Wissen ist nicht mehr Macht – auf Lernfähigkeit und geteiltes Wissen kommt es jetzt an
Wissen ist nicht mehr die wichtigste Voraussetzung in der Arbeitswelt. Informationen über Produkte oder Verfahren lassen sich überall online abrufen. Wichtiger für Mitarbeiter und Unternehmen gleichermaßen wird die Fähigkeit zu lernen und lernen zu lassen.
Lernen ist das neue Wissen
In Zukunft werden sich Mitarbeiter nicht mehr damit rühmen können, über ein Produkt Bescheid zu wissen. Bedienungsanleitungen, Preise oder Einsatzmöglichkeiten gibt es im Internet oder im Intranet der Firma für alle nachzulesen. Und selbst wenn sie Kenntnisse besitzen ist nicht gewährleistet, dass sie immer anwendbar sind. In Zeiten, in denen Unternehmen für jede Zielgruppe ein eigenes Produkt entwickeln und Innovationszyklen immer kürzer werden, steigt der Druck für Beschäftigte mitzuhalten. Das gilt nicht nur für Know-how rund um Produkte und Dienstleistungen, sondern auch für die digitale Kompetenz. Es sieht so aus, als müsse „Lebenslanges Lernen“ endlich den Floskel-Status verlassen.
Das zeigt sich beispielsweise daran, dass der klassische Arbeitsalltag heute anders aussieht als noch vor ein paar Jahren. Während Mitarbeiter früher in ihrer Abteilung eng verwurzelt und immer auf die gleiche Weise miteinander gearbeitet haben, brechen heute die starren Verbünde auf. Produkte und Waren bekommen zielgruppenspezifische Funktionen eingepflanzt, die flexible Teams an verschiedenen Standorten gemeinsam entwickelt haben. Digitale Technologien ermöglichen die Zusammenarbeit über Ort- und Zeitgrenzen hinweg. Diese Arbeitsweise muss aber erst erlernt werden und auch, dass nicht jeder alles wissen muss. Es reicht, wenn Wissen digital zur Verfügung steht, geteilt und zu jeder Zeit nachgelesen werden kann. Im Vordergrund stehen ganz andere Fähigkeiten wie Team- und Kommunikationsfähigkeit, Kreativität und das Denken über den Tellerrand hinaus.
Firmen durchlaufen den gleichen Lernprozess
Die neue Arbeiter-Spezies muss und will lebenslang lernen
Die Digitalisierung bringt eine neue Arbeiter-Spezies hervor. Eine Spezies, die sich nicht allein auf Wissen stützen kann und will. Sie bringt andere Fähigkeiten entweder mit oder erwartet vom Unternehmen, dass Angebote gemacht werden, um diese neuen Skills zu lernen. Waren zu früheren Zeiten Individualität und Persönlichkeit fast verpönt – das störte die Routine im Betrieb – gelten diese Eigenschaften heute als herausragend. Vor allem junge Beschäftigte suchen sich den Arbeitgeber nicht mehr nur nach dem Gehalt aus. Sie legen Wert auf eine moderne Unternehmenskultur mit flexiblen, durch neue Technologien mögliche Arbeitsmodellen und bewerben sich bei Firmen, die sie weiterbringen. Schon im Vorstellungsgespräch fragen sie nach Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und wie Wissen im Unternehmen geteilt wird. Die Unternehmensberatung Deloitte beschäftigt mit dem Thema schon länger und weist in zahlreichen Studien darauf hin, dass Unternehmen mit einer Kultur der permanenten Fortbildung sich am besten auf diese Anforderungen einstellen können.
Die Bereitschaft zu lernen ist da, zumindest bei den meisten Berufseinsteigern. Ältere Kollegen verlassen sich gern auf ihre jahrzehntelange Erfahrung. Generationenkonflikte sind wahrscheinlich, können aber durch durchdachte Unternehmensstrategien zumindest abgefedert werden. Betriebe müssen auf alle Altersgruppen reagieren und sich mit den neuen Arbeitsanforderungen auseinandersetzen. Zum Beispiel müssen Personalabteilungen Einstellungsprozesse anpassen und IT-Abteilungen Wissen zur Verfügung stellen, das Mitarbeitern das Erlernen neuer Technologien erleichtert, und das Management muss der Belegschaft die Möglichkeit geben, sich Hard- und Soft-Skills anzueignen. Der Eco-Verband hat zuletzt die Wertvorstellungen der jungen Generation aufgezählt. Mitarbeiter verstehen zu können steht dabei ganz oben.
Wissensmanagement-Strategien erleichtern das Lernen
Hier kann die Digitalisierung, die die neue Spezies hervorbringt, selbst weiterhelfen. So wie beim Autobauer Porsche eine Lernplattform entstanden ist, die e-Learning-Agebote im Intranet macht, entscheiden sich immer mehr Untenrehmen, das interne Netz für mehr als den Kantinenplan zu nutzen. Das gelingt aber nur, wenn Lerninhalte gezielt für die Online-Nutzung konzipiert wurden und eine klare Wissensmanagement-Strategie besteht, was längst noch nicht überall angepackt wird. Bedienungsanleitungen einzuscannen und im Intranet zur Verfügung zu stellen, ist sicher zu kurz gedacht.
Der Vorteil von Online-Lernplattformen: Neue Inhalte können innerhalb kurzer Zeit vielen Kollegen zur Verfügung gestellt werden. Wenn Produkt- und Technologiezyklen immer kürzer werden, muss auch das Lernangebot mithalten können. Auch hier ist das Unternehmen gefordert, kontinuierlich am Puls der Technik zu sein, um Mitarbeiter so früh wie möglich abzuholen.
Bedienungsanleitungen einscannen und ins Intranet stellen ist langfristig keine Lösung
Wenn „Lebenslanges Lernen“ den Nimbus der Floskel verlieren soll, sollte man darüber nachdenken, nicht erst im Beruf damit zu beginnen. Der Philosoph Richard David Precht forderte schon 2013 eine Bildungsreform. Statt Kinder rein mit Wissen vollzustopfen regt er an, die Neugier der Kinder zu fördern, ihnen Teamdenken und Flexibilität beizubringen und jedem sein eigenes Tempo zuzugestehen. Vor allem Werte seien wichtig, die ihnen im Umgang mit Mitmenschen helfen, Wertschätzung und Respekt zum Beispiel. Und ein angenehmes Lernklima und -umfeld – alles Dinge, die für den digitalisierten Unternehmenskosmos auch gelten.