Mittelständler halten Zusammenarbeit mit Startups für überflüssig – ein Irrtum

Startups mit kreativen Ideen und digitalen Geschäftsmodellen sind mittlerweile in nahezu jeder Branche erfolgreich. Etablierte Mittelstandsfirmen rümpfen dennoch lieber die Nase statt zu kooperieren. Dabei wäre der Austausch für beide Seiten gut.

Während Startups es von Haus aus gewohnt sind, auf andere zuzugehen – sie suchen Geldgeber, setzen sich in Coworking Spaces und setzen gezielt auf Partnerschaften – kämpfen sich viele kleine und mittelständische Unternehmen allein durch den Arbeitsalltag. Bislang hat dieser Weg für die Betriebe funktioniert. Mit der Digitalisierung der Arbeitswelt allerdings stoßen die meisten an ihre Grenzen. Eine Notwendigkeit, Unterstützung bei denen zu suchen, die es nie anders gemacht haben, sehen sie dennoch nicht. Die Gründe dafür sind streckenweise mindestens fragwürdig.

Manager haben keine Zeit oder nehmen sie sich nicht? Das ist die Frage. (Quelle: Bitkom)
Manager haben keine Zeit oder nehmen sie sich nicht? Das ist die Frage. (Quelle: Bitkom)

Keine Zeit, keine Not, keine Vorteile – die Gründe sind, nun ja, verwunderlich

Obwohl jedes vierte Unternehmen seine Marktstellung durch Gründer gefährdet sieht, wie eine Umfrage des Branchenverbandes Bitkom unter 606 Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten aktuell ergab, verzichten die meisten darauf, dem vermeintlichen „Feind“ die Hand zu reichen. Mehr als die Hälfte der Geschäftsführer (53 Prozent) nehmen sich dafür keine Zeit, 59 Prozent sehen keinen Mehrwert in einer Kooperation und 56 Prozent sehen keine Projekte, die sie mit Startups umsetzen könnten. Am Geld liegt es jedenfalls nicht unbedingt: nur knapp ein Viertel macht ein zu geringes Budget dafür verantwortlich.

Fast neun von zehn KMUs sehen in der Digitalisierung keine existenzielle Bedrohung für den Fortbestand ihres Unternehmens, lautete das Ergebnis einer Umfrage, die das Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e.V. (RKW) 2018 durchgeführt hat. Lediglich 32 Prozent der Mittelständler glauben, ihr Geschäftsmodell langfristig anpassen zu müssen. Sich mit innovativen Gründern auseinanderzusetzen, ist in den Augen dieser Betriebe nicht wirklich notwendig,

Rund drei Viertel (73 Prozent) begründen die Nicht-Kooperation in der Bitkom-Umfrage mit fehlenden Kontakten zu Startups. Seit dem vergangenen Jahr hat sich daran nichts geändert: Auch die RKW-Umfrage kam zum Ergebnis, dass die meisten das Kennenlernen dem Zufall überlassen (73 Prozent).

Startup-Expertise kann etablierten Unternehmen den nötigen Kick geben

KMU und Startups kommen über verschiedene Kanäle und Anlässe zusammen.
KMU und Startups kommen über verschiedene Kanäle und Anlässe zusammen. (Quelle: RKW Kompetenzzentrum)

Es gibt aber auch die andere Seite: Vier von zehn Mittelständler sehen in der Digitalisierung eine große Herausforderung, so das wenig überraschende RKW-Fazit. Doch statt Synergieeffekte mit Gründern zu nutzen, nehmen kleine Unternehmen häufig eine externe Beratung in Anspruch, um auf die Auswirkungen der Digitalisierung zu reagieren. Die kostet Geld und führt in der Regel nicht zu langfristigen geschäftlichen Partnerschaften. „Für etablierte Unternehmen können Startups die entscheidenden Impulse bei der Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle setzen – über alle Branchen hinweg“, sagt dazu Bitkom-Präsident Achim Berg.

Startups seien innovationsstark und könnten frischen Wind in eingefahrene Strukturen und Prozesse bringen, merkt der Bitkom-Chef an – und tatsächlich: Wer die Berührungsängste ablegt, bewertet die Zusammenarbeit im Nachhinein als äußerst positiv. Fast alle (96 Prozent) der befragten kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) mit Kooperationserfahrung würden in Zukunft erneut mit einem Startup zusammenarbeiten. 80 Prozent würden eine Kooperation zudem weiterempfehlen. Mehr als 70 Prozent können sich eine zukünftige Zusammenarbeit mit einem Existenzgründer vorstellen, ermittelte das RKW.

Erwartungen Startup vs. Mittelstand könnten verschiedener nicht sein

Während Gründer allzu starre Strukturen in traditionellen Unternehmen aufbrechen können, damit KMUs über ihre Prozesse und Strategien überhaupt beginnen nachzudenken, ist der Beitrag etablierter Betriebe für die Startups grundsätzlich auch nicht ohne. Es geht um Marktzugang und Kundenstamm, aber auch Betriebsmittel (Maschinen, Büros etc.) und Manpower. Allerdings müssen Gründer nicht selten Überzeugungsarbeit leisten. Denn kommt eine Kooperation zustande, erhoffen sich die KMUs neue Impulse durch neue Technologien und die Entwicklung von Produktinnovationen, doch nur 43 Prozent sehen in der Partnerschaft mit Gründern die Möglichkeit, neue Geschäftsmodelle zu kreieren, fand das RKW heraus.

Die Motive für eine (denkbare) Kooeration sind sehr unterschiedlich.
KMUs, die Kooperationen mit Startups offen gegenüber stehen, haben genaue Vorstellungen, was sie erreichen wollen.  (Quelle: RKW Kompetenzzentrum)

Dabei ist gerade dieser Prozess ein wichtiger, um in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Bitkom-Präsident Berg sieht das so: „Kooperationen und Partnerschaften zwischen jungen und etablierten Unternehmen sind wichtig, damit deutsche und europäische Unternehmen auf dem Weltmarkt führend bleiben“ – oder führend werden, könnte man ergänzen.

Der Ausgestaltung von Kooperationen sind dabei keine Grenzen gesetzt. Etablierte Betriebe sehen dennoch das Limit bei einer Entwicklungspartnerschaft oder einem Zulieferverhältnis erreicht. Eine Vertriebspartnerschaft gehen nur wenige KMUs mit einem Startup ein. Selbst bei größter Kooperationsbereitschaft fehlt vielen Mittelständlern nach wie vor die Experimentierfreude. Statt sich auf unbekanntem, aber innovativem Terrain auszuprobieren (und Fehler zu machen, aus welchen man lernt), bleiben KMUs gerne ihrer traditionellen Strategie treu.

Ob es zu einer Kooperation kommt, hängt laut RKW von der Geschäftslage ab. Je besser die Lage, desto wahrscheinlicher eine Kooperation. Das würde bedeuten: Je mehr etablierte Betriebe straucheln, umso weniger sind sie zu Kooperationen mit Startups bereit. Und das, obwohl jedes vierte deutsche Unternehmen (27 Prozent) ab 20 Mitarbeitern aktuell angibt, aufstrebende Startups gefährdeten die eigene Marktstellung. Vor zwei Jahren waren es erst 18 Prozent.

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