Was junge Fachkräfte von Unternehmen erwarten – und welche Ansprüche Arbeitgeber stellen sollten
Beschäftigte zwischen 24 und 35 Jahren haben eine klare Vorstellung davon, wie ihr Arbeitgeber zu sein hat. Sie stellen zum Teil berechtigte Ansprüche. Doch nicht alles, was die so genannten Millennials fordern, muss ein Unternehmen auch anbieten. Streckenweise würde ihnen ein wenig Demut gut tun.
Eine junge Generation Berufstätiger mit derzeit begehrten Ausbildungen kann sich heute ihren Arbeitgeber aussuchen. Sie haben studiert und Berufe erlernt, die gerade mehr als gefragt sind. Sie sind mit Computern aufgewachsen und sehen in Digitalisierung und Industrie 4.0 notwendige Entwicklungen – was den Unternehmen bei ihren Bemühungen zur digitalen Transformation hilft. Arbeitgeber, die auf junge Fachkräfte angewiesen sind, werden einiges in die Waagschale werfen, um die Absolventen und Berufseinsteiger zu akquirieren.
Was die jungen Generationen wollen
Die jungen Erwerbstätigen erwarten vom Arbeitgeber mehr als Profitdenken und positive Finanzergebnisse. Sie sind nicht dumm, sagt das Beratungsinstitut Deloitte in seiner Millennial-Umfrage 2018, und verweist darauf, dass sie sehr wohl wüssten: Ohne gute Bezahlung geht es nicht. Trotzdem erwarten sie zuvorderst mehr soziale und ethische Verantwortung. Das Unternehmen soll positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben. Ihr (internationaler) Arbeitgeber soll wirtschaftliche, umwelttechnische und soziale Probleme angehen und ihnen mit Bildungsinitiativen, wirtschaftlicher Stabilität oder Cybersicherheit begegnen. Junge Beschäftigte trauen Führungskräften aus der Wirtschaft sogar mehr Einfluss zu als religiösen Instanzen und Politikern.
Ihre Prioritäten liegen zudem auf Kriterien wie der Weiterentwicklung des eigenen Jobs oder klar definierte Weiterbildungschancen. Es wird erwartet, dass der Arbeitgeber zur Verbesserung der individuellen Lebensbedingungen beiträgt, sie bei der Umsetzung innovativer Ideen unterstützt, die sie am liebsten mit ganz diversen Teams kreieren.
Wenn sich ein Unternehmen also auf die Fahne geschrieben hat, ethisch und moralisch zu agieren und es hinbekommt, den vielleicht sogar selbst auferlegten Kulturwandel in Umsatz münden zu lassen, bleiben junge Arbeitnehmer länger. Verpflichtet sich die Firma beispielsweise zu Klimaschutz und Ressourcenschonung, verändert das den Blick der Jungen auf ihren Arbeitgeber. Sie verhalten sich loyaler.
Dem Unternehmen treu bleiben die rund 30-Jährigen auch dann, wenn ihnen eine individuelle Arbeitsplatzgestaltung zugestanden wird. Flexible Arbeitszeiten und -orte sind heute rein technisch kein Problem mehr, es hängt vornehmlich von der Ausgestaltung der Homeoffice-Regelungen ab, wie flexibel die Beschäftigten sein dürfen.
Doch die Loyalität hat Grenzen. Durch viele Umfragen bestätigt freuen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Wertschätzung und Aufmerksamkeit. Überraschend aber dies: Junge Arbeitnehmer schätzen laut Deloitte-Studie hauptsächlich eine finanzielle Wertschätzung. Das klingt nach einem Widerspruch: Waren sie es nicht, die von ihrem Arbeitgeber mehr als den Gedanken ans Geld forderten? Laut Deloitte passt das jedoch zu ihrer Idee, den Arbeitgeber mitverantwortlich für ihre Lebensverhältnisse zu machen. Immerhin könnten sie so für ihre Kinder sparen oder sich ein Haus kaufen.
Beim Geld hört die Moral auf – auf beiden Seiten
Wenn es ums Geld geht, gerät das Bild der aufmerksamen, ethisch und moralisch korrekten jungen Mitarbeiter in eine Schieflage. Finden sie beispielsweise keine flexiblen Arbeitsbedingungen vor, suchen sie nicht etwa nach einem Arbeitgeber, der diesem Anspruch gerecht wird. Sie heuern als Klickworker in der Gig-Economy an, weil sich dort nicht nur flexibel arbeiten, sondern auch in kurzer Zeit viel Geld verdienen lässt.
Noch schräger wird die Schieflage, wenn man den Spieß einmal umdreht. In den Augen der Jüngeren investieren Unternehmen zu wenig in die Digitalisierung. Mit dieser Erkenntnis liegen sie im Trend und haben diesbezüglich wohl recht. Um für den digitalen Wandel gewappnet zu sein, müssen Firmen nicht nur neues IT-Equipment anschaffen, sondern vor allem die Belegschaft schulen und ihnen kreatives Denken beibringen – und das alles während ihrer Arbeitszeit, in der sie das Tagesgeschäft nicht vergessen dürfen. Der Haken daran: Sie müssen es auch wollen und mitmachen.
Als gut ausgebildeter Berufseinsteiger um die 30, mit Fähigkeiten, die Unternehmen heute händeringend suchen, kann man mehr Ansprüche stellen als ein Arbeitnehmer ohne besondere Kompetenzen. Dagegen spricht erst einmal nichts und Unternehmen tun gut daran, deren durchaus moderne und vorwärtsgewandte Vorstellungen ins Unternehmen zu tragen und ihr Jobangebot auf so genannte „softe“ Kriterien auszudehnen.
Was Unternehmen erwarten können
Aber muss ein Unternehmen wirklich den Forderungen der Bewerber bedingungslos folgen? Können die Führungskräfte umgekehrt nicht auch von ihnen verlangen, die Zukunft der Firma mitzugestalten statt sich ins gemachte Nest zu setzen? Man kann und sollte es auch tun.
Junge Generationen sollten sich besser nicht auf den Lorbeeren ausruhen.
Gerade bei der digitalen Transformation müssen alle mithelfen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten bereit sein, sich mit neuen Tools, die in den Startlöchern stehen, auseinanderzusetzen. Ihre Teamfähigkeit stellen sie auch dadurch unter Beweis, dass sie das Unternehmen dabei unterstützen, sinnvolle Kollaborationen zu erkennen und auszuprobieren. Weiterbildungsmaßnahmen müssen nicht ausnahmslos von Führungskräften angeboten werden, auch hier ist Eigeninitiative gefragt, die das Management annimmt. Und nicht nur der Arbeitgeber braucht ein offenes Ohr bei Schwierigkeiten, auch die jungen Kollegen sollten ansprechbar sein und Hindernisse aus dem Weg räumen helfen, um die Unternehmenskultur und eine berufliche Atmosphäre nach ihren Vorstellungen aktiv zu prägen.
Ein Unternehmen lebt von und mit dem Kollegium. Denn wo wirklich zusammen gewirtschaftet wird, entwickelt sich nicht nur ein gemeinsames Ziel – die Belegschaft als Ganzes darf sich den Erfolg ans Revers heften und trägt als Marken-Botschafter vielleicht den guten Namen der Firma nach draußen. Daraus kann ein positives Image entstehen, das es Unternehmen wiederum leichter macht, ihre von Millennials geforderte soziale Verantwortung wahrzunehmen und etwas zu bewirken. Mit einer funktionierenden Gemeinschaft durchströmt ein Unternehmen mehr Motivation, Loyalität und Teamgeist als mit Krampf agile Coaches einzustellen oder ein superdiverses Quoten-Kollegium zusammenzustellen.
Bei allem Respekt, auch Millennials gehören zur arbeitenden Bevölkerung, die sich nicht auf ihren Fähigkeiten ausruhen kann. Bei der rasanten Entwicklung, die wir auf dem aktuellen Arbeitsmarkt erleben, ist der heute gut bezahlte Softwareentwickler vielleicht irgendwann nur einer von vielen.