Warum strategische Planung im Unternehmen oft untergeht – und was man dagegen tun kann

Wir wissen, dass wir uns angesichts des digitalen Wandels viel mehr Zeit für die strategische Planung nehmen müssen, kommen aber trotzdem nicht dazu. Und wenn, wissen wir oft nicht, was zu tun ist. Wie lässt sich das ändern?

Gerade jetzt, da die digitale Transformation Unternehmen immer wuchtiger trifft und der Erfolg möglicherweise von der Digitalstrategie abhängt, fehlt Arbeitgebern und Führungskräften die Zeit für strategisches Denken. Denn sie haben alle Hände voll zu tun: Die IT-Abteilung fragt, welche technischen Neuerungen geplant sind und wer die Digitalisierung eigentlich leiten soll, Mitarbeiter wollen und sollen miteinbezogen werden, sonst fehlen Motiviation und das ganze Digitalisierungskonzept droht zu scheitern, Vertrieb, Marketing und Personalabteilung fordern digitale Möglicheiten für ihre Weiterentwicklung und überhaupt ist nicht klar, wie viel digitaler Wandel dem Unternehmen wann gut tut und welche Projekte Vorrang haben.

96 Prozent der Manager haben einfach keine Zeit für strategisches Denken.

Obwohl viele um die Bedeutung einer Zukunftsstrategie wissen, scheint dafür im Tagesgeschäft oft keine Zeit zu bleiben. Stattliche 96 Prozent der Manager einer Untersuchung des Strategic Thinking Instituts gaben an, mit anderen Dingen zu sehr ausgelastet zu sein.

Dabei sieht man vor allem Führungskräfte noch lange nach Feierabend im Büro sitzen. Es sieht halt verdammt wichtig und geschäftig aus, wenn jemand nur im Licht der Schreibtischlampe Dokumente wälzt. Ob das sinnvoll ist, erscheint mindestens fraglich, denn Überstunden sind nicht unbedingt ein Zeichen von Produktivität. Im Gegenteil. In einer Studie ermittelte die Standford University zusammen mit dem Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit, IZA, dass 50 und mehr Stunden „Arbeit“ nicht zwangsläufig zu nutzbaren Ergebnissen führen. Doch wie sollen Führungskräfte noch Zeit für Strategieplanung in jedweder Form in ihren vollen Terminkalender quetschen? Dafür gibt es mehrere Ansatzpunkte.

Sich frei machen von dem Gedanken: Wer mehr arbeitet, leistet mehr. Überstunden sollten kein Zeichen von Einsatz und Motivation sein. Da ist Umdenken und eine andere Unternehmenskultur gefragt. Fünf Minuten können für den richtigen Gedanken genügen, und für neue Gedanken braucht man laut Dorie Clark, Marketingstrategin und Buchautorin, nicht Zeit, sondern Raum. Damit das Büro nicht zum Produktivitätskiller wird, helfen schon ein kurzer Spaziergang oder der Wechsel des Arbeitsortes. Allein der Weg aus dem Büro ins Café bedeutet eine kreative Pause.

Zeitmanagement ist alles. Zeit für strategisches Denken sollte im Arbeitsalltag explizit vorgesehen sein. Nicht wenige tun sich schwer, den eigenen Arbeitstag überhaupt zu strukturieren. Dabei helfen kann unter anderem die Eisenhower-Matrix. Sie unterteilt den Tag in wichtige und weniger wichtige Aufgaben.

„Busy“ bist du dann, wenn du dem Zeitplan eines anderen ausgeliefert bist

Entscheidungen delegierter Aufgaben einfordern und aushalten. Oft ist es doch so, dass die untere Führungsebene zwar Entscheidungen trifft, diese aber noch einmal „von oben“ abgesegnet haben will. Für denjenigen, der den Job eigentlich delegiert hat, bedeutet das eine Doppelblastung. Und das Projekt zieht sich dadurch unnötig in die Länge. 72 Prozent der Manager sind hauptsächlich damit beschäftigt, irgendwo im Unternehmen Probleme zu lösen statt Zeit zum Vorwärtsdenken zu haben. Dorie Clark zitiert in ihrem Artikel in der Harvard Business Review Derek Sievers, TED-Sprecher und Entrepreneur: „Beschäftigt bist du dann, wenn du dem Zeitplan eines anderen ausgeliefert bist.“ Soll heißen: Wer sich beschwert, dass er vor lauter Zurufen anderer keine Zeit für eigenes strategisches Denken hat, muss sich derer entledigen.

Strategisches Denken: Zeitverschwendung oder eine Frage der Kompetenz?

Mehr als die Hälfte der Manager, die in einer Langzeitstudie zu ihrem Arbeitsalltag befragt wurden, antworteten: „Wir dachten, man erwartet von uns, Projektdetails zu Themen zu kennen, die in unserer Abteilung angesiedelt sind.“ Ebenfalls mehr als die Hälfte hat das Gefühl, in Entscheidungen eingebunden zu sein, die genauso gut Abteilungsleiter unter ihnen treffen könnten. Nimmt man alle Störgeräusche weg und bietet ihnen Zeit für Strategiearbeit, wüssten viele nicht, was zu tun sei, so Ron Carucci, Mitbegründer des Strategieberatunghauses Navalent, in einem Gastbeitrag in der Harvard Business Review.

Strategisches Denken ist wichtig, in unternehmen aber oftmals unterrepräsentiert.
Strategisches Denken ist wichtig, aber oftmals unterrepräsentiert. (Quelle: Strategic Thinking Institute)

Laut dem Strategie-Vordenker Rich Horwath haben nur 44 Prozent der Unternehmen eine Definition für „Strategie“. Um eine solche aber entwickeln und umsetzen zu können, müsse man erst verstehen, was Strategie bedeute. Dafür müsse man aber auch die Zeit und die Fähigkeit haben, darüber nachzudenken, so Horwath. In so volatilen Zeiten ist eine Strategie für manche aber reine „Zeitverschwendung“, zumindest auf den ersten Blick. Wenn sich Dinge so schnell verändern wird es schwer, im Voraus zu planen, sagt Managment-Berater Guido Bosbach. Ohne den Blick in die Zukunft gehe es aber natürlich auch nicht, ergänzt er und meint damit: Nicht das Ziel selbst sei planbar, sondern die Zielrichtung, die sich aufgrund aktueller Erkenntnisse definieren lasse. An der sollten dann alle arbeiten, vom einfachen Mitarbeiter bis zum Chef.

Das klingt kompliziert und das ist es wohl auch. Bei einer Umfrage unter 400 Führungskräften kam heraus, dass strategisches Denken die wichtigste Fähigkeit von Managern sein sollte. Dieser Soft Skill müsse auch unbedingt als Weiterbildungsangebot in Fortbildungsprogrammen für Manager angeboten werden. Bosbach fordert in diesem Zusammenhang Grundfertigkeiten wie:

Kompetenzbewusstsein. Sich seiner eigenen Kompetenzen und der anderer Akteure bewusst werden und sie für Entscheidungsprozesse nutzen. Tatsächlich ist Wissen keine exklusive Ware mehr. Heute gilt es, Expertise zu teilen und allen zugänglich zumachen. Wichtiger sei, lernfähig zu sein und bereit, Know-how im Unternehmen zu suchen beziehungsweise weiterzugeben.

Flexibilität. Nicht starr denken, sondern Überlegungen den sich ändernden Rahmenbedingungen anpassen und Neues ausprobieren. Augen und Ohren offenhalten, heißt laut Bosbach, nach Trends stöbern und querdenken. Fehler müssten hierbei erlaubt sein, sonst traue sich niemand, etwas Neues auszupobieren.

Reflexion. Die Fähigkeit, sich selbst und bereits begonnene Ideen zu hinterfragen. Wenn sich Technologien schnell ändern oder wenn langfristige Veränderungen im Unternehmen angestoßen werden sei es sinnvoll, strategische Optionen kontinuierlich zu überdenken. Meistens kommt es bekanntlich anders als man denkt.

Entscheidungsfreude. Schnell entscheiden zu können ist in diesen disruptiven und sich schnell ändernden Zeiten eine besondere Gabe und für manche neu. Es gehe nicht darum, mit seinem Urteil alleine dazustehen, weil die Zeit fehlt, andere zu fragen. Führungskräfte sollten den Mut haben, zusätzliche Kompetenz ins Haus zu holen statt stundenlang am Schreibtisch vor sich hin zu grübeln.

Digitalisierung als Game-Changer?

Gerade bei dieser aktuellen Disruption offenbaren sich Defizite im Manager-Gebälk

Digitalisierung ist nicht die einzige Disziplin, die strategische Planung benötigt. Aber gerade bei dieser aktuellen Disruption offenbaren sich Defizite im Manager-Gebälk, die man ihnen nur bedingt zum Vorwurf machen kann. 83 Prozent der Manager glauben, von neuen Tools zur strategischen Planung und Organisation zu profitieren. Die müssen sie aber selbst ins Unternehmen bringen.

Ein Teufelkreis. Umso mehr könnte der Prozess, sich mit der Digitalisierung zu beschäftigen, helfen. Denn hier wird plötzlich der Status-Quo nicht nur des technischen Equipments hinterfragt. Auch Ebenen wie die Unternehmenskultur, Mitarbeiterbeteiligung und Betriebsklima gehören zum Denkprozess und sind, das belegen viele Studien inzwischen, Bestandteil einer wettbewerbsfähigen Zukunftsvision.

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