Versicherungen können sich durch autonome Fahrzeuge neu erfinden

Autonome Fahrzuge, neue Mobilitätskonzepte und der demographische Wandel stellen Automobil-hersteller und Versicherungsunternehmen vor ähnliche Herausforderungen. Um diese zu meistern, ist eine intensive Auseinandersetzung mit den vom Fahrzeug produzieren Daten gefragt. Im Interesse ihrer gemeinsamen Kunden sollten Automobilhersteller und Versicherungs-unternehmen die daraus resultierenden Lösungen eng miteinander abstimmen.

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Das Geschäftsmodell der Kraftfahrzeugversicherung hat sich seit Jahrzehnten in seinen Grundzügen kaum verändert. Dazu gab es auch wenig Anlass. Die Funktionsweise des zu versichernden Fahrzeugs war bis zur Einführung von Fahrassistenzsystemen im Wesentlichen dieselbe. Auch die Kraftfahrzeughaltung – im Sinne von Besitz, Leasing oder Miete – war einer eher langsamen und linearen Entwicklung ausgesetzt. Mit dem Aufkommen von fortgeschrittenen Fahrassistenzsystemen, autonomen Fahrzeugen und verändertem Kundenverhalten ändert sich diese Situation jedoch grundlegend.

Ein erstes Zeichen für diesen Wandel ist der Rückgang der gemeldeten Schadensfälle. Eine Projektion der zur Allianz AG gehörenden AZT Automotive GmbH zeigt, dass wenn die derzeit verfügbaren Assistenzsysteme serienmäßig in allen PKWs eingebaut würden, sich etwa 75 Prozent der Haftpflichtschäden und 65 Prozent der Vollkaskoschäden vermeiden ließen. Experten rechnen damit, dass die Einführung autonomer Fahrzeuge die Schadensfälle um 90 Prozent reduzieren wird.

Der demographische Wandel, neue Geschäftsmodelle im Bereich Mobilität, höheres Umweltbwusstein und veränderte Präferenzen der jüngeren Generation – das Auto verliert die Bedeutung als Statussymbol – werden sich radikal auf die Kraftfahrzeughaltung auswirken.

Allerdings sind gerade Car Sharing und nutzungsabhängige Versicherungspolicen bei der jüngeren Generation im Kommen. Bereits vor vier Jahren ergab eine repräsentative Umfrage des Industrieverbands Bitkom, dass jeder zehnte Autofahrer lieber auf ein Pay-as-you-drive-Modell wechseln würde. Autonome Fahrzeuge werden diesen Trend noch verstärken, denn sie rücken die mit der Mobilität verbundene Dienstleistung in den Mittelpunkt, während der Fahrzeugbesitz an Bedeutung verliert.

Fahrzeugdaten rücken in den Mittelpunkt

Diese Entwicklung hat nicht nur für die Automobilindustrie gravierende Folgen, sondern auch für die gesamte Versicherungsbranche. Immerhin stehen Autoversicherungen für rund 40 Prozent der Umsätze mit Kompositversicherungen, also der Versicherung von Sachwerten. Die flächendeckende Verbreitung vollautonomer Fahrzeuge wird noch einige Jahre dauern, doch der Wandel hat so viel disruptives Potenzial, dass es sich für Versicherer empfiehlt, die digitale Transformation ihrer Geschäftsmodelle zügig anzugehen.

Welche Fragen auf Versicherer zukommen, wird bei genauerer Betrachtung der fünf Zwischenstufen auf dem Weg zum autonomen Fahrzeug deutlich. Diese reichen vom Einsatz unterschiedlich ausgereifter Fahrassistenzsysteme in den Stufen 1 und 2, über Autopilotsysteme mit und ohne Eingriffsmöglichkeit für den Fahrer in den Stufen 3 und 4, bis hin zum vollautonomen Fahrzeug, bei dem menschlicher Eingriff nicht mehr vorgesehen ist.

In allen Phasen ist es zur Klärung versicherungstechnischer Fragen für den Versicherer notwendig zu wissen, was im Fahrzeug passiert. Im Schadensfall ist nur auf diese Weise eindeutig nachvollziehbar, ob der Fahrer selbst einen Unfall verursacht hat oder ob dieser auf eine Fehlfunktion der Hardware, Software oder der äußeren Infrastruktur zurückzuführen ist.

Auf einen begrenzten Umfang solcher Daten können Versicherer heute nur durch den Einbau von Telematik-Boxen im Rahmen von Pay-as-you-Drive-Policen zugreifen. Diese Daten geben Aufschluss über das Fahrverhalten des Versicherten oder erstellen ein Bewegungsprofil, aus dem ersichtlich wird, wie häufig unfallträchtige Regionen durchfahren werden.

Ähnliche Fragen, gemeinsame Antworten

Automobilhersteller generieren zunehmend mehr und aussagekräftigere Betriebsdaten von Fahrzeugen über ihre Connected-Car-Technologien. Versicherer sollten sich den Zugriff auf diese Daten durch eine Kooperation mit den Automobilherstellern sichern.

Doch die Daten allein reichen nicht aus. Um aus ihnen den angestrebten Nutzen zu ziehen, sind einerseits ausgeprägte Analysefähigkeiten nötig, andererseits der direkte Kontakt zu den Versicherten. Beides ist momentan nur in begrenztem Umfang  vorhanden. Allerdings wird es Versicherungsunternehmen nur so gelingen, auf Basis des Nutzerverhaltens ihrer Kunden, Rückschlüsse auf die notwendigen Komponenten einer neuen Police zu ziehen, die richtigen Anreize zu setzen, diese im direkten Dialog mit den Kunden zu verifizieren und schließlich die Feinheiten abzustimmen.

Mobilität und die damit verbundene Sicherheit sind zwei Bereiche, die sich nicht nur gleichermaßen in einem radikalen Umbruch befinden, sondern auch zusammenhängende Probleme zu lösen haben. Versicherer und Fahrzeughersteller sollten dies zum Anlass für eine intensivere Zusammenarbeit nehmen – im beiderseitigen Interesse. Schließlich sind sowohl der Absatz autonomer Fahrzeuge als auch neue Geschäftsmodelle für künftige Mobilitätskonzepte erst durch die Klärung der Sicherheits- und Haftungsfragen überhaupt möglich.


Über den Autor

Über den Autor

Eric Exner ist Head of Consulting for Insurance bei Cognizant.

 

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