Arbeit 2050 – Die Zukunft der Arbeit ist näher als man denkt

Verunsichert, verzweifelt oder frei? Was Menschen in den kommenden Jahren mit Arbeit verbinden, lässt sich kaum vorhersehen. Ein Langzeitprojekt zeichnet drei mögliche Zukunftszenarien zu Leben, Arbeit und Technologie im Jahr 2050. Dystopie und Utopie liegen demnach in unserer Hand.

Bis zur Zukunft ist es noch ewig hin, möchte man meinen. In 30 Jahren werden sich doch wohl Unternehmen auf robotische Arbeit eingestellt haben. Alle Arbeitenden haben sich an neue Arbeitsformen gewöhnt, fühlen sich ihrem Umfeld gewachsen, die Politik hat den Digitalpakt längst umgesetzt und arbeitet sich wie selbstverständlich durch Rahmenbedingungen für moderne Sozial- und Wirtschaftssysteme sowie eine sich stetig verändernde Arbeitswelt.

„Man könnte meinen, dass eine an der Zukunft orientierte Zivilisation mindestens genauso bedeutsam für die Gestaltung einer wünschenswerten Zukunft ist wie eine an der Geschichte orientierte.“ O-Ton aus dem Think Tank der Studie

Schön wärs. Denkbar sind unglücklicherweise auch ganz andere Entwicklungen, weniger utopische. Alles hängt laut einer langfristig angelegten Studie, an der die Bertelsmann-Stiftung beteiligt ist, davon ab, „dass wir schon heute den Blick auf die langfristigen Perspektiven (und Chancen) richten“, denn „dystopische Zukünfte der Arbeit sind ausreichend besprochen worden“. Die (Teil-)Studie „Arbeit 2050 – Drei Szenarien“ (PDF) zeichnet keine Prognosen, sondern Zukunftsbilder, wie die Arbeit in 30 Jahren aussehen könnte. Denkansätze und Handlungsoptionen sollen darauf hinweisen, welche Grundsteine aktuell gelegt werden können, um dem Wandel in allen Lebensbereichen zu begegnen. Denn Arbeit wirkt sich auf alle Bereiche aus und wird von allen möglichen Faktoren beeinflusst, sei es Politik, Kultur oder Forschung.

Alle drei Szenarien für 2050 also könnten so stattfinden – oder auch nicht. Sie haben gemeinsam, dass der technologische Wandel rascher voranschreitet als heute angenommen, und dabei Arbeit radikal verändert – weil sie ersetzt wird, in allen Szenarien andere Fähigkeiten als heute gefragt sind und die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine enger wird. 2050 werden etwa sechs Milliarden Menschen im erwerbsfähigen Alter sein.

Szenario 1: Es läuft „so lala“

Nehmen wir an, die Welt ist durch soziale, wirtschaftliche und technologische Veränderungen komplexer geworden. Die Massenarbeitslosigkeit blieb aus, weil Arbeitsfelder wie synthetische Biologie, Künstliche Intelligenz-/Robotik, Technologien zur Verschmelzung künstlichen und menschlichen Bewusstseins oder sozial stabilisierend wirkende Dienste wie Selbstverwirklichungs- und Beziehungscoaching gewachsen sind.

Im frühen 21. Jahrhundert gab es etwa drei Milliarden Beschäftigte. Heute, 2050, sind vier Milliarden in Anstellung oder selbständig. Die Zahl der durch neue Technologien geschaffenen Arbeitsplätze übertrifft die der verschwundenen. Die befürchteten sozialen Unruhen der Technikverweigerer und Anti-Technologie-Bewegungen blieben aus, als Ergebnis der Einführung diverser Formen von Grundeinkommen. Weltweit verschwindet langsam das Leitbild Ruhestand. Senioren „belasten“ die Gesellschaft nicht länger finanziell, sondern erledigen Telearbeit und zahlen Steuern.

Außergewöhnliche Synergien zwischen neuen Technologien (KI, Robotik, synthetische Biologie, 3D/4D-Druck, Nanotechnologie, IoT, autonome Fahrzeuge, Gehirnimplantate, VR/AR, Cloud Analytics und Conscious-Technologies) führten zu riesigen Konzernen, deren Macht sich jeder staatlichen Kontrolle entzieht.

Szenario 2: So schlimm wie Technologie-Kritiker immer befürchtet haben

Es ist passiert: Die „egoistische“ Wirtschaftspolitik des frühen 21. Jahrhunderts wurde vom Tempo der neuen Technologien und den Auswirkungen auf die Arbeitswelt überrannt. Immer weniger arbeitende Menschen werden gebraucht. Zum Teil waren diese Probleme schon seit Mitte der 2010er Jahre bekannt, doch die politische Lagerbildung (Links gegen Rechts; Bio-Hacker gegen Traditionalisten; Steuerzahler gegen Arbeitslose; Land gegen Stadt; Schuldner- gegen Gläubigerländer; Wissenschaftler gegen Populisten; Arm gegen Reich) hatte sich weltweit so verschlimmert, dass ab Mitte der 2020er ein konstruktiver Diskurs über Wirtschaftspolitik unmöglich geworden war. Man hörte nur noch auf die eigene Internet-Community, die Einstellungen und Vorurteile bestätigte.

Es gibt nur noch zwei Milliarden Arbeitnehmer oder Selbständige. Neue Technologien haben in den letzten Jahrzehnten weniger Arbeitsplätze geschaffen als vernichtet. Die geschwächten Volkswirtschaften und Finanzsysteme können alternde Gesellschaften und massive Jugendarbeitslosigkeit nicht bewältigen.

Viele haben Zukunftsangst, weil man sich zu spät mit künstlicher Intelligenz und ihren Auswirkungen beschäftigt hat. Wichtige Entscheidungen wurden aufgeschoben, darunter litten Bildung, Wirtschaft und sozialer Zusammenhalt. Die Welt besteht nun aus einer Mischung aus Nationalstaaten, Megakonzernen, Terrorismus und organisiertem Verbrechen.

Selbstständigkeit könnte die Beschäftigungsart der Zukunft sein. Zumindest wird das mit zunehmend projektbasierter Arbeit wahrscheinlicher.

Szenario 3: Mehr Harmonie geht nicht

Ein geschichtlich einmaliger Wandel findet statt, weg von menschlicher Arbeit und menschlichem Wissen hin zu Maschinenarbeit und -wissen: Die Menschheit muss nicht mehr arbeiten, um Geld zu verdienen oder aus Gründen der Selbstachtung. Damit beginnt die Umstellung von einer auf Arbeit ausgerichteten zu einer an Selbstaktualisierung (Self-Actualization – die Autoren vermeiden den „im Deutschen recht negativ besetzten Begriff der Selbstverwirklichung“) orientierten Wirtschaft.

In den 2020er Jahren erforschten Regierungen das Wechselspiel von Technologie, Arbeit, bedingungslosem Grundeinkommen, Selbstständigkeit und kamen zum Ergebnis: das könnte klappen. Senioren sind dank synthetischer Biologie länger „robust“ und weniger „finanzielle Belastung“ als normale Steuerzahler. Der Mensch befindet sich in einem so vielschichtigen Austausch mit KIs, dass es kaum noch eine Rolle spielt, wer was ist.

In den letzten Jahrzehnten haben neue Technologien mehr neue Arten von Arbeit geschaffen als alte vernichtet. Für die neue Generation der „Globals“ hat der Begriff der Arbeitslosigkeit keine Bedeutung mehr. Im Jahr 2050 gibt es eine Weltwirtschaft, die nachhaltig ist und zugleich die Grundbedürfnisse fast aller Menschen deckt.

„Vielleicht werden wir die Rahmenbedingungen erst dann sehen, wenn eine starke künstliche Intelligenz in der Lage ist, diese zu entwickeln – zum Guten oder Schlechten.“ O-Ton aus dem Think Tank der Studie

Was nun? Investiere in das, was dich ersetzt!

Manche möglichen Entwicklungen klingen erstrebenswert, andere sind eine Horrorvorstellung. Laut der Studie gibt es schon heute Möglichkeiten, wie wir Menschen die Richtung beeinflussen, uns auf kommende Herausforderungen vorbereiten können und es hinbekommen, Potenziale zu nutzen:

Vorgeschlagen wird etwa für die Arbeitswelt, passende Rahmenbedingungen für neue Arbeitsformen und Selbständigkeit – beispielsweise ein Äquivalent der Gewerkschaften für Freiberufler – zu schaffen.

Regierungen sollten neue Institutionen schaffen, die sich Fragen zu neuen Technologien und deren Folgen widmen (Zukunftsbehörde).

Die Autoren befürworten eine engere Zusammenarbeit nationaler und internationaler Wissenschaftler, um rechtliche Rahmen und Abkommen zu zukünftigen Notwendigkeiten von Haftung zu klären, Gefahren zu beseitigen, Potenziale zu nutzen.

Im Bereich Medien, Kunst und Kultur sollten von Bibliotheken bis Kinos für lebenslanges Lernen, kulturellen Austausch als Verbindungsort für neue Technologien neu ausgerichtet werden. Kunst und Medien sollen Technologie eher als Unterstützung der Menschen vermitteln statt sie zu ersetzen. Motto: „Investiere in das, was dich ersetzt“.

Lebenslanges Lernen richtet sich nicht auf einen Beruf, sondern auf Fähigkeiten. In der Schule könnte das Schulfach „Mögliche Zukünfte“ integriert werden, das einen verstärkten Fokus auf die Entwicklung von Kreativität, kritischem Denken, menschliche Beziehungen, Philosophie, Unternehmersinn, Kunst, Selbstständigkeit, soziale Harmonie, Ethik, Werte und die Fähigkeit sich selbst ein bedeutungsvolles Arbeitsleben aufzubauen und zu führen.

Die Erarbeitung der Szenarien sowie das Entwickeln von Erkenntnissen für Entscheiderinnen und Entscheider ist noch nicht abgeschlossen. Die drei beschriebenen Szenarien und Handlungsoptionen sind Teil der mehrjährigen globalen Studie Zukunft von Arbeit und Technologie 2050 des Millennium Project, dessen Mitglied die Bertelsmann Stiftung ist.

Das könnte Sie auch interessieren

Ein Kommentar

Schreiben Sie einen Kommentar zu Johann Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back to top button