Urlaubskultur: Wann Firmen und Beschäftigte von der Auszeit profitieren
Studien zum Thema Urlaub und Freizeit zeigen nicht nur, dass Auszeiten wichtig sind für Körper und Geist. Für die Arbeitswelt kommt dabei zum Beispiel heraus: Wer sich erholt, ist nach der Rückkehr in den Job-Alltag motivierter und produktiver. Die Urlaubsfrische wird allerdings zu oft durch – vermeidbare – Fehler getrübt.
Wer sich keine Erholung gönnt, klappt irgendwann zusammen. Obwohl unstrittig, schalten zu wenige Menschen in der Freizeit ab und liegen mit Smartphone am Strand. Zwei Drittel der Berufstätigen (64 Prozent) waren es laut dem Digitalverband Bitkom 2018. Dabei belegen Studien immer wieder, dass eine Auszeit wichtig ist, um gesund zu bleiben. In der berühmten Langzeitstudie (seit 1948) „Framingham Heart Study“ heißt es beispielsweise, wer seine Urlaubstage über einen längeren Zeitraum ungenutzt verstreichen lässt, ist anfälliger für einen Herzinfarkt als andere, die zumindest einmal im Jahr Urlaub nehmen.
Abschalten nach Feierabend wirkt sich positiv auf die Job-Performance aus. Das gilt auch für die Urlaubszeit.
Die arbeitsfreie Zeit – sowohl der Feierabend und das Wochenende als auch die dreiwöchige Auszeit – ist nicht nur für das physische Wohlbefinden entscheidend. Vom Ausloggen aus der Arbeitswelt profitiert auch die Psyche: Menschen sind zufriedener, schlafen entspannter und packen Dinge produktiver an, wie eine Studie der Universität Mannheim ermittelt hat: Abschalten nach Feierabend wirkt sich positiv auf die Job-Performance aus.
Auch für den Urlaub gelten Pauseneffekte aus dem Arbeitsalltag: Jede Kaffeepause löst Denkblockaden, die am Schreibtisch entstehen. Der Lagerkoller ist ein nicht zu unterschätzender Feind kreativen Denkens. Im Urlaub bietet sich die Gelegenheit, das Projekt mit Budgetsorgen und den Kollegenstreit auszublenden. Der Druck verschwindet und neue Eindrücke, Sport und Erholung können für neuen Drive sorgen. Diese Bereitschaft wird auch Motivation genannt und ist eines der zentralen Elemente einer neuen Unternehmenskultur, die sich im Zuge der Digitalisierung breit macht.
Urlaubskultur muss Teil der Firmenkultur sein
Sowohl Beschäftigte als auch Führungskräfte können allerdings den Erholungswert minimieren und die typische Posturlaubsdepression („Kaum Montag und ich brauche schon wieder Urlaub!“) befeuern, weil Abschalten gar nicht so einfach ist. Wenn Betriebe es schaffen, die „Urlaubskultur“ in die Firmenkultur zu integrieren, kann nach dem Feierabend/Urlaub auch wirklich ein produktiver und motivierter Neustart gelingen.
Nicht der Chef entscheidet, ob Kurztrip oder 3 Wochen.
Die Wissenschaft liefert keine abschließenden Antworten dazu, ob lange Frei- oder kurze Auszeiten besser sind. Es ist eine individuelle Sache, was mehr bringt. Es gibt Studien, die rechnen die Urlaubsplanung und die damit verbundene Vorfreude positiv mit ein. Andere sagen, es brauche eine längere Zeit, um den An- und Abreisestress erst einmal zu verdauen, bevor die Urlaubsentspannung beginnen kann.
Von der Firma sollte man sich dabei im Übrigen nicht beeindrucken lassen. „So läuft das Spiel“, hat ein CEO mal gesagt. Manchmal sei es schwer, den Mitarbeiter für 3 Wochen ziehen zu lassen, aber „nicht ich entscheide, ob und wie er in den Urlaub geht“. Von der Firmenkultur kann abhängen, wie alle, von der Chefetage bis zum Praktikanten, mit dem Thema Urlaub umgehen. Voraussetzung ist natürlich, dass auch Rücksicht und Absprache mit Kollegen zur Firmenkultur gehören.
E-Mails bis nach dem Urlaub auf dem Mailserver parken hilft, nicht aus Gewohnheit doch den Posteingang am Strand zu checken.
Wer frei hat, hat frei.
Ob Urlaub oder Freizeit – während dieser Zeit sollten Beschäftigte nicht mit den Seiten 46 und 47 der Präsentation gestört werden, die beim nächsten Aufeinandertreffen gehalten werden soll. Das vielstrapazierte Abschalten ist ernst gemeint und gilt nicht nur für diejenigen, die frei haben, sondern auch für Kollegen und Chefs, die es nicht lassen können, doch zu schreiben. Das technisch längst mögliche Konzept etwa, E-Mails in einer definierten Zeitspanne nicht in der Inbox des Empfängers, sondern auf dem Mailserver der Firma zu parken und sie später auszuliefern, ist ein Mittel für jene, die es freiwillig nicht schaffen, offline zu gehen.
Urlaub machen ohne schlechtes Gewissen.
Der Umstand, man sei neu, Junior oder möglicherweise von einer Umstrukturierung betroffen, darf kein Grund dafür sein, keinen Urlaub zu nehmen. Führungskräfte sollten dies nicht verlangen und Beschäftigte sollten keine Angst haben müssen, dies könnte ihren Job eher zum Schleudersitz machen.
Vorbild Führungskraft.
Beim Thema Urlaub können Führungskräfte zeigen, wie ernst sie die (Urlaubs-)Kultur nehmen. Werden Antworten aus dem Ferien-Ressort erwartet? Landen täglich Aufgaben aus Südtirol im Posteingang der Arbeitenden? Ja, es gibt einen Unterschied zwischen Führungskräften und Beschäftigten. Doch es ist etwas anderes, ob jemand im Notfall erreichbar ist oder Business-as-usual machen soll.
Die Rückkehr – und alles ist dahin? Muss nicht sein
Auch nach den Ferien ist die Art, wie alle Beteiligten im Unternehmen miteinander umgehen, dafür entscheidend, ob man eigentlich gleich wieder weg will. Nicht nur der Bitkom weist jedes Jahr darauf hin, dass der Neustart einfacher ist, wenn man Kollegen hat, die einen gut vertreten. Das heißt, schon die Vorbereitung sorgt dafür, dass die Rückkehr nicht gleich wieder in Stress ausartet. Die Psychologin Carmen Binnewies rät außerdem dazu, nicht gleich den ersten Arbeitstag mit Terminen vollzustopfen und den E-Mail-Abwesenheitsassistenten zwei oder drei Tage länger aktiviert zu lassen, damit man sich durch die Nachrichten arbeiten kann und Absender wissen, dass die Antwort noch dauert.
Auch Arbeitgeber sind aufgerufen, Ferienrückkehrern Zeit für die Aufarbeitung einzuräumen. Wer jetzt die gesteigerte Produktivität nach dem Urlaub in Frage stellt, liegt nicht ganz falsch. Studienautorin Sonnentag von der Universität Mannheim weist auf Umfrageergebnisse von Kollegen hin, wonach diejenigen, die ihre Arbeit in der Freizeit ganz ausblenden länger brauchen, um wieder reinzukommen als andere. Das jedoch sollte nach neuesten Erkenntnissen (die Studie von Sonnentags Kollegen ist von 2010) nicht von ihrer „Produktivität“ abgezogen werden.