Teamwork 2020: Remote und doch ein Team

Kann Teamwork auch über den Bildschirm funktionieren? Die digitalen Hilfsmittel machen das zweifellos möglich, wie aktuelle Umfragen beweisen, doch das Management muss sich umstellen.

Falls jemandem noch nicht bewusst geworden ist, wie radikal die durch Corona angestoßenen Veränderungen am Arbeitsplatz sind, könnte ihm/ihr vielleicht folgende Meldung auf die Sprünge helfen: Dropbox, das Unternehmen hinter dem gleichnamigen Cloud-Speicherservice, hat letzten Monat eine „Virtual first policy“ bekanntgegeben. Sie sieht vor, dass auch nach Juni 2021, wenn die Corona-bedingten Homeoffice-Maßnahmen des Unternehmens offiziell enden, der reguläre Arbeitsplatz für alle Angestellten zuhause sein wird. 

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Mehr noch: Die Büros an den 13 Standorten von Dropbox werden zu „Orten der Begegnung“ umfunktioniert. Dort sollen sich die Angestellten treffen, um sich auszutauschen, zusammenzuarbeiten oder an Teambuilding-Programmen teilzunehmen. Doch es wird in diesen Räumlichkeiten keine Solo-Arbeitsplätze mehr geben. Dafür wird es einen Homeoffice-Zuschlag für alle geben. Diesen können die Angestellten nicht nur für die eigene Ausstattung nutzen, sondern auch um sich einzeln oder in Gruppen in Coworking-Offices einzumieten, falls sie ein alltägliches kollegiales Umfeld wünschen. 

Jeder zehnte würde am liebsten nur im Homeoffice arbeiten

Das Beispiel mag extrem klingen und Silicon Valley ist mit Sicherheit weit weg, doch das sagte man auch über den Homeoffice-Trend vor einigen Jahren. Ein halbes Jahr nach dem ersten Lockdown sieht die Arbeitswelt etwas anders aus. Laut einer weltweiten Umfrage von Slack, Hersteller der gleichnamigen Collaboration-Plattform, arbeitet bereits jeder vierte Büro-Erwerbstätige in Deutschland hauptsächlich von zuhause aus, 13 Prozent würden sogar am liebsten ausschließlich im Homeoffice werkeln. 

Ist angesichts dieser Entwicklung Teamwork überhaupt möglich? „Es geht sogar sehr gut“, sagt Nick Tränkle, Head of Processes and Digital Transformation beim mittelständischen Sensorik-Spezialisten elobau. Bei Tränkles Arbeitgeber war die Diskussion über virtuelle Zusammenarbeit vor Corona eher schwierig, Homeoffice kaum ein Thema. Die Arbeitenden sahen die analoge Zusammenarbeit im Büro als Notwendigkeit, ohne die Teamwork nicht funktionieren konnte. „Der Wandel in Richtung Remote Work ist jetzt spürbar“, sagt Tränkle. Management und Teams hätten inzwischen nicht nur eingesehen, dass es sehr wohl geht, sondern hätten auch die Erfahrung gemacht, dass sie zuhause um einiges produktiver sind. 

Der Alltag ändert sich, die Abläufe weniger

Letzteres wird auch in der Slack-Studie von rund zwei Drittel der Befragten in der Region EMEA (Europe, Middle East, Africa) bestätigt. Bei etwa 38 Prozent der Befragten in Deutschland ist Homeoffice mit weniger Stress verbunden, obwohl fast 30 Prozent noch mit einer suboptimalen Infrastruktur und schlechten Internet-Leitungen zu kämpfen haben. Aufs Büro als Ort der Zusammenarbeit möchte allerdings bei elobau auch künftig kaum jemand verzichten. Auch an den Arbeitsprozessen hat sich beim Allgäuer Unternehmen kaum etwas geändert. „Wir haben viele physische Meetings durch Slack und Zoom ersetzt, ansonsten ist aber alles beim Alten“, so Tränkle.  

Ähnliche Erfahrungen machte Annie Meharg, Chief Commercial Officer beim britischen App-Anbieter Kooth. „Die größte Veränderung betrifft unseren Alltag, nämlich dass wir uns kaum noch im Büro sehen. Dafür sehen wir, wie unser Team viel schneller digitale Tools annimmt und damit produktiv arbeitet, als das vorher denkbar gewesen ist. Projekte werden über Slack und Monday koordiniert und wir haben das physische Whiteboard durch Tools wie Mural und Miro ersetzt.“ Letzteres habe den Vorteil, dass Mitarbeiter, die in physischen Meetings eher zurückhaltende sind, mit digitalen Plattformen eine Möglichkeit bekommen, sich das Ergebnis einer kreativen Sitzung im Nachhinein anzuschauen und sich nachträglich einzubringen. 

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Um den Übergang zur digitalen Arbeit besser und schneller zu schaffen, empfiehlt Nick Tränkle Unternehmen, Heimarbeit durch entsprechende Regelungen auf eine stabile Basis zu setzen. Davon würde nicht nur die Produktivität profitiere. Vielmehr würde man sich als Unternehmen bessere Chancen geben, Fachkräfte zu finden. „Der Fachkräftemangel bleibt trotz der abzusehenden Rezession ein großes Problem, besonders für Firmen, die wie wir auf dem Land angesiedelt sind.“ 

Eine neue Rolle fürs Management

Die eigentliche Gefahr für Remote Teams sehen Nick Tränkle und Annie Meharg eher woanders. „In dieser Zeit kommt es wirklich darauf an, sich als Unternehmen um seine Leute zu kümmern“, sagt Meharg. „Ihr Wohlbefinden ist eine Priorität fürs Management. Wir sollten Technologie nutzen, um sie miteinander zu verbinden und ihnen in schwierigen Zeiten wie diesen Hoffnung zu geben.“ Um die Zusammengehörigkeit zu stärken und das Team motiviert zu halten evaluiert Meharg aktuell die App 15five, die genau das verspricht. 

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Annie Mehargs Sorge um das Wohlbefinden des Teams ist nicht aus der Luft gegriffen. Laut Slack-Umfrage findet es jeder vierte der Befragten in Deutschland schwieriger, vom Homeoffice aus Beziehungen zu Kollegen aufrechtzuerhalten oder aufzubauen. Jeder fünfte fühlt sich außerdem im Homeoffice immer wieder einsam oder abgeschnitten und/oder hat Probleme mit der Motivation. 

„Ich sehe hier eine Riesenverantwortung fürs Management“, sagt Nick Tränkle. „Insbesondere für Führungskräfte, die es bisher eher gewohnt waren, die Herde zu hüten und Köpfe zu zählen. Sie müssen jetzt lernen loszulassen, ihren Mitarbeitern mehr Freiheit geben und sie befähigen. Dieser überfällige Umstieg von Command & Control zum Serving Leader ist von kritischer Bedeutung und definiert die Rolle des mittleren Managements neu. Jetzt ist die richtige Zeit, dem Team zu helfen, nicht in die Isolation abzudriften.“  

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