Zeit für Digitalisierung: Warum Firmen jetzt hinter die Buzzword-Parade schauen müssen
Hinter Begriffen wie Digitalisierung, Transformation, New Work oder digitalem Wandel versteckt sich eine moderne Arbeitswelt. Die trendigen Buzzwörter sind so schwammig und laut, dass sie viele Unternehmen abschrecken. Das muss aufhören.
Letztens war ein Webinar-Angebot mit der Fragestellung für mittelständische Betriebe zu lesen: „Betrifft mich die Digitalisierung auch?“ Die Erläuterung zum Webinar wurde dankenswerterweise gleich mitgeliefert: Es geht nicht um das „Ob“, sondern um das „Wie“. Das beruhigt. Denn es kann ja nicht sein, dass alle Welt seit Jahren über die digitale Transformation spricht, aber immer wieder die Frage auftaucht: Muss das sein?
In einem Bericht von Capgemini ist die Anzahl der Unternehmen, welche die digitale Technologien nutzen, um mit Kunden zu kommunizieren, interne Prozesse zu digitalisieren und Geschäftsmodelle zu entwickeln (Digital Capabilities) im Zeitraum von 2012 bis 2018 gleich geblieben. Nach wie vor sind es gerade einmal etwas mehr als ein Drittel. Und beim Thema, ob sie die Voraussetzungen dafür schaffen, den digitalen Wandel umzusetzen, inklusive Strategie, Unternehmensführung, benötigten Technologien sowie der Teilhabe der Beschäftigten, gingen die Ja-Stimmen sogar um zehn Prozent zurück. Nur noch 35 Prozent sehen sich in der Position, „Leadership-Fähigkeiten“ zu haben.
Hinter „Digitalisierung“ wartet eine andere Arbeitswelt
Woran liegt es, dass der digitale Wandel manchmal so langsam voranschreitet? Gut möglich, dass sich Unternehmensleitungen zwar mit der Digitalisierung beschäftigen, aber unsicherer werden, je mehr sie darüber erfahren. Tatsächlich türmen sich die Aufgaben, die heute nötig sind, um das eigene Geschäft auf digitale Füße zu stellen und in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein, meterhoch auf.
Doch auch wenn Unternehmen Digitale Transformation, Wandel, New Work oder Firmenkultur nicht mehr hören können: Vom Ohrenzuhalten geht diese Zukunft, die digital sein wird, nicht weg. Sie wird nur unübersichtlicher, je länger man wartet. Frank Eilers, der unter anderem mit „Arbeitsphilosophen“ einen Podcast zum Thema New Work betreibt, formuliert es so: „“Die Digitalisierung betrifft jeden Menschen, der/die nicht nach Alaska auswandert. Digitalisierung ist schon längst in jedem Leben angekommen. Egal ob man sich verweigert oder nicht.“
Für Unternehmen bedeutet das, besser jetzt mit konkreten Fragen zu beginnen: Wie wird in Zukunft produziert? Lassen sich Prozesse irgendwo beschleunigen? Wo lässt sich das Produkt am besten verkaufen? Woher kommt unser Know-how? Die Digitalisierung mit allen Facetten bietet viele Chancen, nicht nur technologisch. Hinter die Trendbegriffe zu schauen heißt, sich die Zeit zu nehmen und darüber nachzudenken, was diese für das eigene Unternehmen bedeuten. Begriffe bröckeln und werden zu realen Optionen, je klarer ihr Auftrag wird. In nicht wenigen Unternehmenslenkern reifen dann erste Pläne, die zu einer Digitalstrategie werden können. Darin enthalten: der Einsatz digitaler Konzepte in Geschäftsbereichen sowie die Idee neuer Geschäftsmodelle.
Mut zum Risiko
Solche Veränderungen erfordern Mut und grundsätzlich neigt der Mensch dazu, eher erst einmal das zu sehen, was er verliert, statt an das zu denken, was er gewinnen könnte. Auf das Tagesgeschäft übertragen: Wenn es im Betrieb gerade gut läuft, geht doch niemand das Risiko ein, jetzt etwas zu ändern.
Aber das ist zu kurz und oberflächlich gedacht. Wenn in ein paar Jahren die Firma vor der Pleite steht, weil interne Prozesse zu langwierig, Geschäftsmodelle veraltet und Beschäftigte frustriert sind, weil nichts vorwärts geht, dann müsste eine digitale 360-Grad-Wende her. Doch die führt nicht mal eben so zum Erfolg, schon gar nicht wenn man bedenkt, dass es unmöglich ist, über Nacht auf digitale Arbeits- und Entscheidungsweisen sowie eine neue Kultur umzuschalten. Jetzt zu behaupten, die Digitalisierung gehe einen nichts an, kann morgen das Ende der Firma bedeuten.
Etappenziele nehmen Tempo raus
Die digitalen Buzzwörter schiebt man auch deshalb so gern beiseite, weil sie schlicht Arbeit bedeuten, wenn man hinter die Fassade blickt: Man braucht Leute, die eine Digitalstrategie erarbeiten und an die Belegschaft bringen, und Persönlichkeiten, die einfach mal machen. IT-Fachleute müssen sich um die Implementierung von Technologie kümmern, nachdem sie analysiert haben, welche der Betrieb braucht. Alle in der Firma sollen auf einem digitalen Stand sein, der es ihnen ermöglicht und sie motiviert, digitale Tools und Arbeitsweisen zu nutzen. Notwendig dafür ist eine Unternehmensatmosphäre, die geprägt ist von Aufbruchstimmung, dem Spaß an technologischen Experimenten (beispielsweise mit KI-Systemen), Fehlertoleranz, Kommunikation, Transparenz, IT-Sicherheit, Vertrauen in den Datenschutz.
Es macht keinen Sinn, alles auf einmal zu wollen und vor allem macht es keinen Sinn, schon vor Beginn zu kapitulieren. Gerade weil der digitale Wandel überall eingreift und sich noch dazu die Ideen und Möglichkeiten so schnell verändern. Sinn aber macht, sich einzelne Projekte vorzunehmen und auszuprobieren, ob digitale Technologien diese unterstützen können: Wenn sich das Einkaufsverhalten von Kunden ändert, weil Online-Shopping so viel bequemer ist als in den Laden zu gehen, ist es an der Zeit, die eigene Verkaufsstrategie zu überdenken. „Wir brauchen da mal ne App“ ist auch noch keine Digitalisierung, aber ein Anfang.
Keine Angst vor der Firmenkultur
Bei Begriffen wie New Work und Firmenkultur wird es knifflig. Digitale Firmenkultur hat etwas mit gesundem Menschenverstand, Respekt und Wertschätzung zu tun – also Eigenschaften die irgendwann im Tagesgeschäft verlorengegangene sind.
Der gesunde Menschenverstand sagt beispielsweise: Wenn Du es alleine nicht schnell und gut hinkriegst, frag andere. Heute heißt das Collaboration, ist aber nichts anderes als Gruppenarbeit, die sich durch geteiltes Wissen auszeichnet und effizienter ist. Diese Collaboration, also die Zusammenarbeit, bezieht sich nicht nur auf interne Gruppen, sondern auch von außen kommen wichtige Impulse, die es zu integrieren gilt. Kunden und Partner werden zu Mitentwicklern, deren Meinung im Unternehmen akzeptiert wird und Gewicht hat.
Beispiel ISPO: Das Sportnetzwerk bietet auf der digitalen Plattform Open Innovation Unternehmen die Gelegenheit, Endkunden als Tester und Mitentwickler für den Innovationsprozess ins Boot zu holen. Die Innovationszyklen werden auf diese Weise verkürzt und es kommt ein Produkt heraus, das der Kunde auch wirklich will. Es gilt, die Belegschaft zu motivieren, ihr Wissen mit anderen zu teilen und neue Impulse von außen zuzulassen. So etwas gelingt mit Hilfe von digitalen Tools oder einem modernen Intranet. Voraussetzung ist, dass die Arbeitenden die Zeit haben, sich die neuen Dinge anzueignen. auch das ist Teil der neuen Kultur.
Respekt und Wertschätzung sind unter anderem gegeben, wenn Mitarbeiter ernst genommen werden. Dazu hat sich der Begriff „Entrepreneurship“ herausgebildet, der sich zwar mit „Unternehmertum“ übersetzen lässt, aber nicht nur die Chefetagen, sondern auch die Mitarbeiter betrifft. Sie verfügen über wichtiges Know-how und Unternehmen tun gut daran, sie bei Produkten oder Konzepten mitgehalten zu lassen. „New Work“ (wieder so ein Trendwort) erweitert den Gedanken – New Work zeichnet sich durch Eigenschaften wie persönliche Vernetzung, Entfaltungsmöglichkeiten, Selbstbestimmung und Teilhabe aus. Mitarbeiter rücken mehr in den Mittelpunkt, weil letztlich sie es sind, die den digitalen Wandel im Unternehmen leben. Der Druck auf Unternehmen ist groß, jetzt aktiv zu werden und die Fassade der Buzzwords für sich niederzureißen.