„Zukunft der Arbeit“ bedeutet für jeden Betrieb etwas anderes
Gibt es die „Zukunft der Arbeit“ von der Stange? Nein. Betriebe müssen ihre eigene Definition der Arbeitswelt 4.0 finden und ihre Pläne von der IT über die Produktion bis zur Personalentwicklung darauf ausrichten. Das Beispiel der Automation von Prozessen lässt sich das gut beobachten.
Der Begriff „Zukunft der Arbeit“ ist sehr überladen: Automatisierung und Künstliche Intelligenz (KI), Digitalisierung und Weiterbildung, Arbeitsweltwandel und Firmenkultur. Unternehmen sollen alles anpacken, damit fähige Leute mit Hilfe innovativer Technologien wettbewerbsfähige Produkte und Geschäftsmodelle für immer individuellere Kunden kreieren. Alle Unternehmensbereiche müssen ineinandergreifen, sonst wird es mit der Zukunft nichts.
Wäre angesichts des Umfangs der Arbeitswelt 4.0 ein Standardkonzept nicht wünschenswert?
Angesichts des Umfangs, den die „Zukunft der Arbeit“ umfasst, wären ein standardisiertes Zukunftskonzept oder eine Strategie jetzt irgendwie wünschenswert. Doch genauso wie sich kein Mensch die Zukunft eines anderen zu eigen machen kann, um, sagen wir, gleich erfolgreich zu sein, lässt sich „Zukunft“ von einem Unternehmen auf das andere übertragen. Jede Firma und jede Abteilung hat ihre Eigenheiten, und wer Ideen für die Gestaltung der nächsten Jahre hat, muss dafür etwas tun. „Digitalisierung ist keine Naturgewalt, wir können das beeinflussen“, hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz bei der Präsentation der Digitalstrategie der Bundesregierung gesagt. Da hat er recht: Jeder Betrieb kann den Wandel selbst bestimmen.
Automatisierung ist ein Paradebeispiel für individuelle Planungen
Wichtig ist nach der Meinung aller Experten vor allem eine Vision: Was tun wir und wohin wollen wir? Was können wir leisten? Was macht Sinn? Am Beispiel der Automatisierung hat Axel Korge, Spezialist für vernetzte Produktionssysteme beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in einem Blogbeitrag verschiedene „Zukunftsbilder“ gezeichnet, die für die Automatisierung in Büro und Produktion ein gedanklicher Wegweiser sein können. Seine vier Stufen lauten:
Low-Cost-Automatisierung: Für Bereiche mit kurzen Produktlebenszyklen, in denen sich wenig komplexe Arbeitsprozesse wiederholen und digitale Assistenzsysteme sowie organisatorische Hilfsmittel die geringqualifizierten Beschäftigten kontrollieren und anleiten. Volle Automatisierung wäre hier unwirtschaftlich.
Automatisierung als Unterstützung: Unternehmen, die komplexe Leistungen mit kundenspezifischen Umfängen in kleinen Stückzahlen anbieten, holen sich für mehr Flexibilität und Effizienz Unterstützung von automatisierten Assistenzsystemen. Fach- und Wissensarbeiter können dank innovativer Technologien agiler auf veränderte Kundenwünsche reagieren.
Vollautomatisierung: Für hochproduktive Umgebungen, in denen Computer, KI, Roboter und Automaten das Tagesgeschäft übernehmen können (auch: sich selbst überwachen und reparieren). Eine Vollautomatisierung ist sehr komplex und schwer skalierbar und eignet sich auch wirtschaftlich nur für Massenprozesse mit langer Lebensdauer und begrenzter Komplexität.
Automation als Prozessbetreuung: Hier sind im Gegensatz zur Vollautomatisierung Menschen involviert, die die Technologien nicht für ihre Arbeit nutzen, sondern auch dafür da sind, dass Maschinen und Computer stabil laufen. Zwar lässt sich die Produktion automatisieren, weil Masse angestrebt wird. Die Prozesse betreuen aber Menschen, die von digitalen Assistenzsystemen unterstützt werden.
Aus den Beispielen wird klar, dass der Zukunft der Arbeitswelt nicht einfach nur neue Technologien übergestülpt werden können. Es geht nicht etwa darum, möglichst alles zu automatisieren, „weil man das im digitalen Zeitalter so macht“, sondern lediglich dort, wo es einen Mehrwert bringt und wirtschaftlich ist. Es reicht auch nicht, Arbeitsbereiche zu digitalisieren, die Arbeit effektiver und flexibler machen. Es geht vielmehr darum, dass die Personalabteilung je nach Entwicklungsrichtung des Betriebs die passende Mitarbeiterstrategie konzipiert und die richtigen Leute holt, Weiterbildungsangebote macht und Facharbeiter anlernt.
Und nicht zuletzt geht es darum, anzufangen, sich verschiedene Optionen anzuschauen und sich herauszupicken, was möglich, machbar und sinnvoll ist. Das ist nicht nur bei der Automatisierung von Prozessen so: Reicht zunächst ein Chat-Tool oder muss es gleich die große Collaboration-Lösung sein? Welches Team profitiert bei der Digitalisierung des Arbeitsplatzes eher von der „Mobilisierung“ und welches von neuen KI-Anwendungen?
Denn tatsächlich ist es immer noch so, dass viele Unternehmen keine Vorstellung davon haben, wie ihre Zukunft aussehen kann. Was auch damit zusammenhängt, dass sie nicht wissen, welche Möglichkeiten die Digitalisierung bietet. Fast populistisch reden manchmal Digitalkritiker das Ende der Arbeit herbei, weil durch die Automatisierung Jobs wegfallen. Zum einen aber darf man Digitalisierung und Automatisierung nicht in einen Topf werfen. Und zum anderen geht die Arbeit nicht weg, sie ist und bleibt vielfältig.
Ein Standardweg für die Zukunft der Arbeit ist nicht nur unmöglich.
Er wäre auch falsch.
Wenn es nicht unmöglich wäre, so wäre es doch falsch, einen einheitlichen Standardweg für die Digitalisierung in Unternehmen zu entwerfen. Dann nämlich würde niemand über seine individuellen Stärken nachdenken und sich durch eigene kreative Ideen vom Wettbewerb abheben. Das aber ist eine positive Entwicklung, die mittelbar mit der Digitalisierung in die Unternehmen schwappt: Statt Entscheidungen zu treffen, die kurzfristig Krisen lösen, beginnen Betriebe (wenn auch notgedrungen) längerfristig zu planen und sich dabei auf ihre Stärken zu besinnen. Das kann nur gut sein.