Digitalisierung in deutschen Unternehmen: Die größten Baustellen

Die Umstellung der Geschäftsprozesse und die Sicherung von Fachkräften sind die Themen, die deutsche Unternehmen zur Zeit am stärksten zu schaffen machen – aber nicht die einzigen. Das Trendbarometer der ifaa zeigt alle auf.

„Läuft bei uns!“ Um diesen Satz mit guten Gewissen aussprechen zu können, sind Unternehmen auf eine funktionierende Organisation von Prozessen angewiesen. Diese Abläufe, neudeutsch ‚Workflows‘, umfassen die gesamte Wertschöpfungskette – von der Warenwirtschaft, Produktion und Logistik über Personal- und Rechnungswesen bis hin zu Marketing- und Vertriebskonzepten. In allen Bereichen sollen die Prozesse kontinuierlich optimiert werden. Das wird aktuell zunehmend schwierig, weil geeignete Fachkräfte fehlen und die Digitalisierung Unternehmen zwingt, traditionelle Abläufe zu hinterfragen und neu zu organisieren.

Für viele Unternehmen sind Fachkräfte Mangelware. Daher rückt das Thema bei Unternehmen immer weiter in der Bedeutung nach oben. (Bild: ifaa)

Laut dem aktuellen Trendbarometer des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) ist die Suche nach Experten für Unternehmen jeder Größenordnung zur zweitwichtigsten Herausforderung geworden. Vor allem in den letzten beiden Jahren stieg die Bedeutung der Fachkräftegewinnung kontinuierlich an. Und auch Themen wie Vernetzung und Digitalisierung sowie Industrie 4.0 bahnen sich ihren Weg weiter nach oben. „Unternehmen lassen die reine Informationsphase hinter sich und beginnen, eigene Ideen umzusetzen und zu verstehen, was Digitalisierung und Industrie 4.0 für ihren Betrieb bedeutet“, kommentieren die Studienautoren.

Arbeit, die sich der Lebenssituation anpasst – nicht umgekehrt

Der Anforderungsmix aus Fachkräftemangel und digitaler Transformation hat weitreichende Konsequenzen für unterschiedliche Bereiche: Dass der bei Unternehmen aller Größenordnungen abgefragte Komplex ‚Arbeitszeitflexibilität‘ als relevantes Thema wahrgenommen wird, ist die Folge der nicht zuletzt durch die Digitalisierung möglich gewordenen neuen Arbeitsmodelle. Gleiches gilt für ‚Mobile Arbeit‘ und den zum ersten Mal vor fünf Jahren abgefragten Punkt ‚Lebenssituationsabhängige Arbeitszeiten‘ – auch diese Themen werden zunehmend wichtiger. Denn mit diesen Stellschrauben versuchen Unternehmen nicht nur wettbewerbsfähig zu bleiben, sondern sich auch als potentielle Arbeitgeber aufzuhübschen.

Mobiles Arbeiten, flexible Arbeitszeiten, digitale Infrastrukturen und Prozesse entwickeln nämlich bei der Suche nach geeigneten, kompetenten Kandidaten eine besondere Wirkung: „So kann ein Unternehmen es schaffen, neue Mitarbeiter, denen bisher die Möglichkeit zur Berufstätigkeit fehlte, Teilzeitkräfte wie Mütter oder Väter, zu aktivieren“, erläutern die ifaa-Experten. Inzwischen ringen Unternehmen um Fachkräfte auch, indem sie ihnen Möglichkeiten wie Homeoffice oder Konzepte für die individuelle Work-Life-Balance anbieten.

Der Fachkräftemangel betrifft Unternehmen aller Größenordnungen. (Bild: ifaa)
Der Fachkräftemangel betrifft Unternehmen aller Größenordnungen. (Bild: ifaa)

„Die Experten unserer Studie sind sich einig: Die Lösung liegt unter anderem in dem Ausbau von Digitalisierung & Industrie 4.0, stetiger Prozessoptimierung und in der Erhöhung der Arbeitszeitflexibilität“, fasst Sascha Stowasser, Direktor des ifaa, zusammen. Dennoch: im ifaa-Ranking finden sich diese Themen noch im untersten Drittel der Prioritätenliste. Flexible Regelungen und Konzepte auf der Basis neuer technologischer Möglichkeiten bergen zudem Tücken und Fallstricke: Eine vor allem auf die Bedürfnisse von kleinen und mittelständischen Unternehmen zielende Checkliste soll bei der Umsetzung solcher Strategien helfen.

Fokusthemen hängen von der Unternehmensgröße ab

Die Trends, Fachkräftesicherung, Prozessorganisation und Digitalisierung, sind bei den verschiedenen Unternehmensgrößen relativ gleichmäßig gesetzt. Das gilt nicht für die Entwicklung im Bereich ‚Mobile Arbeit‘.  Darum kümmern sich aktuell vor allem Unternehmen ab 500 Mitarbeitern. Betriebe mit bis zu 99 Beschäftigten haben ihre Agenda noch nicht darauf ausgerichtet.

Das wird sich aber voraussichtlich ändern, wenn man einen Blick auf die die Erwartungen der Unternehmen für 2019 wirft. Das Thema ‚ ortsunabhängig zu arbeiten‘ macht den größten Sprung. Digitalisierung/Industrie 4.0 bleibt Topthema, gefolgt von den Themenkomplexen ‚Prozessorganisation‘ und ‚Fachkräfteabsicherung‘.

Vorausblick auf 2019: Die Kandidatensuche geht weiter. (Bild: ifaa)
Vorausblick auf 2019: Die Kandidatensuche geht weiter. (Bild: ifaa)

Auf Platz 4 rangiert ‚Arbeitszeitflexibilität‘, hinter ‚Arbeitsbezogene psychische Belastung‘ und ‚Lebenssituationsabhängige Arbeitszeiten‘. Die erwartete Steigerung bei psychischen Belastungen könnte ein Indiz dafür sein, dass die weitere Entwicklung im Arbeitsbereich trotz oder gerade wegen der höheren Flexibiltität auch neue Herausforderungen und höhere Belastungen für die Mitarbeiter mit sich bringt. Laut einer Studie des US-Dienstleisters Insight Enterprises stellt die Digitalisierung vor allem die IT-Abteilungen vor große und teilweise zu große Herausforderungen.

Keine Entspannung in Sicht

Die Einschätzung der Unternehmen, dass die ‚Fachkräfteabsicherung‘ weiterhin eine wichtige Herausforderung sein wird, stützen auch Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Aufgrund einer leichten konjunkturellen Abkühlung habe sich das IAB-Arbeitsmarktbarometer auf hohem Stand stabilisiert. „Der Beschäftigungsaufschwung in Deutschland geht weiter“, so Enzo Weber, Leiter des IAB-Forschungsbereichs „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“. Im März hatte die Bundesagentur für Arbeit einen Rekordstand von 1,2 Millionen Stellen gemeldet, die nicht besetzt werden könnten. Eine Entspannung am Arbeitsmarkt scheint derzeit eher unwahrscheinlich.

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