Laufend arbeiten: Macht der Geh-Arbeitsplatz dem Job wirklich Beine?

Statt stundenlang im Sitzen zu arbeiten integriert der Geh-Arbeitsplatz sportliche Betätigung in den Arbeitsalltag, denn belegt ist: Bewegung ist gut für Körper und Geist. Doch wie gut lässt sich der Laufband-Tisch mit dem Alltag im Job in Einklang bringen?

Bewegung ist gut für die Gesundheit und regt die Gehirnzellen an. Es liegt also nah, auch bei der Arbeit, in diesem Fall im Büro, körperlich aktiv zu sein. Denn dort verbringt der Mensch die meiste Zeit des Tages und soll währenddessen auch noch produktiv sein. In der Regel sitzen Beschäftigte aber am Schreibtisch und stehen nur für den Gang in die Kaffeeküche auf. Am Abend meckert dann der Rücken und irgendwie hat man sich in einem Thema verrannt, das man so angestrengt bearbeitet hat. Obwohl inzwischen mehr als belegt ist, dass es gut tut, nicht den ganzen Tag zu sitzen, sind Büros nach wie vor geprägt von Schreibtischreihen, an denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viele Stunden täglich ihre Aufgaben abarbeiten.

Pünktlich zur Prüfungsphase hat die Universität Regensburg den Geh-Arbeitsplatz in der Bibliothek aufgestellt. (Quelle: Universität Regensburg)

Das Projekt „Smart Moving“ des Instituts für Epidemiologie und Präventivmedizin der Universität Regensburg hat das Thema jetzt aufgenommen. Seit Ende Januar steht ein so genannter Geh-Arbeitsplatz im Informationszentrum der Zentralbibliothek. Der Arbeitsplatz, den der Hersteller Walkolution ausgestattet hat, besteht aus einem nicht motorisierten, lautlosen Laufband und einem höhenverstellbaren Schreibtisch. Auf dem Gerät können Studierende im Gehen lesen, schreiben und lernen. Ziel ist, „den Studierenden eine optimale Lernumgebung zu ermöglichen und ihre Produktivität zu fördern“. Auf Unternehmen und Büros lässt sich die Idee wunderbar übertragen.

Bewegung, Leistung, Produktivität – Ist das nicht zu viel auf einmal?

In der Theorie ist diese Art der Arbeitsplatzgestaltung absolut empfehlenswert: Es bleibt fit, auch wer eher faul ist, was den sportlichen Workout angeht. Außerdem schont die stehende Haltung die Nacken-, Rücken- und Schulterpartien, die klassischen Sollbruchstellen bei Schreibtischtätern. Auf der Webseite von Workolution werden noch eine ganze Reihe weiterer medizinischer Vorteile aufgezählt, die in Summe derart gegen sitzende Arbeit meutern, dass man am liebsten sofort loslaufen möchte.

Und doch kommen einem beim zweiten Blick Zweifel, ob das die Lösung für einen perfekten Arbeitstag ist oder doch „nur“ eine von mehreren. Denn „Work and Walk“, wie die Produktserie von Workolution heißt, ist nicht jedermanns Sache.

Das Gerät reiht sich für manche eher als weitere Alternative zu anderen Büromöbeln wie Stehtisch oder Sitzball ein, was nichts schlechtes ist. Sie sind dazu da, einfach wegzukommen vom angestammten Platz und verschiedene Positionen während des Arbeitstages einzunehmen – ebenfalls ein längst belegte Notwendigkeit. Wer in Abständen seine Haltung verändert, beansprucht und entastet unterschiedliche Muskelpartien. Und ein Stück weit verändert sich dann auch der Blickwinkel, der für die Lösung eines Problems benötigt wird.

Manchen ist der Geh-Arbeitsplatz zu wenig Work-Walk-Balance.

Andere brauchen eine weitreichendere Abwechslung oder klarere Trennung zwischen Arbeit und Bewegung, sozusagen mehr Work-Walk-Balance. Für sie widerspricht der Geh-Arbeitsplatz einer ganz anderen Idee, wie Beschäftigte ihren Alltag im Büro strukturieren, um produktiv und fit zu bleiben. Diese Idee basiert auf der Pause: Verlasse den Schreibtisch nicht nur, um dein Sitz- oder Stehmöbel zu wechseln und dann ohne Unterbrechung weiterzuarbeiten. Geh eine Runde an die frische Luft, bewege Dich und mache aktiv eine Pause von Deinem Projekt. Forschern zufolge ist beispielsweise nicht nur die Arbeit im Café dazu da, dem Lagerkoller im Büro oder Homeoffice mit einem Tapetenwechsel entgegenzuwirken. Allein der Gang dorthin und der damit verbundene, konzentrationsfördernde Dopaminausstoß sorgen für eine Denkpause und lösen Blockaden. Im Café oder auf einer Parkbank angekommen, sieht das Problem oftmals schon weniger mächtig aus.

Wer sich wie und wo wohlfühlt, bleibt eine individuelle Entscheidung

Man kann gegen das Konzept der Geh-Arbeitsplätze demnach argumentieren, dass die Idee keinen ausreichenden Perspektivwechsel zulässt und bei verfahrenen Situationen nicht ausreicht, Dinge neu zu denken. Andererseits spricht dafür, mit wenig Aufwand und ohne Zeitverlust, Arbeit und Bewegung sinnvoll zu verknüpfen. Und bevor sich Mitarbeiter aufgrund eines Rückenleidens durch zu viel Sitzen im Büro krank melden, ist der Gedanke an einen Laufband-Schreibtisch aus der Sicht des Unternehmens eine Überlegung wert.

Es ist am Ende eine sehr individuelle Entscheidung und Typsache, ob man es schafft, tatsächlich für eine Weile alles stehen und liegen zu lassen, um nach einem Spaziergang neu zu starten. Oder lieber nur eben die Arbeitsumgebung zu wechseln. Den Laufband-Tisch im Lesesaal der Regensburger Bibliothek hat eine Studentin ausprobiert und gegenüber dem Bayerischen Rundfunk das Fazit geäußert: Sie arbeite lieber am Tisch und gehe dann eine Runde Laufen.

Walking Meetings: Warum es helfen kann, Gedanken freien Lauf zu lassen
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Darüber hinaus kommt es auch auf die Art der Arbeit an. Eine Redakteurin des Business Insider hat im Selbstversuch für sich festgestellt, dass ein Geh-Arbeitsplatz als zeitweise Alternative sinnvoll ist, doch weniger, um Texte zu verfassen. Sie sei weniger produktiv gewesen, so ihr Resümé. Sie hätte das Laufband auch früher verlassen können, war aber in einem internen, nicht ernstgemeinten Wettbewerb um die meisten Kilometer verstrickt, bei dem sie sich keine Blöße geben wollte.

Neben dem Würzburger Unternehmen Workolution bietet unter anderem der US-Hersteller LifeSpan Laufband-Schreibtische, im Englischen heißen sie Treadmill Desks. Sie folgen dem New-Work-Trend, eine angenehme Arbeitsweise und Büroumgebung anzubieten, die Beschäftigte motivierter und zufriedener – und produktiver macht. Das hat seinen Preis: Das Laufband alleine, das unter Stehtischen platziert werden kann, kostet bei Workolution rund 3600 Euro. Lifespans „Under Desk Treadmills“ beginnen bei rund 1200 Euro.

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