„Wir brauchen mal ne App“ ist noch keine Digitalisierung – aber vielleicht ein Anfang

Digitalisierung bedeutet nicht, das gesamte Unternehmen von jetzt auf gleich in Frage zu stellen. Viel wichtiger ist, so zeigen Erfahrungsberichte, sich einzelne Bereiche vorzuknöpfen und deren Transformation voranzutreiben. Etappenziele können schon viel bewirken.

Jeder kennt sie, irgendwie will man sie auch, die meisten haben Angst vor ihr und die wenigsten wissen, was zu tun ist. Soweit die aktuelle Lage in Unternehmen beim Thema Digitalisierung. Doch statt zu zögern und den digitalen Wandel am Ende ganz ad acta zu legen, können Unternehmen Prioritäten setzen. Keineswegs müssen alle Bereiche zeitgleich angepackt werden und der Betrieb für eine Weile dicht machen — selbst wenn die Produktion zu manuell, das Marketing zu horizontal und der Außendienst zu Excel-lastig sind. Die zentrale Frage lautet: Wo macht eine Digitalisierung in meinem Unternehmen jetzt am meisten Sinn?

CEO Christian Berner führt die digitale Evolution der Berner Group an.
CEO Christian Berner führt die digitale Evolution der Berner Group an. (Quelle: Business User)

Loslegen in kleinen Schritten kann sogar von Vorteil sein. Technologien zur Digitalisierung von Produkten und Prozessen verändern sich selbst gerade derart schnell, dass, wer in Etappen arbeitet, Fehler schneller korrigieren kann. „Wir brauchen da mal ne App“, ist noch keine Digitalisierung. Aber es ist vielleicht ein Anfang. Es gilt, den Mut aufzubringen zu starten, mit einem Plan, der aber genau so flexibel sein sollte wie seine Umsetzung. Auf einer Veranstaltung zum Thema Digital Business haben Experten und Insider ihre Erfahrungen und Lösungsansätze mit dem Publikum geteilt.

„Wenn Du vorher verkorkste Prozesse hattest, hast Du sie nachher auch“

Ein Traditionsunternehmen umzukrempeln ist eine Mammutaufgabe: Jeder Außendienstler macht seit Jahren sein eigenes Ding, Werbung gibt es nur im Lokalblatt und die Webseite informiert über das Nötigste. Christian Berner hat das Traditionsunternehmen Berner in einem ähnlichen Zustand von seinem Vater übernommen. Die Berner Group verfügt über ein vielfältiges Portfolio, von Profi-Werkzeug für Handwerker über Ausstattung für Kfz-Werkstätten bis hin zu Spezial-Reinigungsmitteln, mehrere gut etablierte Marken und beschäftigt weltweit rund 8.500 Mitarbeiter.

Berner hat sich an eingefahrene Prozesse gemacht und begonnen, mit der „Ach das passt schon“-Mentalität aufzuräumen. Seine wichtigste Erfahrung: Die Digitalisierung führt vor Augen, dass es nicht funktioniert, Dinge einfach laufen zu lassen. „Wenn Du vorher verkorkste Prozesse hattest, hast Du sie nachher auch“, lautet sein Fazit. Er sagt: „Wir waren völlig unstrukturiert.“

Unter anderem hat er beendet, dass Außendienstmitarbeiter bei Stammkunden individuelle Preise und Rabatte gewährten. Berner holte die Preishoheit, die Produkthoheit und die Kundenhoheit zurück ins Haus. Für die Digitalisierung müsse man „radikal zentralisieren, soweit wie möglich harmonisieren und dann wieder dezentralisieren“. Seit er 2012 den Vorstandsvorsitz übernahm, mit 28 Jahren, packt er alle Abteilungen und Prozesse nach und nach an, vom Einkauf bis zum Vertrieb. „Wir wissen, dass wir Fehler machen. Aber das akzeptieren wir, lernen daraus und gewinnen gemeinsam.“

Die ‚Customer Journey‘ muss Teil der mobilen Strategie sein

Customer Journey ist auch so ein Bereich, der mit der Digitalisierung erst richtig aufkam. Den Verbraucher ab ersten Besuch auf der Webseite oder im Laden zu begleiten und ihn am Ende zu überzeugen, das Produkt zu kaufen, kann wettbewerbsentscheidend sein.

Elisabeth Heinemann hält eine erfolgreiche Customer Journey ohne mobile Strategie für unmöglich.
Elisabeth Heinemann hält eine erfolgreiche Customer Journey ohne mobile Strategie für unmöglich. (Quelle: Kristine Pogge)

Elisabeth Heinemann thematisierte diese „Reiseplanung“, also das, was Unternehmen im Zusammenspiel mit modernen Verbrauchern beachten sollten. Die promovierte Wirtschaftsinformatikerin, Professorin, Rednerin und Kabarettistin rät hierbei im ersten Schritt zu einer mobilen Strategie. Dabei gehe es nicht darum, dem Vertrieb ein Smartphone in die Hand zu drücken. Das sei genauso wenig Digitalisierung wie die Entwicklung einer App mit der Begründung, dass man das doch heutzutage so mache – und ganz ohne Klärung der Frage, wem hier eigentlich welcher Mehrwert verschafft werden soll.

Man müsse akzeptieren, dass das klassische Customer Relationship Management tot sei, da Kunden heute ihre „Relationship“ selbst gestalteten. Das (mobile) Internet werde zum Point-of-Sale und der stationäre Handel müsse sich neu erfinden. Nach und nach könne man an entscheidenden Stellschrauben drehen. Beispielsweise seien Informationen in Form von Daten unerlässlich, um den Kunden kennenzulernen und die erwähnte Customer Journey von Verbraucherseite aus zu beginnen. Und das, ohne dass Kunden mit der Technik in Berührung kommen oder gar von ihr gebremst werden, ergänzte Carsten Szameitat, Gründer der deutschsprachigen Vertretungen des globalen Verbandes Location Based Marketing Association, LBMA, in seinem Vortrag.

Was macht die Personalabteilung mit der Digitalisierung?

Joachim Skura sieht auf HR-Abteilungen massive Veränderungen zukommen.
Joachim Skura sieht auf HR-Abteilungen massive Veränderungen zukommen. (Quelle: Oracle)

Auch das Personalwesen kann so eine eingangs erwähnte Etappe zur digitalen Transformation sein. „Personalabteilungen sind unter Druck“, sagte Joachim Skura, Strategy Director HCM Applications bei Oracle. Sie müssen nicht nur neue Mitarbeiter anheuern oder Urlaubstage verwalten. HR (Human Resources) ist verantwortlich dafür, dass die Beschäftigten sich wahrgenommen fühlen, ihnen Weiterbildungsangebote gemacht werden und insbesondere dafür, dass sie eine Aufgabe im Unternehmen finden, für die sie sich begeistern können. Studien zufolge erhöht sich damit das „Engagement“ – das, was man mit dem „Einsatz für das Unternehmen“ übersetzen könnte. Kein Wunder, dass die optimalere Nutzung der Mitarbeiterfähigkeiten im Trend liegt.

Laut Skura täten sich Unternehmen beispielsweise mit auf Mitarbeiter statt auf Firmen zugeschnittenen Jobs noch schwer und wollten keine Fehler machen. Helfen könne die Digitalisierung der Arbeitsprozesse. „Wenn Aufgaben im Unternehmen personenindividueller verknüpft werden, steigert das die Produktivität und fördert die eigene Motivation. Für die reale und realistische Karriereentwicklung ist das ein zentrales Element. Daten geben hier Stabilität“,  so Skura.

Auch bei der Talentsuche setzen Personaler zunehmend auf datengetriebene Recruting-Kampagnen. Das klassische ‚Post&Pray‘ habe ausgedient. Wer auf Mitarbeitersuche gehe finde heute keine Fachkräfte mehr, indem er eine Anzeige in der Zeitung oder einem Onlineportal einstellt (post) und hofft (pray), es mögen sich ein paar Talente melden.

Oracle, Veranstalter des fünften Oracle’s Digital Business Dialog, bei dem die Experten zu Wort kamen, verschiebt die Talentsuche und viele weitere Aufgaben der Personaler in die Cloud. Die HCM-Cloud (Human Capital Management) des Herstellers unterstützt die Personalabteilung beispielsweise, mit Hilfe digitalisierter Informationen die richtigen Recruting-Kanäle zu finden und Stellenanzeigen effektiv zu platzieren. Ein Digitalisierungsprojekt in der Personalabteilung kann dann Priorität haben, wenn das Unternehmen händeringend nach Fachkräften sucht, bisher aber nicht den richtigen Kanal gefunden hat.

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