ADAC, Axel Springer, Continental: Digitale Transformation beginnt bei den Mitarbeitern
Mit großem Aufwand arbeiten Unternehmen in Deutschland an einer modernen Firmenkultur. Bei Konzernen wie ADAC, Axel Springer und Continental setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch: Nur Mitarbeiter können die Kultur verändern -– und damit dem digitalen Wandel zum Erfolg verhelfen.
Menschen sind keine Hard- oder Software. Man kann sie nicht „ausrollen“.
Unternehmen investieren momentan viel Zeit, Personal und Geld in das „digitale Onboarding“ der Mitarbeiter. Obwohl der Aufwand keinen unmittelbaren Effekt auf den finanziellen Geschäftserfolg hat – hier werden weder ein neues Geschäftsmodell noch neue Produkte konzipiert – verfahren der ADAC, Axel Springer und Continental sowie andere deutsche Unternehmen wie Siemens oder Porsche inzwischen nach der Devise: Das Geheimnis des digitalen Erfolgs liegt nicht in der Technologie, es liegt in den Mitarbeitern. Ohne deren Bereitschaft, die Transformation bei Kultur, Lernverhalten und Arbeitsweisen mitzutragen, wird es schwer, eine Belegschaft „zu modernisieren“ und das Unternehmen für das digitale Zeitalter fit zu machen. Denn als Messgröße sind heute nicht mehr nur Umsatzzahlen relevant. Mindestens genauso wichtig sind Krankenstand, Kündigungen oder die Anzahl kompetenter Fachkräfte.
Wie es aussieht, wenn Unternehmen zusammen mit der Belegschaft die digitale Zukunft gestalten, haben der ADAC, die Axel Springer AG und die Continental AG auf dem Digital Workplace Summit 2018 von Communardo gezeigt. Die beschriebenen Strategie-Bausteine waren Ausschnitte aus dem jeweiligen Digitalplan der Konzerne. Die Ansätze sind ähnlich und doch agiert jede Unternehmen anders – ein Denkanstoß für Firmen, die doch am Anfang stehen.
Das neue Social Intranet bei Axel Springer
Beim Verlagshaus Axel Springer ist das Social Intranet ein wichtgier Dreh- und Angelpunkt für die NewWork-Kultur. „Move“ heißt die Initiative der Personalabteilung, die verschiedene Offline-Formate anbietet, von Expertenrunden über Netzwerk-Treffs bis zu interdisziplinären Teams, um Mitarbeiter zu vernetzen und sie anzuregen, sich auszutauschen. „Move Office“ macht das gleiche – nur online. Auf der Basis von Microsoft Office 365 hat die Personalabteilung in Zusammenarbeit mit IT-Kollegen ein auch mobil zugängliches Social Intranet gebaut, das Communities beherbergen, den Dialog fördern und Mitarbeiter das Unternehmen der Zukunft mitgestalten lassen soll.
Mehr gemeinsam, mehr Dialog, mehr Mitgestaltung, mehr Mobilität – wesentliche Bestandteile für die digitale Transformation, nicht nur bei Axel Springer. Jeder Geschäftsbereich verfügt etwa über eine eigene „Startseite“, die keinem Corporate Design folgt. Dort stellen sich die Abteilungen individuell vor: mal ist die Webseite eher textlastig, mal verspielt. Das Erscheinungsbild ist (abgesehen von einer „Netiquette“, einem Online-Knigge) frei gestaltbar, die Inhalte werden nicht kontrolliert. Die „Communication Sites“ sind die Tür zu einem anderen Team.
Svetlana Heidebrecht, bei Axel Springer Project Coordinator Collaboration, Learning & Transformation, hat die Erfahrung gemacht, dass Kollegen, die sonst eher still sind, sich jetzt besser einbringen, indem sie Beiträge in öffentlichen Feeds liken oder kommentieren. „Daran kann man ablesen, wie die Stimmung ist“, so Heidebrecht. Denn auch kritische Inhalte stehen im Intranet. „Wenn ein solcher viele Likes hat, muss man nachhaken“. Führungskräfte und die Chefetage sind ebenfalls eingebunden.
Die Intranet-Plattform ist Bestandteil der neuen Kultur und zugleich Spielwiese für neue Technologien. Jetzt, da die Mitarbeiter Microsoft Office 365 schon kennen, soll die Plattform zunehmend in den klassischen Arbeitsalltag überführt werden. Statt über E-Mails läuft die Kommunikation im Team künftig via öffentlicher Newsfeeds: Fragen richten sich an das ganze Team und werden von dem beantwortet, der es weiß. Auf diese Weise ist das gesamte Team auf dem neuesten Stand. Wer im Social intranet schon kommentiert, dem fällt auch diese neue Arbeitsweise leichter, so die Erfahrung der Personaler.
Springer-Chef Matthias Döpfner sagt: NewWork ist eine Haltung.
Selbst Matthias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, will sich „voll und ganz auf Move Office einlassen“, sagte er in einem Podcast. Und auch das ist sein Credo: NewWork ist eine Frage der Haltung. Wer sich dagegen sperre, dem könne man noch so viele Lernangebote zur Verfügung stellen. Auch der Springer-Neubau könne trotz innovativer Bürokonzepte nicht allein für eine neue Art der Zusammenarbeit vernatwortlich sein.
Die VUCA-Offensive bei Continental
„Alles bleibt anders“ – so könnte man den Wandel beim Reifenhersteller Continental beschreiben. Im digitalen Zusammenhang spricht man hier gern von VUCA. Die Abkürzung steht für volatil (unbeständig), uncertain (unsicher), complex (vielschichtig) und ambiguous (mehrdeutig) und ist eine treibende Kraft bei Continental. Harald Schirmer, Manager Digital Transformation and Change bei der Continental AG, fordert: „Schreibt voneinander ab und lernt“. Das sei ein Prozess, dem VUCA zugrundeliege. Je mehr Diversität, Flexibilität und Reflexion, desto vielfältiger, hinterfragter und größer sei das Know-how im Unternehmen. „Menschen kann man nicht ausrollen“, sagt Schirmer. Sie funktionierten nicht wie Hard- oder Software und brauchten andere Impulse für den nächsten Schritt.
Je mehr Diversität, Flexibilität und Reflexion, desto vielfältiger, hinterfragter und größer sei das Know-how im Unternehmen.
Statt Know-how zu horten oder in einer Datenbank abzulegen, bittet er Mitarbeiter, sich im Social Intranet zu engagieren. „Draußen funktioniert das ja auch“, so Schirmer. “ Man schaut sich Videos von Dingen an, die man garnicht gesucht hat. Am Ende hat man trotzdem etwas gelernt.“ Oft müssten Antworten geteilt werden, bevor beim Kollegen überhaupt die Frage aufkommt.
Langfristig veränderten die Mitarbeiter die traditionelle Kultur und förderten einen Austausch, der dem Wandel viel besser begegnen könne als unflexibel gebunkertes Abteilungswissen. Hinzukommt: Fehler sollen erlaubt sein, schließlich geht es ums Lernen, alte Gewohnheiten werden durch neue ersetzt. Beispiel: „Eine lernende Stuktur auf E-Mails aufzubauen, das kann nicht funktionieren“, so Schirmer. Apropos lernen: Wenn jetzt die Arbeit so viel effizienter wird, heißt das, Mitarbeiter bekommen mehr auf den Tisch? Continental will das verhindern: „Was nicht Arbeit ist, ist Lernzeit“, sagt Schirmer und verweist auf digitale Lernangebote im Social Intranet.
Der Smart Workplace bei ADAC
Der Automobilclub ADAC hat für seine NewWork-Strategie diverse Ansätze, online wie offline gewählt, um die Mitarbeiter mit digitalem Kulturwandel und neuen Arbeitsmethoden vertraut zu machen. Auf einer „Smart Workplace Messe“ für die Mitarbeiter informierte der ADAC über NewWork und den digitalen Wandel, erklärte Voraussetzungen und Auswirkungen, darunter der Rollout-Plan für neue Technologien, der vorgeben soll, wie welche Prozesse automatisiert, welche Lernformate und -inhalte angeboten werden, wo man sich Unterstützung holt und was in Zukunft geplant ist. Außerdem wurden die Tools vorgestellt, in deren Auswahlprozess die Mitarbeiter teilweise eingebunden waren. Zum Beispiel ergab eine Mitarbeiterbefragung, dass die Beschäftigten HP als Hardware-Lieferanten bevorzugen würden. So ist es auch gekommen.
Mit der Hauspost verschickte „Bordkarten“ erklären Tools und Anwendungen.
Im Intranet basiert das Lernangebot für die Technik auf den Säulen Community, Clips und Campus. Soll heißen, Mitarbeiter vernetzen sich, bieten Know-how an und profitieren davon. Darüber hinaus arbeitet der ADAC mit Skimio, einem digitalen Lerncoach, der Mitarbeiter individuell nach seinem jeweiligen Kompetenzprofil und Tempo lernen lässt.
Ganz offline erklären so genannte Bordkarten aus Papier neue (oder alte) digitale Formate, Tools und Arbeitsweisen. Sie werden per Hauspost an die Mitarbeiter verschickt und enthalten Tipps etwa zur Nutzung des VPN im Homeoffice oder welche Funktionen Skype für den Arbeitsalltag bereithält. Unter eher offline fällt auch das WOL-Konzept. Der ADAC hat die Methode, die einen offenen Dialog unter den Mitarbeitern fördern soll, sogar ausgeweitet und arbeitet damit nicht nur intern, sondern nutzt sie auch in der Zusammenarbeit mit externen Partnern. Die ADAC-Mitarbeiter wollten das so mit der Begründung, der Horizont werde dadurch noch mehr erweitert. Es scheint, als ginge das Konzept bisher auf.