Virtuelle Teams richtig führen

Ortsunabhängiges Arbeiten lässt räumlich verteilte Teams entstehen, die über längere Zeit nur virtuell miteinander kommunizieren. Beim Aufstellen und Management von virtuellen Teams sollten einige besondere Gesichtspunkte berücksichtigt werden.

Dezentrale Strukturen, vernetzte Unternehmen, der anhaltende Homeoffice-Trend, Collaboration Tools – viele Faktoren tragen dazu bei, dass überall in der Industrie Teams entstehen, die digital zusammenarbeiten müssen. Nur hat digitale Zusammenarbeit an sich schon eigene Regeln. Wenn noch dazu Teams zusammengestellt werden, deren Mitglieder räumlich weit voneinander entfernt sind und bis dahin wenig miteinander zu tun hatten, kann es leicht passieren, dass es weder mit der Kommunikation noch der Zusammenarbeit so recht klappen will. Speziell für die Teamleitung können solche Projekte dann zu Albtraum ausarten. 

Auch virtuelle Teams bestehen aus echten Menschen.

Besser ist es, wenn die Teamleitung von vornherein eine Reihe von Aspekten berücksichtigt, die sicherstellen, dass ein digitales Team auch produktiv zusammenarbeiten kann. Der allerwichtigste: Ein geografisch weit verstreutes Team mag zwar „virtuell“ genannt werden, dessen Mitglieder sind aber echte Menschen. Jeder hat einen eigenen Hintergrund, eine andere Ausbildung, andere Gewohnheiten und Arbeitsweisen. Und all diese menschlichen Faktoren sollten besser schon am Anfang berücksichtigt werden, damit sie nicht mittendrin im Weg stehen.

Wann ist ein Team ein Team?

Soll ein Team über längere Zeit oder an einem größeren Projekt miteinander zusammenarbeiten, ist es wichtig, dass sich die Mitglieder untereinander erst kennenlernen und auch danach regelmäßig zusammenkommen, Experten empfehlen mindestens einmal im Jahr. Solche Treffen haben nicht nur den Sinn, dass man sich inhaltlich bespricht und Projekte plant. Durch die gemeinsame Zeit lässt sich auch auf der persönlicher Ebene Vertrauen und ein Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen die Teammitgliedern aufbauen. Angesichts der räumlichen Distanz ist bei virtuellen Teams beides wesentlich wichtiger als bei Kollegen, die regelmäßig gemeinsam in der Kantine essen.

Für Mark Mortensen, Professor für Organisationsverhalten an der Pariser Elite-Uni INSEAD, wirken sich die Unterschiede in der Herkunft, der Sprache, der Kultur, etc. hauptsächlich über zwei Mechanismen aus: über die gemeinsame soziale Identität und den gemeinsamen Kontext. Die gemeinsame Identität ergibt sich aus der Zugehörigkeit zur selben Gruppe, die ein bestimmtes Ziel verfolgt und eine gemeinsame Vorgehensweise teilt. Der Kontext beschreibt das gemeinsame Verständnis für die Aufgabe, die Arbeitsweise, die Kommunikation und die Art und Weise, wie miteinander umgegangen und zusammengearbeitet wird. 

Beides, Identität und Kontext, wird am besten über das Zusammenkommen als Gruppe vermittelt. Räumliche Distanz hingegen verstärkt die Wahrnehmung der Unterschiede zwischen den Teammitgliedern und schafft eine misstrauische Grundhaltung. Fehlt dem Team die gemeinsame Identität, wächst das Misstrauen und es macht sich eine „Wir und die anderen“-Haltung breit – eine Garantie für Missverständnisse und noch größere Probleme. Fehlendes Vertrauen unter den Mitgliedern wiederum ist nach Auskunft vieler Experten der häufigste Grund, warum virtuelle Teams scheitern.

Was ist die Aufgabe der Teamleitung?

„In Kontakt bleiben, gut kommunizieren und bloß nichts anbrennen lassen“ dürfte ein Motto sein, das die Aufgabe der virtuellen Teamleitung recht gut auf den Punkt bringt. Die räumliche Trennung macht es nötig, sich um einiges intensiver um die drei genannten Punkte zu kümmern.

Die gemeinsame Arbeit konkret formulieren
Schon die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedern verschiedener Niederlassungen derselben Firma im selben Land kann manchmal eine Herausforderung sein. Die Digitalisierung lässt immer häufiger internationale Teams verschiedener Unternehmen entstehen. Ein Grund mehr, den oben genannten Kontext der Zusammenarbeit für alle Beteiligten so fassbar wie möglich zu machen. Vor allem das Ziel, das Ergebnis eines Projekts sollte allen im Detail klar sein. Hinzu kommt ein klares Bild von der Arbeitsweise, den eingesetzten Mitteln im Sinne der Plattformen für die Kommunikation und Zusammenarbeit, sowie ein gemeinsames Verständnis dafür, wie und über welche Kanäle kommuniziert werden soll.

„Kümmere dich mal bitte um XY“ ist nicht explizit genug wenn der Adressat nicht genau weiß, wie man sich um XY kümmert.

Klare Ansagen, klare Erwartungen
Die Kommunikation in einem virtuellen Team darf ruhig etwas expliziter und detailreicher sein. Andeutungen und Anliegen, die „zwischen den Zeilen“ versteckt sind, kommen häufig nicht so an, wie sie gemeint sind und der Teamleitung fehlt der direkte Rückkanal, um es nachzuprüfen. Kulturelle Unterschiede verschärfen solche Effekte noch mehr. Auch mit einfachen und für die Teamleitung selbstverständlichen Ansagen wie „kümmere dich mal bitte um XY“ kann ein Teammitglied hadern, wenn es sich nicht sicher ist, wie man sich genau um XY kümmert. Deswegen sollte auch immer nachgefragt bzw. überprüft werden, ob die einzelnen Ansagen wirklich verstanden wurden. 

Präsenz zeigen
Der Flurfunk und die zufälligen Gespräche an der Kaffeemaschine, die so häufig wichtige Anliegen an den Tag bringen, entfallen bei virtuellen Teams komplett. Deswegen sollte man methodisch zu anderen Mitteln greifen, um im Bilde zu bleiben. Regelmäßige Team-Meetings via Telefon oder Videokonferenz sind dabei nur die halbe Miete. Persönliche Gespräche mit den einzelnen Teammitgliedern sollten ebenfalls regelmäßig stattfinden, ohne dass es dafür eine Agenda oder ein konkretes Anliegen geben muss. Das muss auch nicht unbedingt zu verabredeten Zeiten passieren, der spontane Griff zum Telefon wirkt oft Wunder.

Das Wir-Gefühl ist ein zartes Pflänzchen, das sehr regelmäßig Wasser braucht.

Freier Informationsfluss
Alle für ein Projekt notwendigen Informationen sollten für alle frei zugänglich sein, am besten ab dem Moment ihrer Entstehung. Das hat zwei Vorteile: Zum einen werden dadurch Unstimmigkeiten und Fehler früh genug erkannt, um ausgebügelt zu werden. Zum anderen bietet diese Vorgehensweise praktische Vorteile für jeden. Wenn jeder seiner Bringschuld mit den Informationen gewissenhaft erledigt, haben alle die Möglichkeit, ihre Holschuld (informiert zu sein) einfacher zu erfüllen. Ein zentrales Informationsdepot, wie es Projektmanagement- und Collaboration Tools anbieten, ist dabei endlosen E-Mail-Threads deutlich vorzuziehen. 

Zu guter Letzt
Das bei der Zusammenstellung des Teams erarbeitete Wir-Gefühl ist ein recht sensibles Pflänzchen. Es sollte auch während der Zeit, in der man nur über Bildschirme und Tastaturen kommuniziert, gut gegossen werden. Stellen Sie sicher, dass auch bei den virtuellen Gruppenmeetings genug Zeit da ist, um etwas Spaß zu haben oder einem Kollegen zum Geburtstag zu gratulieren oder ihn für seinen neuen Firmenwagen zu beneiden oder, oder… Der menschlichen Seite genügend Freiraum zu geben ist gerade in der digitalen Arbeitswelt wichtig wie nie zuvor, gerade für Führungskräfte.

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