Digitalstrategie der Regierung: Das sind die Pläne für die Arbeitswelt

„Digitalisierung ist keine Naturgewalt, wir können das beeinflussen“, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz bei der Präsentation der Digitalstrategie. Im Bereich Arbeitswelt will der Bund besonders lebenslanges Lernen fördern und bei der KI-Entwicklung nie den Menschen aus den Augen verlieren.

Die Digitalisierung, zu der auch die Entwicklung Künstlicher Intelligenz zählt, verändere die Art wie wir in Zukunft arbeiten und produzieren, sagte Finanzminister Scholz bei der Pressekonferenz am 15. November 2018. So ist es auch in dem Strategiepapier definiert: Die Arbeit der Zukunft wird sich durch Automatisierung und Digitalisierung deutlich von der Arbeit unterscheiden, so wie wir sie heute kennen. „KI hat Auswirkungen auf Anforderungen, Kompetenzen, Arbeitsplätze, Arbeitsorganisation und Arbeitsbeziehungen“, kurz alles was die Arbeitswelt ausmacht. Ein Teil der Investitionen von insgesamt drei Milliarden Euro für die Umsetzung der KI-Strategie soll daher sowohl in die Weiterentwicklung der Technologie als auch in eine soziale Technikgestaltung und die Kompetenzen der Erwerbstätigen fließen.

Deutschland ist bei KI nicht Spitze, soll es aber werden.

Noch heißt das bei der Bundesregierung aber: Weniger konkrete Maßnahmen, mehr Forschung. Denn Deutschland hat in Sachen KI keine Spitzenposition und ist bei der digitalen Transformation in der Arbeitswelt noch zu unerfahren. Studien zeigen, dass deutsche Unternehmen mit erheblichen Schwierigkeiten kämpfen, allerdings nicht immer unbedingt technischer Natur. Oft fehlen die digitalen Kompetenzen, sowohl bei Führungskräften als auch bei der Belegschaft.

Sehr viel Forschung, wenig Praxis

Welche Auswirkungen intelligente beziehungsweise autonome Systeme auf die Arbeitswelt haben, soll laut der KI-Strategie der Bundesregierung zunächst ein Deutsches KI-Observatorium beobachten. Themen wie Technikfolgenabschätzung und gesellschaftliche Wechselwirkungen stehen im Vordergrund, aber auch proaktive Maßnahmen wie Studien sind geplant. Da Deutschland im Bereich KI noch zu wenig Erfahrung hat, unterstützt die Regierung die internationale Einrichtung derartige Observatorien, die sich vernetzen und austauschen. Die Ergebnisse der Observatorien sollen in Leitlinien münden, die Betriebe für ihr Audit nutzen können, um die Schnittstelle Mensch-Maschine sowie Gesundheits- und Datenschutz zu analysieren.

Mitte 2019 soll der Entwurf für eine nationale Weiterbildungsstrategie vorliegen, die das Thema lebenslanges oder, wie es bei der Regierung heißt, lebensbegleitendes Lernen aufnimmt. Ziel ist eine neue Weiterbildungskultur, zu erreichen durch gebündelte Weiterbildungsprogramme des Bundes und der Länder und ausgerichtet auf die Bedarfe der Erwerbstätigen. Denn: Lernen beschränke sich heute nicht mehr auf den Alterszeitraum 17 bis 27, wie es vielleicht früher der Fall war, so Scholz. Auch ältere Erwerbstätige bis Ende 50 müssten in Weiterbildungsprogramme aufgenommen werden.

Mehr Geld für kleine und mittelständische Unternehmen bei der Weiterbildung.

Das Qualifizierungschancengesetz soll ein erster Schritt für eine Offensive der Regierung am Arbeitsmarkt sein. Es sieht vor, vor allem denjenigen Beschäftigten Fortbildungen anzubieten, oder zumindest teilweise zu bezahlen und Lohnzuschüsse zu gewähren, deren Arbeit durch Technologien wegfallen könnten. Kleine und mittelständische Unternehmen sollen dabei deutlich mehr Geld erhalten als große Unternehmen. Auch die Beratung von Erwerbstätigen durch die Bundesagentur für Arbeit wird ausgebaut und weiterentwickelt.

Die Bemühungen fußen auf der berechtigten Annahme, dass durch die Digitalisierung Arbeitsplätze wegfallen. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) 1,5 Millionen Jobs bis 2035. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sprach gegenüber der FAZ von 1,3 Millionen Jobs bis 2025. Allerdings würden auch 2,1 Millionen neue geschaffen, nahm dabei aber nicht explizit Bezug auf die Digitalisierung. Bei der Pressekonferenz sagte Bundeskanzlerin Merkel, zusammen mit dem demografischen Wandel, der dazu führe, dass auch viele Arbeitnehmer bald altersbedingt wegfielen, könnte sich das die Waage halten.

Für die Fachkräfteentwicklung hat sich die Bundesregierung ebenfalls eine Strategie ausgedacht. Die Basis dafür ist ein System des Fachkräftemonitorings, das branchenübergreifend inländische und internationale Fachkräftepotenziale auslotet und künftige Kompetenzbedarfe aufzeigt. Inländische Fachkräfte sollen damach mit Hilfe der nationalen Weiterbildungsstrategie gefunden werden, bei den internationalen Fachkräften spielen Themen wie Mobilität und Partnerschaften eine große Rolle.

Der Mensch im Mittelpunkt

Die KI-Strategie sei von allen Beteiligten und Sozialpartner zu tragen, fordert die Bundesregierung. Ein Gegengewicht zur rein marktwirtschaftlichen Betrachtungsweise von KI müsse der Betriebsrat bilden. Dessen Initiativrecht will der Bund stärken und die betrieblichen Mitbestimmungsrechte bei der Einführung und der Anwendung von KI sichern beziehungsweise klarstellen.

Je offener alle mit dem Thema umgehen um so mehr lernen sie darüber, verlieren die Angst und können mögliche Denkmuster aufbrechen.

Dazu zähle auch, dass KI bei der Personalwahl beobachtet werden müsse. Wenn Algorithmen im Rahmen von Bewerbermanagement-Tools eine Auswahl treffen, soll der Betriebsrat bei Auswahlrichtlinien für Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen mitentscheiden. Fehlen Betriebsrat und Arbeitgeber dazu das Know-how, soll gesetzlich festgelegt werden, dass man sich auf die Hinzuziehung eines entsprechenden externen Sachverständigen einigt.

Der menschenzentrierte Ansatz der Bundesregierung ist durchaus zu spüren und das ist vor dem Hintergrund, dass Digitalisierung und Künstliche Intelligenz bei vielen ein Schreckgespenst ist, gut. Der Tenor: Je offener alle mit dem Thema umgehen, umso mehr lernen sie darüber und können mögliche Denkmuster aufbrechen. Denn selbst wenn man nicht viel von einer digitalen Zukunft hält, sie wird kommen.

Die KI-Strategie der Regierung drängt daher darauf, die Aufgabenverteilung zwischen Menschen und Maschinen neu auszuhandeln. Technik soll dabei den Menschen unterstützen und entlasten, so dass er sich mit spezifisch menschlichen Fähigkeiten wie Empathie, Kreativität und dem Finden von Lösungen in komplexen Situationen einbringen könne. Dafür müsse sich die Technik an den Bedürfnissen des Menschen orientieren. „Wir wollen dafür Sorge tragen, dass die Erwerbstätigen bei der Entwicklung von KI-Anwendungen in den Mittelpunkt gestellt werden“, heißt es.

Ganz praktisch ausgerichtet sieht die Strategie die Einrichtung betrieblicher Experimentierräume vor, die die Chance bieten, Auswirkungen von KI und Maschinellem Lernen am Arbeitsplatz auszuprobieren, zu beobachten und anzupassen. Geld dafür gibt sie aber vorerst nicht.

Initiativenmarathon für KI

Bestandteil der KI-Strategie im Zusammenhang mit der Arbeitswelt sind außerdem:

  • Der bereits beschlossene Digitalpakt Schule, der eine moderne Bildungsinfrastruktur vorsieht und die Länder unter anderem dazu verpflichtet, Lehrkräfte entsprechend auszubilden. Der Digitalpakt gilt zunächst für fünf Jahre (voraussichtlich 2019 bis Ende 2023) und umfasst ein Volumen von insgesamt bis zu 5 Milliarden Euro.
  • In regionalen Zukunftszentren sollen die unterschiedlichen Unterstützungsbedarfe der Regionen und Branchen evaluiert werden. Erste Modellversuche sollen in den ostdeutschen Bundesländern etabliert und alle Gruppen, von Beschäftigten und Betriebsräten über Führungskräfte bis hin zu Trägern der beruflichen Weiterbildung sowie für Selbständige, miteinbezogen werden.
  • Die Bundesregierung will sich zudem der Verbreitung von Plattformarbeit (Crowdworking) widmen. Die Arbeitsbedingungen sind hierbei nur unzureichend geregelt. Anfang 2019 soll mit der Ermittlung der Bedarfe begonnen werden. Regulatorische Ergebnisse sind aber nicht vor 2020 zu erwarten.
  • Um Start-ups und vor allem KI-basierte Geschäftsmodelle besser zu fördern, plant die Regierung Anreize für Investoren zu schaffen und Impulse für mehr Gründungsdynamik zu geben. Dabei blickt sie hauptsächlich auf Ausgründungen.

Schluss mit Neuland

Mit der Bereitstellung von drei Milliarden Euro bis 2025 für die Umsetzung der Strategie stellt die Bundesregierung zum Teil mehr Budget als andere europäische Länder investieren wollen. Frankreich beispielsweise hat bis 2023 1,5 Milliarden Euro eingeplant. Ob es reicht um die Ziele, darunter die Marke „Made in Germany“ auch für KI-Systeme zu etablieren, dürfte mit Nein zu beantworten sein. Dennoch: Die KI-Strategie ist ein Zeichen dafür, dass die Bundesregierung viele Bereiche ausgemacht hat, die dringend weiterentwickelt werden müssen. Das Thema Neuland dürfte damit endgültig beendet sein.

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