Maschine feuert Mitarbeiter – Über den Umgang mit Angestellten im digitalen Zeitalter

Ein Mann wird von einem automatisierten System entlassen. Die Maschine sperrt ihm einfach jegliche Zugänge. Auslöser war der Fehler eines Vorgesetzten, der einen nicht stoppbaren Prozess in Gang setzte. 

Ibrahim Diallo kommt eines Morgens mit seiner ID-Karte nicht mehr ins Firmengebäude. Ein Wachmann lässt ihn dennoch herein, weil er ihn kennt. Doch am Schreibtisch angekommen verweigert ihm das Computersystem den Zugang. Und während die Personalverantwortliche noch versucht, die Entlassung im System rückgängig zu machen – ohne Erfolg, da sie manuell nichts ausrichten kann – geleitet ihn das Sicherheitspersonal „wie einen Dieb“, wie Diallo in einem Blogbeitrag schreibt, unter den Augen seiner Kollegen hinaus. Werden jetzt also die Szenarien wahr, die prognostizieren, dass sich die Hierarchie zwischen Mensch (oben) und Maschine (unten) umkehren?

„Das System arbeitete seine Aufgaben seelenlos und mit roter Schrift ab“

Nein und ja. Nein, da Diallo „vom System“ gefeuert worden war, weil sein Abteilungsleiter es verbockt hatte, seinen Vertrag in ein neues Computersystem zu überführen. Dem Vorgesetzten selbst war gekündigt worden – seine Motivation, die Aufgaben bis zum Schluss gewissenhaft abzuarbeiten, war nachvollziehbar gering. Und ja, weil sich sowohl Diallo als auch die Personalverantwortlichen dem System zunächst unterwerfen mussten – eine untragbare Situation, die im Verhältnis Mensch-Maschine so nicht vorkommen darf. Erst nach drei Wochen gelang es, den Fehler zu finden und zu eliminieren. Diallo wurde wieder eingestellt, aber er ging dann doch woanders hin.

Das Personalsystem nutzte für seinen Entschluss die Daten, die vorhanden waren und trat „nach Aktenlage“ einen Kündigungsprozess los, mit allen Konsequenzen und ohne die Möglichkeit, durch manuelles Eingreifen den Fortgang zu unterbrechen. Stellt sich die Frage: Was hat sich das Unternehmen dabei gedacht?

Mit Verlaub, nicht viel. Denn ein so emotional aufgeladener Prozess wie eine Kündigung darf nicht mit Automatismen abgewickelt werden. Diallo erfuhr von System-E-Mails, die „seelenlos mit roter Schrift geschrieben waren“, wie er in seinem Blogbeitrag berichtet. Darin standen Anweisungen für die Personalabteilung („Deaktiveren Sie den Account von…“) oder die Security-Männer („Begleiten Sie den Mitarbeiter aus dem Gebäude“). Diallo hat niemand persönlich übermittelt, dass er gefeuert sei, niemand hat im Vorfeld gesagt, „Morgen funktioniert Deine Karte nicht mehr.“ Der persönliche Kontakt wurde völlig ignoriert.

Ein KI-System hätte vielleicht rechtzeitig eingegriffen

Ein Jahr nach seiner Kündigung schrieb Diallo sein Geschichte auf.
Ein Jahr nach seiner Kündigung schrieb Diallo seine Geschichte auf. (Quelle: Twitter)

Der Fall zeigt, dass Unternehmen die Einsatzgebiete von KI-Systemen gut überdenken sollten. Eine Kündigung sollte grundsätzlich weder per Mail noch sonstwie automatisiert ablaufen. Selbst dann nicht, wenn das System recht hätte. Und auch dann nicht, wenn ein wirklich intelligentes System die Kündigung sogar hätte verhindern oder revidieren können. Wie in diesem Fall.

Geht man davon aus, dass der verantwortliche Abteilungsleiter befristete Verträge ordunungsgemäß als Datensatz ablegt, hätte eine intelligente Instanz erkennen können, dass Diallos Dreijahresvertrag noch läuft – er war erst vor acht Monaten eingestellt worden. Statt Automation nach Vorschrift wäre in diesem Fall eine Abwägung auf der Basis von weiteren Daten angebracht gewesen und durchgeführt worden. Verfügt beispielsweise die Personalabteilung über digitale Technologien, die die Arbeit der Mitarbeiter kontinuierlich erfassen, wäre aufgefallen, dass Diallo gute Arbeit leistete.

Untragbar, dass ihm niemand die Kündigung persönlich übermittelte – KI Hin oder Her

Darüber hinaus hätte das System aus früheren Fällen dazulernen können und dann zumindest etwa den Hinweis gegeben, dass es in dieser Firma unüblich ist, dass Mitarbeiter bereits nach acht Monaten wieder gehen. Wichtig wäre in diesem Fall dann auch gewesen, die Entlassung rückgängig machen zu können, notfalls manuell, nachdem genügend Fakten auf einen Fehler hindeuteten. Dass sich die Personalverantwortliche daran die Zähne ausbiss und nichts gegen Diallos Systemstatus „Entlassen“ tun konnte, darf als untragbarer Zustand gewertet werden.

KI-Systeme sollten trotz wachsender Intelligenz nicht sich selbst überlassen werden. Klassische Automatismen haben ihre Berechtigung bei immer wiederkehrenden, statischen Aufgaben. Künstliche Intelligenzen dürfen auch in Prozesse eingebunden werden, die mit Algorithmen effektiver abgewickelt werden können. In Personalabteilungen können das datengetriebene Recruting-Kampagnen sein, die Fachkräfte für einen bestimmten Arbeitsbereich gezielt suchen. Oder Automatismen, die Mitarbeitern Weiterbildungsangebote auf der Basis ihrer Qualifikationen anbieten. Immer aber sollte manuelles Nachjustieren möglich sein. Und immer, wirklich immer, sollte gerade in solchen Situationen das Gespräch die erste Wahl sein. Das hat auch etwas mit Unternehmenskultur zu tun, von der im Zuge des digitalen Wandels berechtigterweise so häufig die Rede ist. Selbst wenn das System intelligent gewesen und den Fehler hätte erkennen können. Der Situation entsprechend kommunizieren kann diese Instanz eben nicht.

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