Im Auftrag der Digitalisierung: Wie aus frustrierten ITlern Digital-Botschafter werden können
Die Frage, wer die digitale Transformation im Unternehmen vorantreiben soll, ist eigentlich geklärt: alle. Und doch lastet ein Großteil auf der IT-Abteilung. Die fähigsten IT-Fachkräfte würden wollen, verzweifeln aber am Unwillen ihres Arbeitgebers, den Wandeln anzupacken.
Wenn Unternehmen in den nächsten zehn Jahren konkurrenzfähig sein wollen, dann ist es jetzt höchste Zeit, die digitale Transformation anzustoßen. Jeder weiß zwar mittlerweile, dass von der Management-Ebene über die Personalabteilung bis zu den Mitarbeitern alle mithelfen müssen. Und doch wird die Initialzündung von der IT-Abteilung erwartet.
Technologie bringt Erleichterung. Dahinter steckt Schwerstarbeit.
Sie muss für alle anderen Fachabteilungen die Vorteile digitaler Prozesse „erlebbar machen“, wie man heute sagt. Will heißen: Die Kollegen brauchen greifbare Vorteile, sonst werden Neuerungen nicht angenommen. „Wenn die IT-Abteilung nutzerfreundliche Lösungen einführt, damit Kollegen manuelle Prozesse automatisieren und Medienbrüche bei Dokumenten und Formularen eliminieren können, dann steigt die Effizienz von Arbeitsabläufen im gesamten Unternehmen“, sagt Felix Gremlich, EMEA-Vertriebschef bei Nintex. Der Anbieter von Automationslösungen kommt in seiner IT-Anwenderstudie mit der Befragung von IT-Entscheidern in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum Ergebnis, dass „ineffiziente Prozesse in der IT wie ein Hemmschuh bei der Erreichung geschäftlicher Ziele wirken.“
Das Management macht sich gerne was vor
Das gilt auch intern für die IT-Abteilung. Gerade die allerdings hat es alles andere als einfach. Denn trotz digitaler Kompetenz und dem persönlichen Ansporn, Dinge zu verändern, kommt sie nicht voran. Die Krux: Für Kunden und Mitarbeiter soll alles einfach und intuitiv laufen, Techniker jedoch stehen vor unglaublich komplexen Aufgaben, um diese Leichtigkeit nach außen zu ermöglichen. Noch dazu liegt es an ihnen, die richtige, zukunftsfähige IT-Infrastruktur zu finden und selbst das Tagesgeschäft nicht zu vergessen („Der Drucker geht nicht“). Für das alles mangelt es meistens an Budget, Zeit für strategische Planung und Expertise.
Nur 22 Prozent von 1.000 befragten Technikern aus Deutschland, den USA, Großbritannien, Frankreich und Australien in einer neuen Studie von AppDynamics (Agents of Transformation Report) sagen, ihr Unternehmen könne dem technologischen Wandel folgen. Das ist nicht viel. Zu wenige Unternehmen unterstützten sie, die ITler, dabei, wirklich gut zu sein und den von ihnen erwarteten Impuls in alle Abteilungen zu tragen. Wie lässt sich das ändern?
Diese ernüchternde Zahl steht in krassen Gegensatz zur Wahrnehmung des Managements darüber, wie weit ihr Unternehmen bei der digitalen Transformation tatsächlich ist. Laut einer weltweiten Studie des indischen IT-Dienstleisters Tata Communications glauben 41 Prozent der Unternehmenslenker und 33 Prozent des oberen Managements, dass ihr Unternehmen bei der Einführung neuer Technologien in der eigenen Branche führend ist. Diese Ansicht teilen aber nur 14 Prozent ihrer Abteilungsleiter. „Es wird klar, dass es eine Kluft zwischen Wahrnehmung und Realität gibt, die mit der zunehmenden Innovationsgeschwindigkeit zwischen den verschiedenen Ebenen in Unternehmen entsteht“, sagt CR Srinivasan, Chief Digital Officer bei Tata Communications. Hier sei ein Reality Check dringend nötig.
Desillusionierte Träumer, schlummernde Helden – IT-Fachleute brauchen Platz und Chancen
In vielen IT-Mitarbeitern schlummert ungenutztes Potenzial, das sie selbst gern für das Unternehmen und sich selbst nutzen würden: Sie verfügen über digitale Kompetenz und wollen lernen. 76 Prozent der Befragten der AppDynamics-Studie sagen, neue Technologien würden ihnen ermöglichen, sich selbst weiterzuentwickeln.
Das sind eigentlich gute Voraussetzungen, die besten Talente zu „Agents of Transformation“ zu machen: leidenschaftlichen Visionären mit dem Hunger, der Expertise und dem Durchhaltevermögen, die Digitalisierung auf den Weg zu bringen. So nennen die Studienautoren die Königsklasse der IT-Fachleute, die sich zudem durch Eigeninitiative in Sachen Mitarbeiterentwicklung auszeichnen. Aktuell treffe das aber nur auf 9 Prozent zu. Dabei müsste die Hälfte der IT-Angestellten solche Vorreiter sein, um wirklich etwas zu verändern, heißt es in der Studie.
58 Prozent sagen, ihre Arbeit sei so reaktiv, sie hätten schon vergessen, was sie an dem Job mal gereizt hat.
Unternehmen müssten die Voraussetzungen schaffen, dass IT-Fachkräfte nicht als desillusionierte Träumer ihren Dienst verrichten und als frustrierte Innovatoren, schlummernde Helden oder gar digitale Pioniere unfreiwillig unter ihren Möglichkeiten bleiben. Arbeitgeber sollten ihnen kreativen Freiraum und den Zugang zu Tools für die Datenanalyse gewähren, um Ideen auszuprobieren und umzusetzen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchten die Zeit, sich digital weiterzubilden und eine Fehlerkultur, die zu mehr Selbstvertrauen führt sowie Strukturen, die innovative Ideen fördern, resümieren die Studienverantwortlichen. Alles andere bringe unmotivierte Beschäftigte hervor, die nicht wüssten, wofür das alles.
Diese Zahlen dürften Unternehmen nicht gefallen, die eigentlich Vorreiter der digitalen Transformation sein möchten:
- 26 Prozent der IT-Profis sind unterfordert
- 60 Prozent haben zu viel mit der Wartung bestehender Systeme zu tun
- 59 Prozent reagieren bei der Arbeit statt zu agieren
- 86 Prozent sehen ihren Arbeitgeber in Sachen digitale Kompetenzen im Rückstand
- 58 Prozent sagen, ihre Arbeit sei so reaktiv und es gelte, immer nur irgendwo kleine Brände zu löschen, sie hätten schon vergessen, was sie an dem Job anfänglich so gereizt hat
Es gibt viele Wege, das Know-how und die Motivation der IT-Abteilung zu nutzen. Alleine kann sie die Digitalisierung nicht stemmen, weil sie heillos überfordert ist. Ob am Ende ein Chief Digital Officer den Hut auf hat und ein Digital-Team führt oder ob die Last in einem Digital Transformation Office, in dem auch IT-Fachkräfte mitarbeiten, auf mehrere Schultern verteilt wird, bleibt Unternehmen überlassen. Nur sollten sie ihre IT stärker involvieren und ihnen zeitliche und Budget-Freiräume schaffen, um sich endlich einzubringen.