„Mit dem Coworking-Hype ist ein rechtes Kuddelmuddel entstanden“
Interview mit Anita Gödiker, Gründerin des Coworking-Unternehmens Satellite Office
Anita Gödiker, Gründerin und CEO von Satellite Office, bietet in ihren Coworking Spaces „Casual Luxury Workplaces“ an. Was man darunter versteht, wie sie sich vom aktuellen Trend mit bunten Sitzsäcken abhebt und warum die Arbeitswelt mehr Ruhe braucht, erzählt sie im Interview mit Business User.
Business User: Digitalisierung, flexible Arbeitswelten – der digitale Wandel hat das Konzept für viele auf die Tagesordnung gesetzt. Haben Sie das so kommen sehen?
Anita Gödiker: Als ich vor 23 Jahren Satellite Office gründete, habe ich das so natürlich nicht kommen sehen. Aber: Wandel hat es immer gegeben und mir war klar, dass die Idee, von verschiedenen Orten arbeiten zu können, relevant werden würde in der Arbeitswelt.
Ist es das was für Sie Coworking bedeutet? Einen Platz zu haben, der erlaubt, ortsunabhängig und flexibel zu arbeiten?
Ja, aber gleichzeitig viel mehr als das! Ursprünglich war das mein primärer Ansatz und ich bot mit dem ersten Büro in Berlin Firmen eine Plattform, die die Hauptstadt mitgestalten wollten, aber von ganz woanders her kamen. Heute lege ich Coworking viel weiter aus. Meine Mutter sagte immer: Teilen ist etwas Vernünftiges. Das habe ich übernommen. Sie hat wahrscheinlich andere Dinge gemeint, aber für mich schließt der Begriff auch das Teilen von Gedanken und Know-how mit anderen ein. In den Satellite Offices herrscht eine ungeheure Vielfalt an Menschen, Branchen und Berufen. Das können und wollen wir nicht ungenutzt lassen.
„Meine Mutter sagte immer: Teilen ist etwas Vernünftiges. Das habe ich übernommen.“ Anita Gödiker, Gründerin und CEO von Satellite Office
Sie sprechen das Networking in den Coworking Spaces an. Macht man Coworking aus Networking-Gründen? Wie wichtig sind dabei zusätzliche Networking-Events?
Das würde ich so nicht sagen, aber es ist ein Mehrwert in von mehreren Branchen und Berufen gemeinsam genutzten Orten. Austausch und ein Sich-begegnen-können kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Natürlich findet Networking auch in der Cafeteria und in offenen Impulsvorträgen statt, aber wir möchten System reinbringen. Wir glauben, es macht mehr Sinn, kleine Gruppen von 10 bis 15 Leuten zu Veranstaltungen zusammenzubringen, die sich für ein spezielles Thema interessieren. Runden mit 300 Teilnehmern bringen unserer Ansicht nach wenig, um sich effektiv und auf Augenhöhe zu begegnen. Wer sich in unseren Häusern einmietet weiß, dass wir immer fragen: Was braucht ihr, welcher Input bringt euch weiter? Dementsprechend organisieren wir Events mit Fokusthemen für unsere Mitglieder.
Können Sie das Satellite Office Konzept näher beschreiben?
Zunächst möchte ich sagen, dass jeder in der Arbeitsumgebung arbeiten soll, die seinem Arbeitsstil am nächsten kommt. Satellite Office war noch nie ein Ort mit Sitzsäcken, bunten Tischen und Kicker, wer das mag, kein Problem. Dafür bin ich vielleicht zu wenig Silicon Valley, ein solches Setting entspricht nicht meinem Verständnis von Coworking. Mit dem Coworking-Hype ist ein rechtes Kuddelmuddel entstanden und viele kennen sich nicht mehr aus, weil der Begriff so universell genutzt wird.
In unseren Business Centern soll vor allem gearbeitet werden können, in Coworking steckt ja das Wort „Work“ drin, also Arbeit. Das „Co“ habe ich mit dem Networking-Gedanken gerade schon erläutert. Daraus folgen für mich zwei wesentliche Konsequenzen: Keine Ablenkung und eine optimale Büroausstattung. Nach unserer Erfahrung suchen Arbeitende einen ruhigen Ort. Bei Satellite Office gab und gibt es Einzel- und Teambüros, Rückzugsorte, die für Diskretion sorgen und Deep Working erlauben (hochkonzentriertes Arbeiten, die Red.) In diesem Jahr haben wir die Idee mit der PureSilent-Linie noch weiterentwickelt – weiter weg von Open Spaces und hin zu mehr abgeschirmten Arbeitsumgebungen sowie kleinen Büros, die Ablenkung reduzieren. In all unseren Häusern stellen wir darüber hinaus eine gediegene, aber moderne und vor allem gute Büroausstattung, in der produktiv gearbeitet werden kann.
Hat sich durch den aktuellen Coworking-Trend für Ihr Konzept und Ihre Idee etwas geändert? Musste sich Satellite Office verändern, um auf dem Markt erfolgreich bleiben zu können?
„Wenn ich die Hartplastikstühle in anderen Häusern sehe, bekomme ich persönlich Rückenschmerzen. Aber das ist wirklich Geschmacksache. “ Anita Gödiker
Im Gegenteil. Wir fühlen uns bestätigt. Wenn ich nur die Hartplastikstühle in anderen Häusern sehe, bekomme ich Rückenschmerzen (lacht), aber das ist wirklich Geschmacksache. Im Ernst, das Feedback unserer Mitglieder oder Interessierten liefern, die ein Satellite Office ausprobieren, schätzen genau dieses Konzept, das wir seit über 20 Jahren verfolgen und ständig weiterentwickeln. Die Abgrenzungskriterien zu anderen Anbietern mussten wir nicht suchen, sie waren schon da.
Sprechen Sie eine bestimmte Zielgruppe an?
Nein, eine Byer’s Persona gibt es nicht. Bei uns arbeiten Menschen aus verschiedensten Branchen, im Anzug, im Flanellhemd oder im T-Shirt. Sie kommen zu Satellite Office, weil sie eine Umgebung vorfinden, die ihrer Arbeitsweise entspricht. Wenn man so will, ist das eine Zielgruppe, die sich durch unser Angebot selbst definiert. Viele Menschen suchen genau so eine Umgebung, mehr denn je, habe ich das Gefühl. Der Coworking-Hype klingt aktuell etwas ab. Die Leute hinterfragen die Arbeitsorte, in denen sie so viel Zeit verbringen und wissen zunehmend genauer, wonach sie suchen. Nicht selten sind es Ruhe und gutes Büromobiliar. Zu uns kommen derzeit Menschen, die fragen: Habt ihr ein ruhiges Plätzchen für mich?“ Denen ist es in den wuseligen, trendigen Arbeitsumgebungen zu unruhig.
Wohin will Anita Gödiker mit Satellite Office?
Ich glaube, ich habe mit der PureSilent-Linie mein Konzept noch einmal verschärft und bin überzeugt, dass ich mit dieser Strategie die Zukunft des Coworkings treffe. Die moderne Arbeitswelt erfordert Umgebungen, in denen flexibel, produktiv sowie effizient gearbeitet werden kann und Begegnungsorte für den effektiven Austausch. Den Zenit des aktuellen Coworking-Trends halte ich für überschritten, Arbeitende rennen nicht in den nächstgelegenen Coworking Space, einfach weil man das gerade so macht, sondern suchen sich gezielt die Arbeitsumgebung, in der sie vorankommen. Das kann durchaus eines der Lounge-geprägten Häuser sein. Nach unserer Erfahrung werden das aber weniger.
Sie werden „Mrs. Coworking“ genannt. Finden Sie sich im aktuellen Trend wieder?
Wenn man Coworking im ursprünglichen Kontext des gemeinsamen Arbeitens und Teilens versteht und das ganze Chi-Chi weglässt, schon, aber nicht ganz. „Mrs. Flexible Workspace“ wäre mir persönlich lieber, wenn ein solcher Beiname schon sein muss.