen. Mitarbeiter können sich Wissen „in Häppchen“ aneignen, in der eigenen Geschwindigkeit und individuellem Format. Die Plattform wird kontinuierlich gefüllt mit leicht verständlichen Lernvideos, Online-Workshops, Grundlagen- und Aufbauqualifizierung. In der Community unterstützt man sich gegenseitig.
Diese Wissensoffensive mit dem Namen „Fit für Digit@l“ nutzen inzwischen rund 12.900 Mitarbeiter für einen Boxenstopp und wählen aus 1.500 fachlichen und überfachlichen Angeboten aus. „Es ist etwas anderes, ob ein Mitarbeiter eines morgens einen 3D-Drucker hingestellt bekommt mit der Aufforderung: Jetzt arbeitest Du damit. Oder ob er sich zuvor über die Technologie informieren konnte und nun weiß, welchen Nutzen er damit verbinden kann.“, sagte Matthias Görtz, Projektleiter Personalentwicklung bei der Porsche AG. Durch die leicht zugänglichen Informationen sollen Mitarbeiter motiviert werden, sich mit der Digitalisierung zu beschäftigen und lebenslang zu lernen.
Der ganze Aufwand gilt auch für die Führungskräfte. Ihnen müsse bewusstgemacht werden, dass neue Tools und Arbeitsformen nicht einfach nur eingeführt werden können. Themen wie die Zusammenarbeit in Netzwerken, die Führung virtueller Teams oder das Deligieren und Aufbrechen starrer Hierarchien stehen daher bei Porsche für die Führungskräfte ganz oben auf der Agenda.
Neue Bürokonzepte für neue Arbeitsformen
Für die Zukunft der agilen Teamarbeit schafft der Autobauer neue Aktionsflächen im Büroumfeld und verpasst seinen Räumlichkeiten mehr als ein Facelift. Je nach der typischen Arbeitsweise unterschiedlicher Abteilungen und Arbeitstypen werden mal mehr, mal weniger Meetingräume oder Büroarbeitsplätze benötigt. Die flexiblen Bürokonzepte fasst Porsche unter „Intelligent Performance“ zusammen. Alle Räumlichkeiten sind so aufgebaut, dass sie sich flexibel umwidmen lassen, falls mehr Platz für Teamarbeit oder Rückzugsräume gebraucht werden.
„Trotz modernem Layout müssen die Büros jetzt nicht alle aussehen wie ein Wohnzimmer“, so Till Sunderkötter, Leiter Struktur-, Bau- und Büroraumplanung bei Porsche. Er glaubt, hippe Bürowelten kommen nicht überall gut an und passen auch nicht immer. Bei Porsche will man sich den „Garagenduft“ bewahren und baut Räume im Stil eben von Garagen oder schraubt Lampen aus umgebauten Kolben an die Decke.
Wie kommt die neue Leitkultur zum Bewerber?
Da Unternehmen inzwischen wissen, dass man als Arbeitgeber attraktiv sein muss, um Fachkräfte anzuwerben, soll die neue Leitkultur zusätzlich nach außen getragen werden. Mit neuen, nicht unbedingt immer digitalen Kampagnen will Porsche das Employer Branding verbessern, denn: „Es ist doch Quatsch zu glauben, dass die Digitalisierung Arbeitsplätze wegnimmt. Zwischen 2025 und 2030 werden rund ein bis zwei Millionen Facharbeiter fehlen“, erläuterte Uwe Hück, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Porsche AG, die Situation in der Industrie.
Mit der Digitalisierung verschieben sich seiner Meinung nach die Ansprüche an die Bewerber. „Schulnoten sind nicht unbedingt wichtig“, so der Betriebsratschef. Mit Siri könne man reden. „Wir nehmen auch die, die anderswo keine Chance haben und machen sie zu Diamanten“. Auf schwäbische Tugenden legt er dann doch Wert: „Sie müssen aber pünktlich und fleißig sein.“ Umgekehrt sei jungen Berufeinsteigern wichtig, eine digitalisierte oder zumindest Team-zentrierte Umgebung vorzufinden.
Und wann kommen die IT-Systeme dran?
Was die Technik, die IT-Systeme selbst betrifft, könnte man Porsche vorwerfen, langsam zu sein. Standortübergreifende, virtuelle Teams, die an digitalen Whiteboards und anderen Collaboration-Tools arbeiten, sieht man noch eher selten. Nach Auffassung von Betriebsrats-Chef Hück dauert es noch drei bis fünf Jahre bis die „alten Strukturen alle aufgebrochen sind“. Geht man allerdings den Weg von Porsche, scheint das genau so gewollt.
Tempo wird in anderen Bereichen gemacht. Unter dem Motto „Faszination Sportwagen für alle Lebensbereiche“ agiert Porsche im Hinblick auf den Kunden schon sehr digital. Der Autobauer nutzt in der neu eröffneten „Digital Experience Foundry“ in Ludwigsburg moderne Technologien, um sich besser in den Kunden hineindenken zu können. So werden beispielsweise auf einem 30 Quadratmeter großen Display Alltagssituationen simuliert, im Café, zu Hause, am Flughafen. Auf diese Weise will sich der Autobauer in den Kunden hineinversetzen und die Erkenntnisse für die Prototypenentwicklung nutzen. In der digitalen Werkstatt, einer alten Fabrikhalle, gibt es 3D-Drucker, Lötkolben und viel Platz, um Dinge einfach auszuprobieren. „Die Dinge müssen einfach zusammenkommen“, sagt Thilo Koslowski, CEO Porsche Digital. „Die Algorithmen sind unsere Motoren, die Daten sind unser Treibstoff“.
Fazit: Wer über die Digitalisierung im Unternehmen nachdenkt, setzt einen Gedankenprozess frei, der die gesamte Arbeitswelt und Firmenkultur in Frage stellt. Die neuen Technologien fordern neben neuen IT-Systemen, der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und kundenorientierten Digital-Konzepten („User Experience!“) ein Umdenken auf allen Ebenen, von den Arbeitsformaten bis zu den Raumkonzepten. Daran wird deutlich, dass der digitale Wandel weder ein Hauruckprojekt sein sollte noch zeitlich begrenzt. Die digitale Arbeitswelt verändert sich kontinuierlich. Bei Porsche geht man die Sache sachte an. So soll es einfacher für alle Beteiligten sein. Und der vielbeschworene Garagenduft könnte noch lange anhalten.
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