Raus aus dem Homeoffice: Coworking im Restaurant oder Shopping Center

Statt sich in ein Coworking-Loft einzumieten, ziehen es manche mobil Arbeitenden vor, den öffentlichen Raum zum Büro zu machen. Inzwischen haben Restaurants und Ladenbesitzer daraus ein Geschäftsmodell gemacht. Doch das ist nicht für jeden etwas.

Das Bedürfnis nach flexiblen Bürokonzepten wächst, und das hat gute Gründe: Die steigende Anzahl freiberuflich Arbeitender oder derjenigen, die festangestellt, aber doch ab und zu im Homeoffice oder mobil tätig sind; neue digitale Arbeitsweisen und Arbeitsmethoden; die wachsende Abneigung gegenüber klassischen Büros oder Großraumbüros; die sich wandelnden Unternehmenskulturen.

All das trägt zur wachsenden Beliebtheit von Coworking Spaces bei, die derzeit wie Pilze aus dem Boden schießen. Bis 2022 könnten weltweit etwa 5,1 Millionen Menschen insgesamt 30.500 Coworking Spaces nutzen. Die Rede ist hier von Arbeitenden, die sich in flexiblen Büro-Gemeinschaften zusammenschließen, wie sie Dienstleister wie WeWork weltweit anbieten. Solche mietbaren Arbeitsumgebungen waren der Startschuss für Coworking und Sammelbecken hauptsächlich für Freelancer. Heute sind vorübergehend genutzte Parzellen ein Business, mit Team-Räumen für Firmen, Einzelbüros und bestens organisierter Community Happy Hour und Sommer-Camps.

Wer acht Stunden im Café bleibt, mit Stöpseln im Ohr, wird  dann doch komisch angeschaut.

Nicht alle „Telearbeiter“ wollen und brauchen das. Wo der Tisch steht, auf dem der Laptop platziert ist, ist vielen egal, Hauptsache nicht immer zu Hause. Sie gehen beispielsweise in Cafés und verbringen dort ihren Arbeitstag. Wer acht Stunden bleibt, mit Stöpseln im Ohr, wird aber dann doch komisch angeschaut. Mittlerweile bieten sich weitere Flächen für die Flucht aus dem Homeoffice an.

Im Restaurant arbeiten bis es aufmacht

Ein Trend, der für 2019 sehr gehypt wird, ist die Arbeit im Restaurant. Was etwas seltsam klingt, ist ernst gemeint und inzwischen schon selbst zum Geschäftsmodell geworden. Restaurants, die erst abends öffnen, stellen ihre Tische für mobile Arbeiter zur Verfügung. Die Küche ist noch zu, es kann sein, dass jemand einen Wasserspender aufgestellt hat, aber WLAN ist da.

Weil das alles etwas unprofessionell daherkommt, haben manche Start-ups genau das zum Businessmodell gemacht. US-Firmen wie Spacious, KettleSpace oder WorkEatPlay kooperieren mit Restaurants und wandeln Essenstempel in Coworking-Spaces um. Schluss ist je nachdem, wann das Restaurant öffnet. Davon könnten alle Beteiligten profitieren.

Das Restaurant: Eine bessere Werbung gibt es nicht. Wenn Menschen an den Dinner-Tischen arbeiten und nach Feierabend dort auch gleich zum Essen bleiben, ist das Kundenbindung par excellence. Der Raum, der ja vorhanden ist, wird nicht nur am Abend genutzt. Die Partnerschaft mit den Coworking Companies spült zusätzlich Geld in die Kasse, denn nicht selten haben Restaurants an hohen Mieten zu knabbern. Früher suchten alle WLAN, und wo es das gab, wollte jeder sein. Heute ist es der flexible Arbeitsplatz.

Coworking-Hosts lernen, wie der Tisch gedeckt sein soll und fangen schon mal an, wenn die ersten Arbeiter gegangen sind.

Der Coworking-Dienstleister: Die Infrastruktur ist schon da, wenn auch nur die Basics in Form von Tischen, Stühlen und WLAN. Das Anmieten von Büroräumen, bevorzugt in teuren Innenstädten, entfällt. Dadurch können sie kostengünstigere Mitgliedschaften anbieten als traditionelle Coworking Spaces. Die Mitgliedschaften solcher Anbieter haben einmal den Vorteil, dass Coworker verschiedene Standorte nutzen können. Zum anderen sind so genannte Hosts vor Ort, die beim Vernetzen mit anderen Coworkern helfen und für Fragen zur Verfügung stehen. Oder sie lernen, wie der Tisch gedeckt sein soll und fangen schon mal an, wenn die ersten Coworker gegangen sind.

Die Coworker: Die Kosten für das Restaurant-Büro liegen mit 99 US-Dollar bei (etwa 86 Euro) unter denen in klassischen Bürogemeinschaften. Bei WeWork in München fallen 350 Euro im Monat pro Person an. Wer ab und an raus muss aus den eigenen vier Wänden, kommt hier günstiger weg.

Ungenutzter Raum wird zum produktiven Arbeitsplatz

Nicht nur Restaurants bieten sich zur zeitweisen „Umwidmung“ an. Eine „Flaggschiff“-Location des Anbieters Spacious ist in einem ehemaligen Einzelhandel-Laden beheimatet. Dass Geschäfte in den vergangenen Jahren gegenüber e-Commerce-Anbietern kapitulieren mussten, spüren auch die Shopping Center. Einige versuchen, leerstehende Flächen mit Chillout-Areas oder Kinderspielplätzen zu füllen. Das bringt den Mall-Betreibern aber kein Geld.

Leerstände mit Chillout-Areas oder Kinderspielplätzen zu füllen, bringt Mall-Betreibern kein Geld.

Der drittgrößte Mall-Betreiber der USA, Macerich, kooperiert seit August 2018 mit Industrious, einem Coworking-Riesen, der freie Fläche zu Arbeitsplätzen umbaut. In Chicago hat das Start-up Cowork at the Mall eine ehemalige Verkaufsfläche in einer Shopping-Mall angemietet und verknüpft Arbeit, Shopping und Freizeit. Vor Ort stehen Coworking-Arbeitsplätze bereit, zusätzlich können Einzelhändler in Pop-up-Stores ihre Waren anbieten und noch dazu für ein besseres Kundenerlebnis mit VR-Brillen herumexperimentieren.

Die Vorteile sollen wieder für alle vorhanden sein: Arbeitende, die gleich noch das Abendessen kaufen können sowie Händler und Center-Betreiber, die nicht nur Laufkundschaft von draußen bedienen (die immer weniger wird), sondern in den Coworkern möglicherweise treue Kunden gewinnen. Der „Workshop“ bekommt hier eine ganz neue Bedeutung.

Mit Shopping-Tempeln und Restaurants sind ungenutzte Flächen längst nicht erschöpft. Die Möglichkeit, sich gegenseitig Kunden zuzuschieben, macht noch ganz andere Orte attraktiv. Arbeiten im Fitness-Studio? Nicht mehr undenkbar. In Hotel-Lobbies? Kein Problem.

Coworking Space oder Restaurant – Es kommt auf die Tätigkeit an

Im schicken Restaurant gibt es keine ergonomischen Bürostühle – eher durchdesignte und unbequeme Sitzmöbel.

Ob ein klassisches Coworking-Office mit Telefonkabinen, Team-Arbeitsplätzen und Drucker Sinn macht oder eine Schicht im Restaurant, in der Regel ohne all das, hängt von den eigenen Aufgaben und vom Arbeitgeber ab. Auch stehen im schicken Restaurant nicht unbedingt ergonomische Bürostühle bereit, sondern im Zweifel durchdesignte aber unbequeme Sitzmöbel. Manche Coworker mit Erfahrung im Restaurant gehen in ihren angestammten Job-Lokalen auch nicht mehr essen, weil sie Arbeit und Beruf lieber trennen möchten.

In jedem Fall stehen mobil Arbeitenden immer neue Räume zur Verfügung. Coworking, die raumgewordene Idee moderner Arbeitsweisen, bleibt spannend.

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2 Kommentare

  1. Ich wusste nicht, dass manche Restaurants diese Möglichkeit anbieten. Das ist meiner Meinung nach eine gute Alternative für diejenige, die Home-Office nicht machen können und die keine Co-Working-Space in der Nähe haben. Wie Sie schreiben, ist es auch für die Restaurants eine gute Werbung.

  2. Von dem Trend, der die Arbeit im Restaurant beschreibt, habe ich bisher noch gar nichts mitbekommen. Aber klar, wenn ich einen Internetanschluss und meinen Laptop dabei habe, dann ist es ja eigentlich egal wo ich meine Arbeit verrichte. Interessant, dass es für viele Restaurants sogar schon zum Geschäftsmodell geworden ist.

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