Wie Robotic Process Automation (RPA) Routineaufgaben automatisieren kann

Prozesse zu automatisieren ist ein wichtiger Schritt im Rahmen der digitalen Transformation, doch viele Systeme bringen nicht die notwendigen Schnittstellen mit, um ohne erheblichen Aufwand in eine Automatisierungsstrategie eingefügt zu werden. Abhilfe verspricht hier die Robotic Process Automation, bei der ein digitaler Bot Routineaufgaben fast wie ein menschlicher Mitarbeiter übernimmt.

Abläufe innerhalb des Unternehmens zu automatisieren, ist kein neues Thema. Seit Beginn der Industrialisierung verfolgen Unternehmen das Ziel, Prozesse immer effizienter, effektiver und zuverlässiger zu gestalten. Vor allem bei einfachen Routineaufgaben hat sich die Automatisierung bewährt, um diese Arbeiten kostengünstig und mit möglichst geringen Varianzen durchzuführen. 

Die Änderung der Vertragsdaten eines Kunden über alle Systeme hinweg kann ohne Handarbeit passieren – über einen Bot.

Als Faustregel gilt, dass Automatisierung immer dann sinnvoll sein kann, wenn:

  • Der zu automatisierende Prozess nicht zu komplex ist,
  • der Prozess sehr oft benötigt wird,
  • Schäden durch manuelle Fehler oder Varianzen im Prozess ein signifikantes Risiko darstellen.

Handarbeit vermeiden

Eine durchgängige Automatisierung ist allerdings nicht immer ohne Hürden möglich. Nicht jede Anwendung bietet die entsprechenden Schnittstellen, um Daten von Papier, beziehungsweise einem eingescannten Dokument, an eine Applikation zu übergeben inkl. intelligenter Texterkennung und darüber Prozesse zu modellieren. Hier hilft die Robotic Process Automation (RPA). Typische Einsatzbereiche sind Routineaufgaben, die in ähnlicher Form immer wiederkehren und dabei eine geringe Komplexität aufweisen. 

Etwa die Änderung von Vertragsdaten eines Kunden über alle Systeme hinweg, die der Kunde über die Unternehmens-Website beauftragt hat. Hier ist heute noch in vielen Bereichen Handarbeit gefragt: Der Datensatz muss in einer Anwendung aufgerufen, das entsprechende Feld geändert und alles schließlich gespeichert werden. Danach folgt die nächste Applikation. Unter Umständen ist die Information noch an einen Kollegen per Mail weiterzuleiten.

Kollege Roboter schließt die Lücke

Hier kann RPA die Lücke schließen. Diese Software-Roboter imitieren die menschliche Interaktion mit einer Anwendung, arbeiten also mit der üblichen Benutzeroberfläche. Das hat den Vorteil, dass keine besonderen Schnittstellen benötigt werden. Im besten Fall können die Fachabteilungen selbst einen Roboter für einzelne Aufgaben implementieren. Auch die Anwender benötigen keine besondere Expertise, um mit dem virtuellen Kollegen zu arbeiten. 

Der Bedarf, die vorhandene Automatisierungslücke mit RPA aufzufüllen, ist immens. Laut dem Marktforschungsunternehmen Gartner sind es besonders Banken, Versicherungen und Telekommunikationsanbieter, die RPA-Projekte forcieren. Die Marktforscher erwarten, dass bis Ende 2022 etwa 85 Prozent aller großen und sehr großen Unternehmen RPA in irgendeiner Form implementiert haben werden.

RPA als Teil der Automatisierungsstrategie

Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, RPA nicht isoliert zu betrachten. Nach einer strengen Definition ist ein RPA-Tool zunächst ein Software-Werkzeug, das eine Anwendung wie ein menschlicher Benutzer bedient und Daten in die Benutzeroberfläche schreibt. Unterstützt wird RPA durch Künstliche Intelligenz wie zum Beispiel IBM Watson und Micro Focus Autonomy IDOL. Diese KI ist in einigen Fällen als Cloud-Service an das RPA-Tool angebunden. Andere Lösungen wie zum Beispiel Automation Anywhere haben die KI bereits integriert. 

Fachbereiche sind die treibenden Kräfte bei RPA – nicht immer zur Freude der IT.

Das RPA-Tool betrachtet also nicht den kompletten, ganz oder in Teilen automatisierten Prozess. Es führt nur einen Schritt innerhalb dieser Kette durch und sollte deswegen in eine Automatisierungsstrategie und eine übergeordnete Orchestrierung eingebunden werden. Denn eine Gefahr der RPA ist, dass innerhalb des Unternehmens ein Wildwuchs entsteht. 

Meist sind die Fachbereiche die treibenden Kräfte bei RPA. Es gibt eine ganze Reihe Cloud-basierter Produkte,  die günstig und oftmals einfach zu implementieren sind. Wir finden hier schon heute recht gelungene Drag&Drop-Designs, die verfügbaren Produkte sind zum Teil recht einfach zu nutzen. Das ist Fluch und Segen zugleich, denn die Tools verführen natürlich dazu, schnell von Fachbereichen eingeführt zu werden, ohne dass die IT einbezogen wird. Diese Instanzen dann wieder einzufangen und in die Automatisierungsstrategie des Unternehmens einzubinden, kann schwierig werden.

Die IT muss involviert sein

Trotzdem muss die IT mit einbezogen werden, um eine robuste Automatisierungslösung zu schaffen, die auch bei Änderungen, etwa an Benutzeroberflächen, weiterhin funktioniert. Fachbereiche und IT haben dabei jeweils eine eigene Strategie. RPA sollte auf jeden Fall mit der Strategie beginnen, die von der IT vorgegeben wird. Idealerweise ist diese bereits mit den Fachbereichen gemeinsam erarbeitet, denn leistungsfähige RPA-Tools sind durchaus komplex bei Implementierung und Anwendung. Um eine Automatisierung End-to-End zu ermöglichen, ist die Integration in vorhandene Orchestrierungslösungen zwingend erforderlich. 

RPA und API-Integration im Überblick: Sowohl Robotic Process Automation (RPA) als auch die Automatisierung über APIs (Application Programming Interfaces) haben Vor- und Nachteile. Die Tabelle zeigt die wesentlichen Charakteristiken im Überblick. (Quelle: Materna)
RPA und API-Integration im Überblick: Sowohl Robotic Process Automation (RPA) als auch die Automatisierung über APIs (Application Programming Interfaces) haben Vor- und Nachteile. Die Tabelle zeigt die wesentlichen Charakteristiken im Überblick. (Quelle: Materna)

Auch die Frage, ob RPA in einem konkreten Szenario überhaupt die beste Wahl darstellt, ist nicht immer einfach zu beantworten. Die Tools sind deutlich leistungsfähiger und robuster geworden, veränderte Masken und dergleichen stellen heute kein Problem mehr dar. Demgegenüber ist die Automatisierung über Schnittstellen deutlich performanter und stabiler. Unter Umständen ist es also sinnvoll, eine entsprechende Schnittstelle zu entwickeln, wenn die Anwendung diese nicht mitbringt. 

Damit kann man RPA mit einigem Fug und Recht als eine Übergangstechnologie betrachten. Denn es ist nicht zu erwarten, dass RPA die Automatisierung über Schnittstellen in Sachen Funktionalität und Zuverlässigkeit überholen wird. Es sind also vor allem die in vielen Bereichen vorhandenen, unverzichtbaren Legacy-Anwendungen und Papier als Eingangskanal, die von RPA profitieren. Entsprechend bietet sich RPA als Managed Service an, der gezielt einzelne Schritte innerhalb einer Prozesskette automatisiert.

Die Einführung von RPA ist ein iteratives Projekt

Die IT muss bei RPA sehr flexibel bleiben, denn die Anforderungen der Fachbereiche können sich schnell ändern.

Bei der Einführung einer RPA-Lösung sollten Unternehmen beachten: Je komplexer die zu automatisierenden Prozesse sind, desto komplexer ist auch die dafür benötigte Lösung. Der Markt hält heute ein breites Spektrum an RPA-Lösungen bereit. Unternehmen, die ein RPA-Projekt auf den Weg bringen wollen, sollten zunächst damit beginnen, die in Frage kommenden Prozesse zu identifizieren, beispielsweise in Form eines Workshops, begleitet durch externe IT-Berater. Es kann durchaus sinnvoll sein, die identifizierten Prozesse grundlegend zu überarbeiten, um das Potenzial bestmöglich zu nutzen.

Im zweiten Schritt sollte ein Proof of Value stehen. Dabei wird mittels einer kleinen, überschaubaren Installation der erwartete Wertbeitrag validiert. Hier sollte auch überprüft werden, ob die Lösung im eigenen Rechenzentrum des Unternehmens betrieben wird oder als Managed Service durch einen Partner. In dieser Phase können die unterschiedlichen Stellschrauben der Lösung noch mit geringem Aufwand nachjustiert werden. Erst danach sollten weitere Prozesse mit der RPA-Lösung automatisiert werden. 

Wichtig ist, dass die IT bei RPA sehr flexibel bleibt. Die Anforderungen der Fachbereiche können sich schnell ändern, wenn die Geschäftsmodelle oder -prozesse an neue Situationen angepasst werden. Auch sind bei vielen Tools die Prozesse noch nicht absolut robust, schon kleinere Änderungen können eine Herausforderung sein. In der Praxis hat es sich bewährt, RPA als agiles Projekt zu betrachten. Es ist ein iterativer Prozess, der in kleinen Schritten erfolgen sollte.


Über den Autor

Über den Autor

Philipp Kleinmanns ist Leiter Portfolio-Management beim IT-Dienstleister Materna.

 

Das könnte Sie auch interessieren

Was meinen Sie dazu?

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back to top button