Microsoft Hololens 2: Alles andere als Spielerei

Virtual Reality soll in der Industrie Entwicklungszyklen verkürzen und Reparaturen vereinfachen, im Fachhandel für neuartige Kauferlebnisse sorgen. Microsoft mischt mit seiner Hololens-Plattform schon heute ganz vorne mit.

Die erste Version von Google Glass war seinerzeit ein spektakulärer Misserfolg. Googles Datenbrille war ursprünglich als Consumer-Produkt konzipiert und mit einer Kamera ausgestattet, die Video aufnehmen konnte. Entsprechend empfindlich reagierten Menschen, wenn sie jemandem gegenüber saßen, der sie durch diese Brille ansah. Glass-Träger wurden öfter mal auf der Straße beschimpft, die Brille war in Kinos verboten und die Öffentlichkeit spekulierte amüsiert darüber, welche Daten Google-Gründer Sergey Brin auf seiner Brille aufrief, wenn er sie als Zuschauer auf einer Modenschau trug. Gleichzeitig wurde die Datenbrille aber von den Unternehmen entdeckt – und die hatten reichlich Verwendung für sie. Als Enterprise Edition ist Google Glass heute in vielen Unternehmen im Einsatz.

Holografische Anleitungen lernen Fachkräfte an und assistieren Servicetechniker bei Reparaturen. (Bild: Microsoft)
Holografische Anleitungen lernen Fachkräfte an und assistieren Servicetechniker bei Reparaturen. (Bild: Microsoft)

Microsofts Hololens war hingegen von vornherein als professionelles Werkzeug gedacht und kann im Gegensatz zu Google Glass nicht nur Daten anzeigen, sondern ist eine voll ausgestattete Mixed-Reality-Brille. Mixed Reality ist eine Mischung aus Augmented Reality (AR, erweiterte Realität) und Virtual Reality (VR, virtuelle Realität). Mixed-Reality-Brillen können einer realen Umgebung virtuelle Bilder hinzufügen oder die reale Umgebung durch eine virtuelle ersetzen. 

Viel vorgenommen

Microsoft will seinen Status in der Geschäftswelt jetzt dazu nutzen, mit der Hololens die dominierende Plattform für AR/VR-Anwendungen zu etablieren. Die Hololens 2 soll hierbei eine entscheidende Rolle spielen, ist aber nur ein Teil der Plattform. Mindestens ebenso wichtige Bestandteile sind die mit Künstlicher Intelligenz erweiterte Betriebssoftware, die Cloud-basierte Datenplattform und die zahlreichen Anwendungen, die über Partnerunternehmen in verschiedenen Branchen entstehen. Erwähnenswert dürfte dabei die Tatsache sein, dass die Plattform auch für Brillen anderer Hersteller offen ist. 

Microsoft hat sich einiges vorgenommen für diesen Bereich, mit gutem Grund. AR/VR-Anwendungen kommen – ebenso wie die Brillen – technologisch langsam zur Reife und der Markt dafür soll in den nächsten Jahren regelrecht explodieren. Das Beratungshaus PwC schätzt das wirtschaftliche Potenzial von AR/VR-Produkten und Dienstleistungen bis 2030 auf 1,5 Billionen US-Dollar weltweit, das entspräche einer Steigerung des globalen Brutto-Inlandsprodukts um 2,5 Prozent. 23 Millionen Menschen sollen bis dahin damit arbeiten. Deutschland wäre zu diesem Zeitpunkt mit einem Marktvolumen von 104 Milliarden US-Dollar und 400.000 Erwerbstätigen dabei, die diese Technologie nutzen.

Die Technik wird reifer

Ein Teil der Elektronik wurde zwecks besserer Gewichtsverteilung in ein Gehäuse am Hinterkopf untergebracht. (Bild: Microsoft)
Ein Teil der Elektronik wurde zwecks besserer Gewichtsverteilung in ein Gehäuse am Hinterkopf untergebracht. (Bild: Microsoft)

Die zweite Auflage der Hololens wird seit einem Monat ausgeliefert und zeigt sich gegenüber dem Erstling deutlich aufgewertet. Das Hardwarekonzept macht jetzt einen ausgereifteren Eindruck. Für eine bessere Gewichtsverteilung wurde die Elektronik zweigeteilt. Ein Teil ist jetzt in einem Gehäuse am Hinterkopf untergebracht, sodass der Schwerpunkt des Geräts über den Ohren liegt. Damit ist das Gewicht gleichmäßiger verteilt und das Headset lässt sich leichter über längere Zeit tragen. Das Visier mit der Optik lässt sich einfach hochklappen, um den Blick freizubekommen und die Augen zu entspannen, ohne gleich das ganze Headset abzunehmen.

Die offensichtlichste Verbesserung im Innenleben besteht darin, dass die HL2 jetzt einen doppelt so großen virtuellen Bildumfang bietet als der Vorgänger. Außerdem ist die Bedienung viel komfortabler geworden. Verfügte die HL1 über ganze drei Gesten für das Aufrufen von Menüs und das Bewegen der projizierten Hologramme, ist das Bedienungskonzept gründlich überholt und erweitert worden. Virtuelle Objekte lassen sich jetzt viel besser „anfassen“ und man kann sie einfacher verschieben, drehen oder vergrößern. Außerdem kann man auf virtuelle Knöpfe drücken, Räder drehen oder Hebel bewegen. Dadurch machen virtuelle Objekte einen viel reelleren Eindruck.

KI sorgt für realistischere Eindrücke

Möglich wurde das durch zahlreiche Sensoren in der Brille und über verschiedene Tracking-Systemen. So misst beispielsweise ein Hand-Tracking-System die individuelle Form der Hände und ermöglicht dadurch eine genauere Bedienung. Die Kalibrierung der Geräts auf den Augen des Nutzers aktiviert ein Augen-Tracking-System, das die HL2 zu jeder Zeit wissen lässt, wie der Nutzer nahe oder ferne Objekte sieht. Auf Basis eines KI-Algorithmus werden die personalisierten 3D-Modelle an seine Hände und Augen angepasst, wodurch eine bessere Handhabung der Hologramme möglich wird.

Das Visier der Hololens 2 lässt sich einfach hochklappen, um den Blick frei zu bekommen oder die Augen zu entspannen. (Bild: Microsoft)
Das Visier der Hololens 2 lässt sich einfach hochklappen, um den Blick frei zu bekommen oder die Augen zu entspannen. (Bild: Microsoft)

Der größte Entwicklungssprung hat jedoch jenseits des Headsets stattgefunden. Die Software wurde mit KI-Algorithmen angereichert, die sich an der instinktiven Wahrnehmung und Aktivität des menschlichen Gehirns orientieren. Diese „Perception AI“ genannte Software wurde speziell für die HoloLens 2 entwickelt und arbeitet lokal auf dem jeweiligen Gerät, was Latenzzeiten klein hält und die Einhaltung von Datenschutzrichtlinien leichter gewährleistet.

Hardwaremodelle werden Datenmodelle

Von der Technik abgesehen dürften Microsofts Status in der Businesswelt und das große Partnernetzwerk die Faktoren sein, die für den Erfolg der Hololens-Plattform sorgen werden. Beide haben in den letzten Jahren der Plattform reichlich Anwendungen in verschiedenen Branchen beschert, vom Gesundheitswesen über den Maschinenbau bis hin zu Militäranwendungen. Hierzulande ist die Hololens bereits bei etlichen Automobilherstellern in verschiedenen Unternehmensbereichen im Einsatz. 

Michael Zawrel, Senior Product Manager für Mixed Reality bei Microsoft, bringt als Beispiel die Entwicklung von Außenspiegeln. Diese werden normalerweise als Hardwaremodelle einem Prototypen angeflanscht und daraufhin wird ausprobiert, was die richtige Größe und Position sein muss, damit die Sicht nach hinten optimal und der tote Winkel möglichst klein ist. „Mit der Hololens können Sie Hardwaremodelle durch Datenmodelle ersetzen“, sagt Zawrel. Die Entwicklungsprozesse würden dadurch entschieden verkürzt.

Neue Chancen für den Fachhandel

Bosch hat die Hololens in seinem Collaborative Training 4.0 eingebettet. Das interaktive Trainingsprogramm bietet holografische Schritt-für-Schritt Anleitungen assistieren Servicetechniker bei Reparaturen und helfen Werkstatt-Azubis, die Funktionsweise neuer Produkte besser zu verstehen. Solche vorgefertigte Anleitungen lassen sich auf verschiedenen Endgeräten abgerufen und direkt auf Maschinen und Anlagen projizieren. Ein solches Endgerät kann die Hololens sein, muss es aber nicht. Microsofts Plattform ist offen genug, um auch Produkte anderer Hersteller oder anderer Gattungen zu Unterstützen, zum Beispiel Tablet-Anwendungen.

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Auch für den Fachhandel stellt die Hololens eine Riesenchance dar. Island Labs, die Software-Tochter des Nürnberger Küchenhändlers Kiveda Group, hat auf Basis der Hololens eine Anwendung gebaut, die den Kauf einer Kücheneinrichtung auf eine neue Basis stellt. Die Küche lässt sich auf dem Computer durch die Auswahl verschiedener Komponenten so zusammenstellen, dass der Kunde seine neue Küche mithilfe der Hololens virtuell betreten und ein Gefühl für die Raumaufteilung bekommen kann. Daraufhin kann er Komponenten austauschen oder die komplette Einrichtung anders aufstellen. 

„Die Hololens ermöglicht ein völlig neues Kauferlebnis“, sagt Alex Möller, Geschäftsführer bei Island Labs und der Kiveda Group. „Der Kunde ist viel eher bereit zu investieren, wenn er genau weiß, was er dafür bekommt. Das allein hat schon das Potenzial, im Fachhandel sehr viel zu verändern.“

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