Was agile Unternehmen kennzeichnet
Moderne Betriebe sollten als lebender Organismus gesehen werden, nicht als Maschinerie, sagen Experten. Tatsächlich ist die Anpassungsfähigkeit, die die Natur den Lebewesen mitgegeben hat, das, was Unternehmen beim digitalen Wandel brauchen.
Seit mehr als einem Jahrhundert sind Unternehmen geprägt von Hierarchien, in Silos verstauten Prozessen, statischer Projektarbeit. Mittlerweile spüren Betriebe, dass die Digitalisierung traditionelle Organisationsformen überfordert. Die Unternehmensberatung McKinsey sagt, Firmen müssten die Vorstellung ablegen, sich als Maschinerie zu verstehen, dafür eher als lebenden Organismus wahrnehmen. Nur so könnten sie sich dem aktuellen rasanten Wandel erfolgreich stellen.
Agilität kann in einem statischen Gebilde wie dem Maschinenraum nicht gedeihen.
Hinter dem bildlichen Vergleich steckt das Prinzip der Agilität. Die veränderten Ansprüche von Kunden, Partnern und Investoren, disruptive Technologien, und Mitarbeiter, die mehr sein wollen als ein Rädchen im Getriebe, zwingen Unternehmen, flexible und anpassbare Strukturen einzuführen. Agilität könne in einem statischen Gebilde wie dem Maschinenraum nicht gedeihen. Agil-transformierte Unternehmen haben einiges gemeinsam, hat McKinsey beobachtet, und der Erfolg scheint ihnen recht zu geben. 81 Prozent der Teilnehmer eine Studie gaben an, die finanzielle Performance (Umsatz, Wachstum, Marktanteil, Kosteneffizienz) sei seit Beginn des Transformationsprozesses gestiegen. Die Gemeinsamkeiten lassen sich auf 5 Merkmale verdichten. Sie sind die Kriterien für ein lebendiges digitales Mindset.
Der Betrieb braucht einen Fixpunkt
Klingt zunächst nicht wirklich agil, doch auch flexible Unternehmen brauchen eine Vision, an der sie sich ausrichten können. Sie bezieht Kunden einerseits und Mitarbeiter, Partner und Investoren andererseits mit ein. Der Blick ist immer auf den angestrebten Mehrwert für alle gerichtet: ein Produkt, das Kunden wollen, und ein daraus generierter Umsatz. So ist dieser Fixpunkt für Facebook die täglich aktiven User. Jeder neue Nutzer macht die Seite „wertvoller“ für weitere User. Oder AirBnB: Das Ziel sind gebuchte Nächte (Mehrwert für Hosts und Gäste).
Die Vision gewährleistet den Zusammenhalt im Unternehmen. Denn um dorthin zu kommen, müssen Unternehmen anpassbar sein. Der Fixpunkt mag gesetzt sein, der Weg dahin ist es nicht. Agile Firmen orientieren sich stark an den Bedarfen der Kunden, holen Feedback bei Partnern ein und modellieren ihre Arbeit je nach den Ansprüchen ihres Umfeldes. Sie können beispielsweise Ressourcen, personelle oder technologische, dynamisch zuweisen, Abteilungen erweitern oder verkleinern, Kapital flexibel einsetzen, je nach Bedarf. Ein solchen Arbeitsumfeld ist mit Sicherheit anstrengend, aber erfahrungsgemäß auch motivierend für Mitarbeiter.
Teams handeln eigenverantwortlich und sind vernetzt
Die traditionelle Idee vom verwalteten Mitarbeiter ist agilen Unternehmen fremd. Sie agieren in flachen Strukturen und haben Teams eindeutige Verantwortungsbereiche zugewiesen. Jeder weiß, was er oder sie zu tun hat und entscheiden darf (oder muss). Die Mentalität ist hemdsärmelig und es erwächst daraus eine robuste Gemeinschaft, auch team-übergreifend, die praktisch denkt und Fehler zulässt.
Die traditionelle Idee vom verwalteten Mitarbeiter ist agilen Unternehmen fremd.
Jede und jeder tut das, was er oder sie am besten kann – und darüber hinaus. Denn man teilt sein Wissen mit anderen und lernt von ihnen. In einer solchen Umgebung stehen Transparenz, Kommunikation und Kollaboration ganz oben. Anders als in Unternehmen mit „Maschinerie-Struktur“ können sich Teams einfacher austauschen und Aufgaben aufteilen. Der Vorteil: Projekte werden effizienter vorangetrieben und die Beschäftigten gehen mit dem Gefühl nach Hause, wirklich etwas geschafft zu haben. Das mag pathetisch klingen, ist aber für die Moral in der Belegschaft heute essentiell.
Entscheidungen werden schnell getroffen
McKinsey veranschaulicht die agile Denkweise in einem Vorher-Nachher-Beispiel. Früher: „Um das richtige Ergebnis zu erzielen muss die Führungskraft die Richtung vorgeben, den Plan haben und wissen, wie man Risiken vermeidet“. Heute: „Niemand weiß was kommen wird. Der beste Weg zum Erfolg ist, sich auf Neues einzulassen und schnell sowie produktiv neue Lösungen auszuprobieren“. Erreicht wird das nicht mit einer unumstößlichen Jahresplanung, sondern mit, wenn man so will, kürzeren Wiedervorlage-Zyklen.
Der Sinn dahinter ist eine kürzere Reaktionszeit, um Fehlentscheidungen schneller zu korrigieren oder Budgets flexibler zuzuweisen. Auch bei der Produktentwicklung passiert Ähnliches: In Sprints (ein oder zwei Wochen) können Teams ihre Projekte kontinuierlich analysieren und überarbeiten. Damit die Zusammenarbeit reibungslos funktioniert, nutzen sie standardisierte Arbeitsweisen, etwa gut funktionierende Meeting-Formate oder einheitliche Collaboration-Tools. Laut McKinsey bevorzugen agile Betriebe schnelle, effiziente sowie kontinuierliche Entscheidungen und arbeiten auf der Etappe lieber mit einer Erfolgswahrscheinlichkeit von 70 Prozent als einer 100-prozentigen Sicherheit am Schluss.
Mitarbeiter (und Führungskräfte) stehen im Mittelpunkt
Lange verkannt, hat sich inzwischen die Mitarbeitermotivation und -zufriedenheit langsam in den Vordergrund für den Erfolg eines Unternehmens geschoben. Statt sie zu überwachen ist die Aufgabe von Führungskräften, Beschäftigte zu befähigen und zu ermutigen, gern ihr Bestes zu geben. Dazu müssen zuerst die Führungskräfte selbst geschult und motiviert werden, Vertrauen, Verantwortlichkeiten und Motivation an ihr Team weiterzugeben. Team-Leader sind Teil des Teams und der Community – sie stehen nicht darüber.
Jeder unterstützt jeden – zu dieser neuen Kultur passen nicht alle. Der amerikanische Online Schuhhändler Zappos (von Amazon übernommen) beispielsweise hat seine Recruiting-Prozesse auf diese Kultur abgestimmt und sogar Kandidaten während des Onboardings bis zu 4.000 US-Dollar gezahlt, damit sie die Firma wieder verlassen, weil sie nicht zur Unternehmenskultur passten.
Eine moderne IT
Es heißt zwar immer, der digitale Wandel sei hauptsächlich eine Sache der Kultur, ohne Technik ist er aber nicht denkbar. Wenn Unternehmen schnell auf Kunden- oder Partnerbedürfnisse reagieren, Teams vernetzen und Produkte für die Zukunft entwickeln wollen, brauchen sie entsprechende Technologien und Daten. Manche Prozesse lassen sich beibehalten und dabei modernisieren, die Kommunikation mit Kunden etwa.
In anderen Fällen ermöglichen ganz neue Prozesse, die es ohne digitale Tools nicht gäbe, Geschäftsmodelle zu erweitern oder neue zu kreieren. Innerhalb des Unternehmens können außerdem Teams effektiver experimentieren, testen, neue Produkte auf den Markt bringen und warten. Gerade um die Kundenorientierung zu schärfen, eignen sich digitale Lösungen in Form von Crowdsourcing oder Hackathons.