Agile Transformation und ihre häufigsten Fehler
„Wir müssen als Unternehmen agiler werden“ ist ein derzeit beliebtes Mantra in Managementkreisen – auch wenn es oft keine klare Vorstellung gibt, was das bedeutet. Ein ganzes Unternehmen auf Agilität zu trimmen ist eine Herkulesaufgabe, die gut vorbereitet werden sollte.
Agile Verfahren sind gerade dabei, die Welt der Software-Entwicklung zu erobern, doch sie werden es nicht dabei bewenden lassen. Immer mehr Firmenlenker kommen im Rahmen ihrer digitalen Transformation zum Schluss, dass ihre Unternehmen insgesamt „agiler werden müssen“. Was heißt das genau? Laut Svenja Hofert, Beraterin und Geschäftsführerin der Teamworks GmbH, bedeutet Agilität, „sich als Organisation flexibel auf Veränderungen einzustellen und auf diese schnell zu reagieren – beispielsweise mit Innovationen“.
Agilität ist viel mehr als eine bessere Methode, Software zu produzieren.
Das mag oberflächlich klingen wie eine Floskel aus einer beliebigen Management-Fibel, dahinter steckt allerdings viel mehr. Agile Unternehmen unterscheiden sich von ihren traditionell hierarchisch aufgestellten Pendants recht deutlich. Laut dem Beratungshaus McKinsey erkennt man sie an fünf Merkmalen:
→ Eine klare Strategie, die von allen verstanden und geteilt wird;
→ flache Strukturen mit eng kooperierenden, vernetzten Teams;
→ transparente interne Prozesse, die schnelle Entscheidungen und kurze Lernzyklen fördern;
→ ein dynamisches Mitarbeitermodell, das eine flexible Rollenverteilung unterstützt;
→ eine solide IT-Infrastruktur und moderne Software-Tools, die all das möglich machen.
Lohnt sich das überhaupt?
Spätestens hier wird klar, dass Agilität in diesem Sinne ein Management-Thema ist und nicht einfach nur ein Verfahren zur effizienteren Produktion von Software. Wenn agile Prinzipien auf das Unternehmen als Ganzes angewendet werden, dann wird seine gesamte Funktionsweise radikal neu definiert. Bezogen auf die Produktentwicklung beispielsweise bedeutet Agilität eine intensive Fokussierung auf Kundenbedürfnisse, die Bildung interdisziplinärer Teams mit Mitgliedern aus verschiedenen Abteilungen, eine iterative Vorgehensweise beim Entwicklungsprozess sowie die Bereitschaft zu experimentieren und aus Fehlern möglichst schnell zu lernen.
Vieles davon kann im krassen Widerspruch zu den Methoden und Prinzipien stehen, die bis dahin im Unternehmen vorherrschten – und denen es letztlich seinen bisherigen Erfolg verdankt. Deshalb ist es alles andere als trivial, sich auf ein neues Funktionsmodell einzulassen mit dem (für viele nicht nachvollziehbaren) Versprechen, dass damit alles besser wird.
Andererseits zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre, dass Firmen mit einer agilen Grundhaltung besser mit Veränderungen in ihrem Markt fertig werden und ihre Geschäftsmodelle schneller auf digitalen Kurs bringen können. Deswegen steigt auch die Motivation in den Unternehmen, eine agile Transformation zu wagen. Der Weg dorthin ist allerdings beschwerlich und steckt voller Fallen. Hier die gravierendsten:
Kein klares Bild, was die agile Transformation sein soll
Unternehmen machen sich häufig auf dem Weg zur agilen Transformation, ohne dass das Management-Team eine konkrete und vor allem übereinstimmende Vorstellung davon hat, was das Resultat genau sein soll und wie der Weg dorthin aussieht. Also versuchen sich verschiedene Fachbereiche an unterschiedlichen Ansätzen, während andere sich eher verweigern und stattdessen versuchen, den Status-quo zu wahren.
McKinsey rät davon ab, alles bis ins letzte Detail schon vorher festzuschreiben, doch zumindest sollte es einen allgemein verständlichen Plan dafür geben, was genau erreicht werden soll, sowie Übereinstimmung bei den Beteiligten darüber, wie der Prozess aussieht, der dorthin führen soll.
Agilität wird nicht als strategische Priorität behandelt
Häufig starten Unternehmen Pilotprojekte mit einem eng abgesteckten Wirkungsradius. Diese Pilotprojekte sind denn auch in der Regel erfolgreich, bleiben aber Inseln und schaffen es nicht, den Funken in das restliche Unternehmen zu übertragen. Ihr Effekt auf das Gesamtunternehmen ist dann kaum der Rede wert und vor allem für die Geschäftsleitung nicht sichtbar, weshalb sie irgendwann einfach eingestellt werden.
Pilotprojekte müssen fürs Management sichtbar bleiben.
Doch erst mit der Übertragung der Einsichten aus diesen Pilotprojekten an das restliche Unternehmen beginnt die eigentliche agile Transformation. Nur findet die Übertragung erst dann statt, wenn das Management das Testprojekt als strategische Priorität behandelt, im Auge behält und ab einem bestimmten Punkt sich selbst mit den Einsichten beschäftigt, um die Transformation voranzutreiben.
Ignorieren des Faktors Firmenkultur
Die Auswirkungen der agilen Transformation auf die Firmenkultur kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Diese zu ignorieren gehört laut McKinsey zu den größten Fehlern, die man als Unternehmen begehen kann. Für eine erfolgreiche Transformation ist nicht nur eine Veränderung der Arbeitsweise auf Teamebene nötig, sondern auch eine auf der Führungsebene, da letztere die Kultur eines Unternehmens bestimmt. Andererseits ist die agile Transformation ein guter Anlass, die Firmenkultur hin zu mehr Kundennähe, interne Kooperation und Lernbereitschaft zu verändern.
Keine Investition in die Fähigkeiten der Belegschaft
In einem agilen Unternehmen dreht sich alles um die Fähigkeiten, die nötig sind, um bestimmte Probleme oder Aufgaben zu lösen. Die Weiterentwicklung der Fähigkeiten der bestehenden Mitarbeiter und die Suche nach Talenten sollte deswegen ganz oben auf der Prioritätenliste des Managements stehen. Es sollte festgehalten werden, welche Fähigkeiten die Belegschaft braucht, wie diese vermittelt oder akquiriert werden können, wie das Unternehmen die Mitarbeiter dabei unterstützen und welche Möglichkeiten es ihnen bieten kann, sich weiterzuentwickeln. Passiert dies nicht, bleiben die Mitarbeiter darüber im Dunkeln, was genau von ihnen gefordert wird, wie sie die Anforderungen erfüllen sollen und wie künftig ihre Rolle im Unternehmen aussehen könnte.