Digitaler Führungsstil: Es gibt keine Transformation auf Kommando

Wie motiviert man einen Mitarbeiter, unkonventionelle Lösungen oder unbekanntes Terrain zu betreten? Per Dienstanweisung mit Sicherheit nicht, sagt eine Studie der Personalberatung Kienbaum. Doch momentan hadern die Fachkräfte mit den Führungsqualitäten ihrer Chefs.

Was zeichnet einen guten Führungsstil in Zeiten der digitalen Transformation aus? Rein strukturell werden Unternehmen für die digitalisierte Zukunft flache Hierarchien und projektorientierte Teams empfohlen. Ganz auf Vorgesetzte will man aber dennoch nicht verzichten. Was aber zeichnet einen guten „Digitalen Chef“ aus?Die Personal- und Managementberatung Kienbaum und die Online-Jobplattform Stepstone wollten das genauer wissen und und haben  rund 13.500 Fach- und Führungskräfte dazu befragt.

Tranformationale Führung, also die Leitung über eine Vorbildfunktion, bei dem der Teamleader als Symbol für Leistung und Erfolg gesehen wird, ist für die Mehrzahl der Mitarbeiter der bevorzugte Führungsstil. (Bild: Kienbaum/Stepstone)
Tranformationale Führung, also die Leitung über eine Vorbildfunktion, bei dem der Teamleader als Symbol für Leistung und Erfolg gesehen wird, ist für die Mehrzahl der Mitarbeiter der bevorzugte Führungsstil. (Bild: Kienbaum/Stepstone)

Herausgekommen ist in der Studie „Die Kunst des Führens in der digitalen Revolution„, dass Fachkräfte keinerlei Wert auf Befehlsketten legen und sich einen Vorgesetzten wünschen, der als Vorbild fungiert. In dieser Eigenschaft sollte er nicht nur klare Ziele und Visionen vermitteln, sondern die Mitarbeiter dafür auch motivieren können. Einen solchen „transformationalen“, sinnstiftenden Stil wünschen sich 94 Prozent der deutschen Fachkräfte.

Einen strategischen Führungsstil begrüßen 88 Prozent. In diesem Fall formuliert ein Vorgesetzter klare Ziele und gibt den Angestellten konstruktives Feedback. Einen ethischen Führungsstil wünschen sich 84 Prozent der Angestellten. Damit ist Werte-orientiertes Handeln und die Förderung der Selbständigkeit der Mitarbeiter gemeint. Kommen transformationale und strategische Führung bei einer Führungspersönlichkeit zusammen, dann steige nicht nur das Engagement, sondern auch die Innovationsleistung der Mitarbeiter, glauben die Studienautoren.

Strategische Führung – Fehlanzeige

Doch offenbar macht die Mehrzahl der 13.500 befragten Fachkräfte in ihrem Arbeitsalltag ganz andere Erfahrungen: Nur 29 Prozent erleben den eigenen Vorgesetzten als strategische Führungskraft. Ein motivierendes Vorbild, das sich aber die überwiegende Mehrheit wünscht, sieht in seinem Vorgesetzten nur jeder fünfte Mitarbeiter. Weniger als 10 Prozent geben an, einen ethischen Führungsstil zu erleben, bei dem der Vorgesetzte die Interessen des Mitarbeiters vor die eigenen stellt.

Digitale Führungspersönlichkeiten sind in Deutschland offenbar rar gesät. (Bild: Kienbaum/Stepstone)
Digitale Führungspersönlichkeiten sind in Deutschland offenbar rar gesät. (Bild: Kienbaum/Stepstone)

In Wirklichkeit hat es mehr als Hälfte hat es mit einem Chef zu tun, der eine klare Rollenverteilung auslebt, Anweisungen gibt, delegiert und erwartet, dass diese erfüllt werden also einen Chef, der gerne kommandiert. 14 Prozent erleben auch, dass der Chef vor anderen schlecht über seine Mitarbeiter spricht. Ein Laissez-Faire-Stil ist laut Kienbaum-Studie bei mehr als einem Viertel aller Angestellten an der Tagesordnung.

Dabei haben die Mitarbeiter zwar relativ große Freiräume, jedoch beteiligt sich der Vorgesetzte nicht am Teamwork und liefert auch keine Rückmeldung. Sprich: 27 Prozent erleben einen Vorgesetzten, dem es eigentlich schnuppe ist, was seine Mitarbeiter machen. Besonders unbeliebt ist jedoch der transaktionale Führungsstil. Dabei werden Ziele vorgegeben, und an deren Erreichen knüpfen die Vorgesetzten eine Belohnung oder bei nicht Erreichen eine Strafe. Gleichzeitig etablieren sie eine starke Kontrolle. Motivation sieht anders aus.

Falsche Selbsteinschätzung

Die Chefs nehmen das alles natürlich ganz anders wahr. Die Mehrzahl der Führungskräfte stuft sich selbst gerne in die positiv konnotierten Eigenschaften ein. Daher glaubt die Mehrzahl der Mitarbeiter, dass sie eine strategische, ethische und transformationale Führungskraft sind. Als direktiv stufen sich selbst nur sehr wenige Chefs ein.

Selbstüberschätzung scheint vor allem unter Führungspersönlichekeiten ein weit verbreitetes Phänomen zu sein. Feedbackgespräche mit den Mitarbeitern können da Abhilfe leisten. (Bild: Kienbaum/Steptone)
Selbstüberschätzung scheint vor allem unter Führungspersönlichekeiten ein weit verbreitetes Phänomen zu sein. Feedbackgespräche mit den Mitarbeitern können da Abhilfe leisten. (Bild: Kienbaum/Steptone)

Die Diskrepanz zwischen Fremd- und Selbstwahrnehmung legt nahe, dass Führungskräfte gerade durch die Digitalisierung verstärkt auf das Feedback von ihren Mitarbeitern angewiesen sind. Nur so können sie in Erfahrung bringen, wie ihr Führungsverhalten wahrgenommen wird. Gleichzeitig fühlen sich Fachkräfte durch solche Feedback-Schleifen mit ihrem Vorgesetzten wertgeschätzt und der Zusammenhalt innerhalb des Teams steigt. „Durch Feedback-Ergebnisse wird den Führungskräften die Möglichkeit zur Reflektion gegeben und somit auch eine Chance, ihr Führungsverhalten mit den eigenen und den Unternehmenszielen abzugleichen und anzupassen“, heißt es in der Kienbaum-Studie.

Feedback sollten aber auch die Mitarbeiter von Ihren Vorgesetzten erfahren, raten die Autoren der Studie. Denn nur so könnten diese ihre eigene Arbeitsleistung verbessern und aus Fehlern lernen. Anreize wie etwa ein Bonussystem könnten für zusätzliche Motivation sorgen. Zu vermeiden gelte es aber, übermäßig Kritik zu üben oder impulsives Verhalten an den Tag zu legen. Denn dadurch werde die Arbeit als Zwang angesehen und nicht als sinnstiftende Tätigkeit.

Jetzt sind „differenzierte Führungsmodelle“ gefragt

Das wäre auch aus Sicht der Arbeitgeberseite wünschenswert: „Der Unternehmenserfolg hängt maßgeblich von Führungskräften ab, die sich ihres Führungsverhaltens sehr bewusst sind und reflektieren, welchen Einfluss – positiv wie negativ – dieses auf ihre Mitarbeiter und die Organisation hat“, sagt Walter Jochmann, Geschäftsführer von Kienbaum.

Ein Patentrezept gebe es dafür aber nicht. Vielmehr seien laut Jochmann „differenzierte Führungsmodelle“ gefragt, die die Besonderheiten der Organisation und auch die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter berücksichtigen. Die postiven Effekte durch transformationale Führungskräfte ergeben sich offenbar dadurch, dass den Mitarbeitern die Sinnhaftigkeit der eigenen Tätigkeit vermittelt wird und die Mitarbeiter auf diese Weise motiviert werden.

Immer mehr setzt sich die Überzeugung durch, dass die richtige Unternehmenskultur vermutlich die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Digitalisierung ist. Das zeigt unter anderem eine Studie des Beratungsunternehmens etventure. Demnach ist inzwischen in den Chefetagen angekommen, wie wichtig das Thema Digitalisierung ist. Doch deutsche Unternehmen  kommen bei der Umsetzung solcher Strategien nur sehr langsam voran. Die Beharrungskräfte seien zu groß, mutmaßen die etventure-Experten. Legt man nun die Kienbaum-Untersuchung neben diese Ergebnisse, liegt der Rückschluss nahe, dass auch angestaubte Führungsstile den Prozess der digitalen Transformation ausbremsen.

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