Chief Digital Officer in Deutschland – das unbekannte Wesen?

Männlich, jung, technisch versiert – CDOs in Deutschland sind derzeit eine recht homogene Gruppe. Doch für ihre Hauptaufgabe – eine Brücke zwischen IT und Management zu schlagen – braucht es mehr als gute Technikkenntnisse, wie der aktuelle CDO Report von Exasol zeigt.

Mehr und mehr Unternehmen machen sich auf den Weg, ihre Geschäftsentscheidungen auf Basis von Daten und Datenanalysen zu treffen – sie werden „data-driven“. Eine Art Stabsstelle, die sich federführend um die Nutzung, Aufbereitung und Kommunikation der Daten kümmert sowie in der Lage ist, aus den Analysen Strategien für die Geschäftsentwicklung zu ziehen, ist dabei unabdingbar. 

Das sind die Kernkompetenzen, die derzeit laut der neuen Exasol-Studie von CDOs gefordert sind. (Quelle: Exasol)
Das sind die Kernkompetenzen, die derzeit laut der neuen Exasol-Studie von CDOs gefordert sind. (Quelle: Exasol)

Diese Aufgabe ist auf Managementebene immer öfter bei den Chief Data Officers (CDOs) angesiedelt, die für die Strategie, Vision und Ausführung der Daten- und Analyseabteilungen verantwortlich sind. Sie stellen zudem sicher, dass die Ziele der Daten-Abteilungen mit den Zielen des Unternehmens übereinstimmen. Denn oberste Priorität der unternehmensweiten Datennutzung ist eine Verbesserung der Geschäftsergebnisse. Deshalb gehören CDOs schon jetzt zu den essenziellen Führungskräften von morgen.

Teamführung ist keine technische Disziplin

Und doch hat Deutschland hier noch gehörigen Nachholbedarf, denn CDOs sind hier bisher eher Mangelware – und falls es sie gibt, betrachten sie das Thema Datennutzung und Datenanalyse vorrangig aus technischer und weniger aus der Management-Perspektive. Wenig verwunderlich, haben sie doch selbst zumeist einen technischen Hintergrund und tendieren folglich dazu, auch ihre Teams in den entsprechenden Bereichen zu suchen, beispielsweise im Coding, bei Analytics, im Ingenieurswesen oder in der Softwareentwicklung. Soft Skills oder Managementkenntnisse finden hier bisher wenig Berücksichtigung, sowohl bei der Suche nach CDOs wie auch bei der Besetzung ihrer Teams. 

Um ihre Position als Brückenbauer gut auszufüllen, sollten CDOs jedoch laut der Exasol-Studie Chief Data Officers: Die kreativen Herrscher über die Daten eine ganze Palette von Skills fernab des Tech-Know-hows mitbringen. So werden von den derzeitigen deutschen Vertretern*innen der Berufsgruppe beispielsweise, neben den grundlegenden technischen Kompetenzen, Fähigkeiten wie Mathematik, Problemlösung, Muster-/Anomalien-Erkennungals entscheidend bewertet, aber auch Teamleiter-Fähigkeiten, Entscheidungsfähigkeit, Storytelling und Argumentationsfähigkeit (siehe Grafik).

Auf Management- und Soft Skills kommt es (auch) an

Das zeigt, wie wichtig es ist, die Position mit einer Person zu besetzen, die neben technischem Know-how auch Management-Kenntnisse und Soft Skills mitbringt. Insbesondere Kreativität und Kommunikationsfähigkeit sind hier hervorzuheben, denn CDOs sollten auch gute Geschichtenerzähler sein. Sprich: Komplexe Zusammenhänge und „trockene“ Datenreihen so zu verpacken, dass auch diejenigen die Aussagen verstehen, die im Alltag nicht viel mit Datenanalysen zu tun haben. 

Einem CDO kommt als Teil der Geschäftsführung außerdem die Aufgabe zu, mit allen vorhandenen Akteuren zusammenzuarbeiten – sei es das C-Level, Stakeholder, Kunden oder Mitarbeiter. Die Befragten der Studie sehen CDOs beispielsweise als Treiber hinter mehr Datenkompetenz. In ihrer Management-Funktion besteht ihre Aufgabe unter anderem darin, Datendemokratisierung zu thematisieren und voranzubringen. Alle Akteure zufrieden zu stellen bzw. für alle Beteiligten gangbare Lösungen zu finden ist eine komplexe Aufgabe, die viel Fingerspitzengefühl und die nötige Belastbarkeit verlangt – eine Befragte der Studie nannte Resilienz deshalb auch als Kernkompetenz für einen CDO.

Die optimalen Rahmenbedingungen für CDOs

Nicht nur die Besetzung der Stellen selbst, sondern auch die Bedingungen, die im Unternehmen herrschen sind entscheidend dafür, wie gut ein CDO seinen Job machen kann – und hier liegt ebenfalls noch viel Arbeit vor den Firmen: So beklagen mehr als die Hälfte der Befragten, dass die Unternehmen noch nicht so weit sind, um den für einen datengesteuerten Geschäftsansatz erforderlichen Kulturwandel zu vollziehen. 

Viele Unternehmen haben weder das Stellenprofil des CDO ausgearbeitet noch die technische Ausstattung im Haus, die ein CDO für seine Arbeit bräuchte.

Ebenso fatal: Die Rolle der CDOs wird in den Unternehmen oder von der Managementebene nicht wirklich verstanden – das sagten 38 Prozent der Befragten. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen bis dato einfach noch nicht datengesteuert genug agieren, wie aktuelle Studien belegen. Die Hälfte der Mitarbeiter sehen heute noch keinen Bereich, in dem Data Analytics sie unterstützen könnte. Wenn allein der Nutzen von Daten in Unternehmen nicht erkannt wird, liegt die Ernennung eines CDOs in der Regel noch ferner. 

Im Fall bereits aktiver CDOs ist das Stellenprofil oft noch zu unübersichtlich und umfasst zu viele Aufgaben, wie in der Studie 44 Prozent angaben. Viele Unternehmen verfügen auch bis heute nicht über die entsprechende Technologie bzw. technologische Infrastruktur, die CDOs bräuchten, um ihre Rolle optimal ausfüllen zu können, sagte etwa ein Drittel der Befragten. Es bleibt festzuhalten: Bevor CDOs ihr volles Potenzial entfalten und dazu beitragen können, das Optimum aus den Daten herauszuholen, warten noch viele Hausaufgaben auf die deutschen Unternehmen. 

Mit positivem Blick in die Zukunft

Doch es gibt auch gute Nachrichten: So empfinden vier von fünf CDOs ihre Rolle zwar als herausfordernd, gibt aber an, ständig dazuzulernen. Und diejenigen, die bereits als CDOs arbeiten, haben trotz aller Herausforderungen, auch einige Erfolgserlebnisse: drei Viertel der Befragten gaben an, als CDO bereits datengesteuerten Mehrwert geschaffen zu haben.

Datenkarrieren sollten nicht mehr nur Technikexperten offenstehen.

Doch was ist jetzt zu tun? Zunächst sollten Unternehmen für mehr Datendemokratisierung und Datenkompetenz sorgen: Der unternehmensweite Zugang zu Daten ist für datengesteuerte Unternehmen unabdingbar und bereitet den Weg für einen erfolgreichen CDO. Voraussetzung für erfolgreiche Datendemokratisierung ist die Ausarbeitung einer Datenstrategie, die im Einklang mit den Unternehmenszielen steht. Zudem gilt es, Türen zu öffnen und Vorbehalte abzubauen. Datenkarrieren sollten nicht mehr nur Technikexperten offenstehen, denn gebraucht werden kreative Köpfe, die auch Know-how aus anderen Disziplinen mitbringen. Die Grundlage dafür sollte im Bildungsbereich gelegt werden, denn ein grundlegendes Datenverständnis ist die Voraussetzung dafür, überhaupt erst ein Interesse an diesem Beruf zu entwickeln. 

Zuletzt sollten die CDOs aus dem Schatten heraustreten und beispielsweise als Unternehmenssprecher eingesetzt werden. Das steigert zum einen die Sichtbarkeit und damit die Akzeptanz in den Unternehmen, indem man den Nutzen für und den Einfluss auf den Unternehmenserfolg aufzeigt. Und es gestattet jungen Menschen einen Einblick in dieses spannende Berufsfeld, indem man ihnen Vorbilder präsentiert, auf deren Spuren sie sich auf den Weg zum kreativen Datenlenker machen können.


Über den Autor

Über den Autor

Mathias Golombek ist Chief Technology Officer des Nürnberger Analytics-Spezialisten Exasol.

 

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Ein Kommentar

  1. Sehr interessante Anregungen. Die Unternehmen, die heute eine CDO Stelle schaffen und in ca. 3 Jahren etabliert haben, diese Unternehmen werden einen großen Wettbewerbsvorteil haben.

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