Den „Kollegen Roboter“ sozialverträglich integrieren – nur wie?

Automatisierung, Roboter und Künstliche Intelligenz werden in den nächsten Jahren Millionen Arbeitsplätze vernichten und zugleich neue Stellen mit völlig anderen Jobprofilen schaffen. Ob Deutschland als Gewinner oder Verlierer aus diesem Transformationsprozess hervorgeht, hängt von der derzeitigen Weichenstellung ab. 

Automatisierung und Robotik sind nicht unbedingt Themen, die man der deutschen Industrie erst nahebringen muss. Viele Fertigungsprozesse sind bereits heute hochgradig automatisiert und Roboter sind aus Bereichen wie der Automobilproduktion nicht mehr wegzudenken. Trotzdem stehen wir erst der Anfang eines Wandels, dem in den nächsten zehn Jahren etwa drei Millionen Arbeitsplätze hierzulande zum Opfer fallen werden – nicht nur in der Fertigung. Auch viele Sachbearbeiterjobs sollen durch automatisierte Prozesse, smarte Anwendungen und Künstliche Intelligenz wegfallen oder sich in anspruchsvollere und kreativere Jobs verwandeln.

Jobwachstum in Europa zwischen 1999 und 2010, in Prozent. (Quelle: Institut zur Zukunft der Arbeit)
Jobwachstum in Europa zwischen 1999 und 2010, in Prozent. (Quelle: Institut zur Zukunft der Arbeit)

Die gute Nachricht: Falls die digitale Transformation auf Ebene der gesamten Industrie richtig angepackt wird, wird sie für ein neues Jobwunder sorgen. Glaubt man den Berechnungen des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), kostete die Automatisierung in Europa zwischen 1999 und 2010 etwa 1,6 Millionen Arbeitsplätze, vor allem in der Produktion. Gleichzeitig entstanden aber mehr als drei Millionen neue Stellen, teils durch den Technologie-Boom während dieser Zeit und teils dadurch, dass viele Produkte dank Automatisierung günstiger wurden und stärker nachgefragt wurden. Unterm Strich blieben damit rund 1,5 neue Arbeitsplätze auf der Habenseite. 

Das Potenzial für Automatisierung war nie höher

Der Druck, weiter und noch viel mehr zu automatisieren, hat sich in der Zwischenzeit für Unternehmen eher erhöht. „Die deutsche Industrie und insbesondere der Mittelstand kämpft mit dem Fachkräftemangel“, erklärte Helmut Schmid, Geschäftsführer und General Manager des Automatisierungsanbieters Universal Robots neulich auf dem Digital World & Governance Kongress in Berlin. Gleichzeitig sei eine gleichbleibend hohe Qualität und eine Produktivitätserhöhung angesagt. Darauf gebe es meist zwei Antworten: Die Auslagerung der Produktion in ein Land mit günstigeren Herstellungskosten und/oder mehr Automatisierung im eigenen Betrieb.

Die erste Option ist für den Mittelstand häufig die naheliegende, denn aus der Perspektive der Mittelständler sei Automatisierung teuer und man brauche dafür hochbezahlte Fachkräfte. Dabei sei das Potenzial zur Automatisierung kaum jemals höher gewesen: „Viele Unternehmen beschäftigen Mitarbeiter immer noch so, als wären sie Roboter“, so Schmid. Doch ein Mittelständler im Schwarzwald bekomme weder die nötigen Fachkräfte an seinem Standort noch könne er so viel Geld für die Investition aufbringen, um mit einem Return-on-Investment zu rechnen. 

In der Vergangenheit hat die Auslagerung von Produktion und die Automatisierung in Großbritannien und den USA zu einer De-Industrialisierung und Massenarbeitslosigkeit geführt, gab auf derselben Podiumsdiskussion Dr. Guido Zimmermann, Senior Economist bei der Landesbank Baden-Württemberg, zu bedenken. Auch wenn der Anteil der produzierenden Industrie in Deutschland noch immer einen Anteil von 30 Prozent habe, während dieser in Großbritannien auf 10 Prozent gefallen sei, sollte besser was passieren. 

Die Automatisierung der Arbeit ist für 83 Prozent der Unternehmen die naheliegendste Reaktion auf den digitalen Wandel. (Quelle: World Economic Forum)
Die Automatisierung der Arbeit ist für 83 Prozent der Unternehmen die naheliegendste Reaktion auf den digitalen Wandel, gefolgt von der Einstellung neuer Fachkräfte und der Weiterbildung der Belegschaft. (Quelle: World Economic Forum)

Mega-Verdiener und Butler-Jobs

„Was wir in den USA beobachten ist, dass sich durch die Digitalisierung drei verschiedene Arten von Jobs herauskristallisieren“, sagt Zimmermann. „Ganz vorn sind die Expertenjobs, vornehmlich von Männern ausgeübt, die die Mega-Kohle verdienen. Die brauchen die Unterstützer in ihrem Leben, in Form von Scheidungsanwält*innen, Steuerberater*innen, also die sogenannten ‚Butler-Jobs‘, die ebenfalls hochbezahlt sind. Diese beiden Schichten drängen gerade die untere Mittelschicht mit den sogenannten Sackgassenjobs aus den Städten, weil die sich die Mieten nicht leisten mehr können.“ Das Resultat einer solchen Entwicklung könne man derzeit in Frankreich mit der Gelbwesten-Bewegung beobachten. 

Zimmermann mahnt, diesmal nicht denselben Fehler zu machen wie bei der industriellen Revolution, die etwa vor einhundert Jahren stattgefunden hat. „Die Zeit zwischen 1918 und 1938 war die innovativste im letzten Jahrhundert und man hat damals den Fehler gemacht, die Dinge einfach laufen zu lassen.“ Das Resultat sei eine hohe Ungleichheit und Massenarbeitslosigkeit gewesen – also Phänomene, die wir auch heute beobachten – und daraufhin Entwicklungen wie der Kommunismus und der Nationalsozialismus, die das restliche Jahrhundert nachhaltig prägten. 

Mehr als die Hälfte der deutschen Arbeitskräfte muss neue Fertigkeiten lernen. Der Aufwand dafür liegt zwischen jeweils einem Monat und einem Jahr. (Quelle: World Economic Forum)
Mehr als die Hälfte der deutschen Arbeitskräfte muss neue Fertigkeiten lernen. Der Aufwand dafür liegt zwischen jeweils einem Monat und einem Jahr. (Quelle: World Economic Forum)

„Das alles war mitunter eine Reaktion auf die immensen technologischen Veränderungen“ so Zimmermann. „Wir müssen jetzt aufpassen und präventiv denken. Wenn wir es schon heute, bei einer Arbeitslosigkeit von nur 4,8 Prozent nicht schaffen, 2 Millionen Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, werden wir es nie schaffen.“ In einer solchen Situation dürfe man es sich nicht zu leicht machen und von einem Fabrikarbeiter einfach verlangen, er solle doch Krankenpfleger werden. „Ein Bergmann aus der Lausitz wird mit 45 nicht so schnell zum Web-Designer, das ist kulturell kaum vermittelbar“, sagt Zimmermann. Ohne entschieden gegenzusteuern gehe man das Risiko ein, ganze Bevölkerungsteile irrelevant zu machen und eine Gelbwesten-Revolution auch hierzulande anzuzetteln. 

Nicht alles hängt von der Initiative der Firmen ab

Konzerne wie Henkel (siehe Bericht) oder der Energieversorger Vattenfall sind groß und weitsichtig genug, um aus eigenem Antrieb Maßnahmen zur Digitalisierung der Arbeit zu treffen. Vattenfall hat zu Beginn zehn digitale Technologien identifiziert, die für seine Zukunft eine große Rolle spielen würden, und Pilotprojekte aufgesetzt. Heute bearbeiten Chatbots wöchentlich etwa 20.000 Kundenanfragen, Informationen über viele Produkte und Dienstleistungen werden über Webseiten statt über Kundenbetreuer vermittelt. Insgesamt wird damit rund die Hälfte der Kundenkontakte maschinell verarbeitet. Auch die Steuerung des Energieverkaufs wurde teilweise automatisiert, indem der Strom aus Windkraftanlagen immer zum richtigen Zeitpunkt auf dem Spotmarkt angeboten wird, um einen guten Verkaufspreis zu erzielen. 

Wichtig war bei diesem Prozess, die Mitarbeiter inklusive Betriebsrat von Anfang an miteinzubeziehen. „Eine wichtige Herausforderung ist zum einen, die Mitarbeiter so zu qualifizieren, dass sie mit dem Roboter arbeiten können, zum anderen ihnen klarzumachen, dass die nach der Automatisierung verbleibende Arbeit eine bessere Qualifizierung erfordert als bisher“, sagt Hans Rösch, Senior Program Manager von Vattenfall. Auch sei im Vorfeld viel investiert worden, um die digitale Strategie den Konzerns unter den Mitarbeitern zu kommunizieren, Zudem wurde und wird ihnen weiterhin die Gelegenheit gegeben, in so sogenannten DigiLabs mit den neuen Technologien zu „spielen“ und damit zu experimentieren. 

"Viele Unternehmen beschäftigen Mitarbeiter so, als wären sie Roboter", sagt Helmut Schmid, Geschäftsführer von United Robots. (Foto: United Robots)
„Viele Unternehmen beschäftigen Mitarbeiter so, als wären sie Roboter“, sagt Helmut Schmid, Geschäftsführer von Universal Robots. (Foto: Universal Robots)

Helmut Schmid von Universal Robots mahnt, die Industrie mit dem Thema Qualifizierung und Weiterbildung nicht allein zu lassen. „Laut einen neueren Studie ist das Bewusstsein in der Bevölkerung dafür, sich verändern und weiterqualifizieren zu müssen, in Europa sehr unterschiedlich hoch – in Skandinavien sind es 70 Prozent, in Südeuropa um die 25 und in Deutschland um die 50 Prozent. Es muss ein Ruck durch die Gesellschaft gehen, und das ist Aufgabe der Politik“, so Schmid. Zudem müsse die Politik dafür sorgen, dass das Bildungswesen auf das digitale Zeitalter vorbereitet sei.  

„Grimms Märchen“

Ob und wie gut sich die Politik auf die Digitalisierung einstellt, wird jedoch sehr unterschiedlich beurteilt. Während auf dem Kongress die Pläne des Arbeitsministeriums auf sehr Zustimmung stoßen, werden die Investitionen von 3 Milliarden in Künstliche Intelligenz für die nächsten fünf Jahren eher belächelt. Guido Zimmermann von der Landesbank Baden-Württemberg kommt beim Gedanken an der KI-Strategie der Bundesregierung spontan der Begriff „Grimms Märchen“ in den Sinn und er gibt zu bedenken, dass allein Amazons KI-Budget bei mehr als 17 Milliarden Dollar pro Jahr liegt und dass unser Nachbar Finnland sich vorgenommen hat, in den nächsten fünf Jahren 1 Prozent der Bevölkerung zu KI-Experten auszubilden, langfristig sogar 20 Prozent. 

Helmut Schmid unterstreicht die Bedeutung Künstlicher Intelligenz mit dem Hinweis, dass KI erheblich dazu beitragen werde, Automatisierung und Roboter in der Fertigung gerade für den Mittelstand erschwinglicher zu machen. „Smart Robotics inklusive KI helfen dabei, die Mitarbeiter am Produktionsband zu befähigen, mit Robotern umzugehen“, so Schmid. „Das funktioniert aber nur, wenn der Roboter ähnlich einfach in der Benutzung ist wie ein Werkzeug.“ Gelingt das, sei die Konsequenz daraus nicht nur Standortsicherheit, sondern ein sogenanntes Reshoring. Darunter versteht man die Rückführung der Produktion zum Stammsitz in Deutschland. „Auch in Polen und Tschechien steigen die Löhne und bei einer Produktion in China haben Sie lange Transportwege und Kommunikationsthemen. All das entfällt durch die Automatisierung, denn die Stunde automatisierter Produktion kostet hierzulande nicht viel mehr als anderswo. Dafür wissen Sie, mit wem Sie es zu tun haben.“ 

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