„Niksen“: Der Nichtstun-Trend passt zur modernen Arbeitswelt

„Niksen“ definiert den Trend, sich eine bewusste Auszeit zu nehmen, um neue Kraft zu schöpfen. Kann man aus dieser Wohlfühlstrategie für das Privatleben etwas für die Arbeitswelt ableiten? Unbedingt.

Internet, Streaming, Computer und Smartphone – die Technologien lenken uns ab, wann immer wir es wollen. Und wir wollen dauernd. Zu Hause im Sessel fläzen, auf dem Balkon in die Ferne schauen oder einen Spaziergang machen, ohne Smartphone vorm Gesicht, wären Alternativen zur Dauerbeschallung und den Langeweile-Killern. Doch allein der Gedanke daran lässt ewig Rastlose zittern. Schließlich gibt es immer etwas zu tun. Wer nichts tut, dem läuft die Zeit davon, Zeit ist aber Geld und überhaupt, hat nicht schon Friedrich Wilhelm Nietzsche gesagt: „Ist das Leben nicht hundert Mal zu kurz, sich in ihm — zu langweilen?“

Mitarbeiter brauchten Zeit, um produktiv zu sein.

Langmut oder Müßiggang hält heute kaum noch ein Mensch aus. Dieser Zeitvertreib ist aus der Mode, ihm haftet das Prädikat der Faulheit an und das will sich niemand nachsagen lassen. Außerdem passt das „Einfach-immer-etwas-machen“ auf den ersten Blick so gut zum Drang (und der Erwartungshaltung) nach mehr Produktivität und Effizienz, der heute die Arbeitswelt zu dominieren scheint. „Niksen“ kommt aus Holland und bedeutet genau das, wonach es klingt: NIchtstun. Und Trotzdem ist Niksen nicht unbedingt ein Widerspruch zum immer hohen Arbeitstempo in Unternehmen, egal ob Startup, Konzern oder Familienbetrieb. Im Gegenteil, betonen Forscher zunehmend.

Grundlos, aber bewusst herumhängen: Nichtstun als Energie- und Kreativquelle

Mitarbeiter brauchten Zeit, um produktiv zu sein. Experten raten zum bewussten „Slow down“ – mach langsam. Darum geht es beim Niksen, betont denn auch Carolien Hamming, die den Trend mit ihrem Buch „Niksen: Die niederländische Kunst, nichts zu tun“ ausgelöst hat. Herumhängen, aus dem Fenster schauen, Musik hören, alles sei erlaubt, solange „es ohne Grund geschieht“ und nicht dazu diene, etwas zu erreichen, erklärt die Autorin gegenüber dem US-Magazin „Time“. Die Zeit soll genutzt werden, um neue Energie zu tanken und Ideen formulieren zu können. Hamming kennt sich aus, sie ist Leiterin eines niederländischen Coaching Centers, das Menschen etwa nach einem Burnout unterstützt.

Tatsächlich ist man inzwischen dahinter gekommen, dass niemand kreativ sein kann, der keine Zeit zum Denken hat. Glücksforscher werden zwar gern als Esotherik-Freaks belächelt, doch das Grinsen gefriert langsam. Denn sie formulieren diesen Kreislauf: Zeit → Kreativität → Begeisterung für den Job → Motivation → neue Ideen → Zeit,…

Nichtstun soll die Produktivität steigern? Die Vorstellung erinnert an ein Bild von M.C. Escher.

Produktive Langeweile könnte man dazu auch sagen: Bewusstes Niksen, den Gedanken freien Lauf lassen und sich – jetzt wird’s kompliziert – vom Akt des Nichtstuns ablenken zu lassen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Was einem vorkommt wie ein Bild von M.C. Escher, der, übrigens ebenfalls Niederländer, durch seine Darstellung buchstäblich unmöglicher Figuren und Räume bekannt wurde, hat sich als wichtiger Baustein der modernen Arbeitswelt herauskristallisiert: Kreativ sein und sich ebenso wie das Unternehmen voranbringen kann nur, wer die Zeit dazu hat.

Der Puffer für Alltag und Arbeit ist anstrengend

Die Mail-Flut macht auch vor Ihrem Postfach nicht halt. Aber es gibt Wege, um diese einzudämmen. (Bild: M. Schindler)
Mehr zum Thema: Die Inbox ist ein Zeitfresser. Doch es gibt Wege aus dem Chaos. (Bild: M. Schindler)

Neu ist das Konzept nicht. Und im Grunde braucht es nicht einmal Wissenschaftler dafür, um zu erkennen, was bewusstes Nichtstun im Sinne von „Raus aus einer Situation, einem Konflikt, einem Problem“ mit Menschen macht. In dem Buch „Musenküsse“ beschreibt Mason Currey die Rituale von Künstlern, um jeden Tag aufs Neue kreativ zu sein. Kafka etwa turnte nackt vor offenem Fenster. Das ist jetzt zwar eine sehr individuelle Auszeit, es geht auch weniger extrovertiert. Aber jeder hat an sich selbst schon einmal festgestellt, dass der Gang in die Büroküche oder auf die Toilette wahre Kreativ- und Problemlöser-Gänge sein können.

Hat man sich der Idee des Niksen angenähert, merkt man dass sie sich letztlich in eine ganze Abfolge von Nichtstun- und Rückzugs-Hypes einreiht wie „Hygge“ (Trend aus Dänemark, der den Rückzug aus der Alltagshektik und die Konzentration auf Geborgenheit propagiert) oder „Lagom“ (schwedischer Lifestyletrend, der auf das Gleichgewicht und Glück im Leben zielt) und der bereits in Filmen verarbeiteten italienischen „Dolce far niente“. Es bleibt nur ein Problem: Nichtstun ist anstrengend – und aufwändig. „Woher soll man denn bitteschön auch noch die Zeit für Müßiggang hernehmen?“, „Jetzt muss ich mir auch noch Zeit für mehr Zeit aus den Rippen schneiden“, hört man die Kritiker schon meckern. Und man selbst sitzt vor seinem organisierten Nichts und wartet bis die Auszeit vorbeigeht.

„Niksen ist wunderschön,…“

Wie bei so vielen Dingen muss man sich an das Niksen, oder wie auch immer man es betiteln mag, erst gewöhnen, es sich wohl bewusst vornehmen und in den Arbeitsalltag entweder fest integrieren oder zulassen, wenn das Hirn eine Pause braucht. Vielleicht hilft eine musikalischen Nichtstun-Routine, frei nach Pipi Langstrumpf: „Niksen ist wunderschön, denn die Arbeit hat noch Zeit…“

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