Digitales Schicksal für Geringqualifizierte in deutschen Betrieben: Im Zweifel arbeitslos

In Deutschland sieht die Zukunft für Arbeitende, deren Jobs durch die Automatisierung wegfallen werden, derzeit alles andere als rosig aus. Eine OECD-Studie macht vor allem die Regierung dafür verantwortlich. Doch auch Unternehmen und Beschäftigte müssen sich eingehender mit der Digitalisierung der Arbeitswelt auseinandersetzen.

Es gibt Länder innerhalb der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), die sind besser auf den digitalen Wandel und die veränderte Arbeitswelt vorbereitet als andere. Skandinavische Nationen zum Beispiel sind mal wieder Vorreiter, wie so oft, wenn es um Bildung geht. Diese Länder können die Chancen der Digitalisierung besonders gut nutzen, weil „ein großer Teil der Bevölkerung die notwendigen Vorkenntnisse besitzt oder Zugang zu entsprechenden Weiterbildungsmaßnahmen hat“, fasst es eine Studie der OECD mit dem Titel „OECD Skills Outlook 2019“ zusammen.

Viele gering qualifizierte Arbeitskräfte fangen bei digital Null an.

In Deutschland ist das nicht so der Fall. Besonders gering qualifizierten Arbeitskräften fehlen in der sich zunehmend digitalisierenden Arbeitswelt erforderliche Kenntnisse und Kompetenzen, weswegen ihnen auf lange Sicht schwere Zeiten bevorstehen. Deren Aufgaben, meist einfache routinemäßige Tätigkeiten, werden nicht nur sehr wahrscheinlich durch Automatisierung ersetzt werden. Sie benötigen zudem dringend Unterstützung, um sich für die digitale Arbeitswelt zu wappnen. In Deutschland haben rund 11 Prozent der Arbeitenden (s. Grafik) mit kritischen Zukunftsaussichten einen „moderaten“ Nachholbedarf, was digitale Kompetenzen anbelangt (bedeutet: es dauert etwa ein Jahr, bis ihre Kompetenzen für einen digitalisierten Job in welcher Forma auch immer ausreichen). Weitere 2,6 Prozent benötigen Intensivtraining von bis zu 3 Jahren, um dem Kündigungsschicksal aufgrund von Automatisierung zu entgehen. In der gesamten OECD liegt die Teilnahme von gering qualifizierten Erwachsenen – diejenigen, die am ehesten von den bevorstehenden Veränderungen betroffen sein werden – 40 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt der hoch qualifizierten Erwachsenen.

Laut OECD sind junge Leute gut für die digitale Arbeitswelt gerüstet. Ganz anderes je aktuell im Berufstätigen. (Quelle: OECD)
Rund jedem zehnten Berufstätige fehlen digitale Kenntnisse, die für die Jobs der Zukunft dringend notwendig sind. (Quelle: OECD)

Einziger Ausweg: Erwachsenenbildung und lebenslanges Lernen

Der einzige Ausweg aus der Misere ist laut OECD-Studie das lebenslange Lernen. Aktuelle Bildungssysteme müssten weiterentwickelt und angepasst werden, damit sich Erwachsene und diejenigen, die den digitalen Wandel in der Arbeitswelt derzeit live miterleben, auf die kontinuierlichen Veränderungen im digitalen Arbeitsmarkt einstellen können. Bei Geringqualifizierten beginnt das bereits bei den Grundlagen wie dem Umgang mit dem Internet, zieht sich über die Bedienung von Automationslösungen bis zum Training von KI-Systemen. Diese Technologien sind es nämlich, die ihnen die Jobs in Zukunft streitig machen und mit denen sie zusammenarbeiten werden müssen. Auch kognitive Fähigkeiten und so genannte Soft Skills wie die Fähigkeit, Probleme kreativ zu lösen oder flexibel in der Arbeits- oder Herangehensweise von sich ändernden Aufgaben zu sein, sind gefragt.

Mit dem lebenslangen Lernen erst in der Mitte des Lebens zu beginnen ist aber auch nicht Sinn der Sache. Laut OECD gilt es, digitale Kompetenzen, Hard wie Soft Skills, bereits in der Schule zu vermitteln. Die Organisation empfiehlt dazu Maßnahmen, die einem inzwischen bekannt vorkommen: Lehrkräfte digital fit machen, damit sie die Fähigkeiten an Schüler weitergeben können und zwar so, dass den Berufsanfängern von morgen klar ist: Lernen ist wirklich lebenslang.

Was ist nun mit der nationalen Weiterbildungsstrategie der Bundesregierung?

Mit dem lebenslangen Lernen erst in der Lebensmitte zu beginnen ist aber auch nicht Sinn der Sache.

Regierungen sollen darüber hinaus die Voraussetzungen schaffen, damit Arbeitgeber Beschäftigte aus dem Arbeitsalltag heraus in Weiterbildungsmaßnahmen bringen können (und zusammen mit anderen Interessengruppen die Kosten übernehmen). Digitale Technologien sollen nicht nur in Hightech-Regionen (Städten) verfügbar sein, sondern auch im Ländlichen, um beispielsweise Online-Kurse zur Weiterbildung anzubieten, wo kein Unternehmen angesiedelt ist, das die Erwachsenenbildung unterstützen kann.

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Ob die im Digitalpakt der Bundesregierung angekündigte nationale Weiterbildungsstrategie das alles abdeckt, ist fraglich. Zwar hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) entsprechende Pläne für diesen Sommer angekündigt. Dass darin auch die geplante Weiterbildungsplattform „Milla“ enthalten ist, darf angezweifelt werden. Denn laut dem Handelsblatt steht „Milla“ (Modulares interaktives lebensbegleitendes Lernen für alle) auf der Kippe: Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) möchte den Vorschlag, der bei der Präsentation der Digitalstrategie von ihr noch als „interessant“ bezeichnet worden war, jetzt lieber „ergebnisoffen“ diskutieren. Die Lernplattform soll(te) ein KI-gestütztes System werden, das Nutzer mit kurzweiligen Lernmodulen fit für die digitale Zukunft machen soll.

Wie alle Lernplattformen würde aber auch Milla voraussetzen, dass sich Arbeitende mit gefährdetem Arbeitsplatz nicht zurücklehnen, sondern mitmachen. Arbeitgeber können und müssen ihre Beschäftigten motivieren, schon aus eigenem Interesse (und mit staatlicher Unterstützung). Allerdings liegt es am Ende auch an den Beschäftigten selbst, wie gut seine oder ihre der persönliche Digital-Fitness ist.

Immerhin scheint es hierzulande Aussicht auf Besserung zu geben, denn die junge Generation der 16- bis 29-jährigen steht in Bezug auf ihre Vorkenntnisse im Umgang mit digitaler Informations- und Kommunikationstechnik besser da als der OECD-Durchschnitt.

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