Zoho: Workplace und Cloud-Apps für den kleineren Mittelstand
Wer überlegt, mehr Cloud-Anwendungen zu betreiben, sollte von nun an auch Zoho mit auf dem Zettel haben. Der in den USA sehr erfolgreiche Anbieter kommt nach Deutschland und deckt mit seinem App-Portfolio praktisch alle Bereiche eines mittelständischen Unternehmens ab.
Anwendungen aus der Cloud gehören bei Großunternehmen und im gehobenen Mittelstand inzwischen zum Standard, nun kommen immer mehr kleinere und mittelgroße Unternehmen (KMUs) auf den Geschmack. Laut einer repräsentativen Studie des Digitalverbands Bitkom beispielsweise organisiert und verwaltet knapp die Hälfte der Unternehmen mit 20 bis 499 Mitarbeitern in Deutschland seine Dokumente in der Cloud.
Zoho könnte glatt als typisch deutscher Mittelständler durchgehen
Dass der Markt für Cloud-Anwendungen im Mittelstand ein lukrativer Markt sein kann, wusste Google schon Anfang dieses Jahrzehnts und war mit seiner G Suite (damals „Google Apps vor Business“) ein Pionier darin, kleinere Unternehmen anzusprechen. Google stellt seitdem die Cloud-Plattform und eine Reihe eigener Basis-Apps wie Office, Mail, Cloud-Speicher etc. zur Verfügung, Apps für alle anderen Zwecke werden von Partnern über einen Marktplatz angeboten. Mehr als fünf Millionen Firmen kann Google inzwischen weltweit zu seinen zahlenden Kunden zählen, auch wenn es hierzulande bisher längst nicht so erfolgreich wie in den USA.
„Organisches Wachstum war uns wichtiger“
Ebenfalls erfolgreich in den USA und in Asien war all die Jahre auch ein Unternehmen, das im deutschsprachigen Raum nicht sonderlich bekannt ist, Zoho. Deren Ansatz war bisher insofern anders als der von Google, als Zoho sich eher auf die Entwicklung eigener Cloud-Apps konzentriert hat. Mehr als 40 solcher Apps, darunter für Kundenbeziehungs-Management (CRM), Analytics oder Projektmanagement betreibt der Hersteller inzwischen und kann auf eine installierte Basis von 45 Millionen Nutzern blicken. Fast alle Apps sind auch im Google Marketplace zu finden, teilweise mit mehr als einer Million Nutzern.
Die Haltung eines Mittelständlers lebt dabei Zoho selbst vor. Das Unternehmen wurde 1996 in Indien gegründet und beschäftigte sich zunächst mit Netzwerk- und IT Management. Davon übrig ist noch ManageEngine, eine kostengünstige Software fürs Management kleiner und größerer IT-Infrastrukturen. Mitte der Nuller Jahre erkannte Gründer Sridhar Vembu, dass die Zukunft in der Cloud ist und startete mit der Entwicklung der Apps. Das Unternehmen mit Hauptsitz im indischen Chennai hat inzwischen eine starke Präsenz im US-Markt, beschäftigt global gut 8.000 Mitarbeiter und ist nach wie vor in privater Hand. „Uns war ein nachhaltiges organisches Wachstum wichtiger, als schnell international zu expandieren“, sagt Europachef Sridhar Iyengar.
Cloud nach DSGVO-Standards
Die Abwesenheit aus Europa ist nun zu Ende. Zoho hat eigene Niederlassungen in Großbritannien, Frankreich, Holland und in Berlin eröffnet und betreibt eigene Rechenzentren in Irland und Holland, die Kundendaten nach DSGVO-Standards vorhalten. Die Teams in den europäischen Ländern sollen Kunden betreuen und die Lokalisierung der Anwendungen weiter ausbauen (momentan lässt sie noch etwas zu wünschen übrig). Hinzu kommt ein Partnernetzwerk, das sich um die Integration und Inbetriebnahme der Apps beim jeweiligen Kunden kümmern soll.
Mit welchen Argumenten will Zoho nun den deutschen Mittelstand überzeugen? „Auch die Arbeitskräfte von Mittelständlern erwarten heute eine andere Art Arbeitsumgebung“, sagt Iyengar. Firmenanwendungen sollten von überall aus zugänglich sein und vor allem keine Inseln mit jeweils einem eigenen Datensilo darstellen. In diesem Sinne hat der Hersteller seine Apps so strukturiert, dass sie untereinander kommunizieren und Daten austauschen können.
Wer auf allen Hochzeiten tanzt, ist zur Mittelmäßigkeit verurteilt – stimmt das?
Auf diese Weise ist Zoho in der Lage, App-Bündel für den jeweiligen Zweck anzubieten, die in der Summe einen ganzen Unternehmensbereich komplett abdecken können, darunter Vertrieb und Marketing, Finanzen, E-Mail und Zusammenarbeit, IT-Management, etc.. Das Bundle für E-Mail und Zusammenarbeit beinhaltet zum Beispiel außer den Office-Apps auch Projektmanagement, ein Planungs-Tool für agile Teams, Gruppenchat, Videokonferenzen, eine Webinar-Plattform und einiges mehr.
Im Durchschnitt 18 Apps pro Unternehmen
Dass der integrative Ansatz sich lohnt, beweist der bisherige Erfolg und die Nutzungsstatistik von Zoho One, dem All-In-One-Bundle des Herstellers. Abonnenten von Zoho One (je nach Lizenzmodell 30 oder 75 Euro pro Nutzer im Monat) haben Zugriff auf alle der über 45 Anwendungen – auch auf jede App, die neu hinzukommt. Mehr als 20.000 Firmen nutzen dieses Paket mittlerweile, das Zoho als „Betriebssystem fürs Unternehmen“ vermarktet. Jede vierte dieser Anwenderfirmen nutzt dabei mehr als 25 Anwendungen. Der Durchschnitt liegt bei der Nutzung von 18 Apps, Tendenz steigend.
Ist ein Anbieter, der so viele verschiedene Unternehmensbereiche mit seiner Software abdecken will, nicht zur Mittelmäßigkeit verurteilt? „Mit dieser Frage werden wir oft konfrontiert“, sagt Sridhar Iyengar. „Der Erfolg der Apps und die Bewertungen der Nutzer widersprechen dieser These. Außerdem werden alle Apps jeweils von einem eigenen Team von Spezialisten entwickelt und die Teams orientieren sich am Stand der Technik in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich.“
Eine Service-Ebene für alle Apps
Zwischen den zwei Ebenen der Zoho-Plattform und der Apps ist in jüngster Zeit eine dritte hinzugekommen, die Ebene der Services. Kommunikation in all ihren Facetten stellt beispielsweise einem solchen Service dar, der neben Chat, Videokonferenzen und Webinare nun auch Telefonie abdeckt. PhoneBridge heißt der Service, der die Telefonanlage mit der CRM-App verbindet. Auf diese Weise können bei jedem Anruf die Daten über den jeweiligen Anrufer automatisch aufgerufen werden, was eine wertvolle Hilfe für den Kundendienst und den Verkauf sein kann. Allen Apps zur Verfügung stehen soll irgendwann auch der KI-basierte digitale Assistent Zia.
Weitere Services betreffen das einheitliche Einloggen in alle Apps (Single Sign-On), das App-Management sowie die Implementation von Workflows, die Aktionen innerhalb und zwischen verschiedenen Anwendungen automatisieren. Zoho Sign wiederum unterstützt digitale Signaturen über ein Blockchain-basiertes Verfahren. Noch nicht in Deutschland erhältlich ist Catalyst, eine serverlose Entwicklungsplattform, auf der sich Microservices für die verschiedenen Apps bauen lassen. Abgerundet wird das Ganze durch das Zoho Marketplace, in dem Entwicklungspartner eigene Anwendungen sowie Erweiterungen für die Zoho-Apps angeboten werden.
Korrektur: In der ursprünglichen Fassung stand, dass Zoho seinen Hauptsitz in Austin, Texas, hat. Das war falsch und wurde inzwischen korrigiert. Zoho hat seinen Hauptsitz nach wie vor in Chennai, Indien. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
Schön, dass die Cloud-Angebote steigen und für KMUs durch den Wettbewerb dadurch erschwinglicher werden. Trotzdem bleibt das große Problem amerikanischer Hersteller, dass durch Trumps Cloud-Act der Zugriff auf Daten der Tochter-Unternehmen, auch wenn die Server in der EU stehen, gegen die DSGVO verstößt. Diese Unklarheit, die versucht wird mit „Privacy Shield“ und den „Standard-Vertragsklauseln“ zu legalisieren bleibt aber nach wie vor Stückwerk und steht gegen das EUGH-Urteil „..amerikanische Server sind unsicher..“.
Es wäre an der Zeit dass amerikanische Hersteller dies endlich in Ihrem Land regeln, oder die Tochtergesellschaften so rechtlich abkoppeln, dass kein Zwang mehr besteht, einen unkontrollierten amerikanischen Zugriff auf europäische Daten zu ermöglichen.
Vielen Dank für den Kommentar, Herr Knoblich, aber ich glaube, ich muss hier etwas gerade ziehen, das leider wir als Redaktion verbockt haben: In der ursprünglichen Version stand im Artikel, dass Zoho seinen Hauptsitz in Austin, Texas, hat. Das war falsch und wurde gestern Früh korrigiert. Zoho hat seinen Hauptsitz nach wie vor in Chennai, Indien, und betreibt für seine europäischen Kunden Rechenzentren in Irland und den Niederlanden. Insofern greift das Argument mit Privacy Shield und einen US-Zugriff auf Daten in diesem Fall nicht.