Was am erzwungenen Homeoffice wirklich schwierig ist
Ihr Home-Arbeitsplatz ist eingerichtet und Sie wollten endlich loslegen, doch irgendwie will es nicht so recht klappen mit der Konzentration. Hier sind einige Tipps, die Blockade zu überwinden.
Homeoffice-Neulingen ist dieses Gefühl ebenso bekannt wie erfahreneren Homeworkern. Man hat alles nötige vorbereitet, der Rechner läuft, die sichere Verbindung zur Firma steht, frischer Kaffee ist auf dem Tisch, man hat sich womöglich auch mit dem Partner abgesprochen, wer wann die Kinder bespaßen und versorgen muss, die To-Do-Liste ist gut gefüllt und die Mailbox quillt über. Und trotzdem will es nicht so richtig losgehen.
Entwarnung: Das ist normal.
Ein Schreibtisch und ein PC machen noch keine Arbeitsumgebung
Besonders wenn Sie noch nie so richtig von zuhause aus gearbeitet haben, müssen Sie sich erstmal an die neue Situation gewöhnen. Vielleicht haben Sie auch das Pech, kein separates Zimmer als Arbeitsraum nutzen zu können und müssen Ihren Arbeitsplatz für die nächsten Wochen im Wohnzimmer, im Schlafzimmer oder gar in der Küche unterbringen.
Die Crux ist, dass bis dahin ausschließlich privat genutzte Räume sich in Ihrer Wahrnehmung nicht im Handumdrehen in Arbeitsräume verwandeln lassen. Sie haben vielleicht in der Vergangenheit schnell mal am Küchentisch ein paar Mails schreiben können. Aber wenn Sie ganze Arbeitstage an diesem Ort verbringen müssen, werden Sie wahrscheinlich feststellen, dass Ihr Blick allzu leicht auf Gegenstände trifft, die Ihre Gedanken auf private Themen ausschweifen lassen.
Was tun? Schaffen Sie für die Arbeit einen Ort in Ihrer Wohnung, der nicht privat vorbelastet ist. Sie können dazu Ihren Arbeitstisch an einer Ecke hinstellen, die bis dahin nicht in dieser Form genutzt wurde. Halten Sie aber vor allem Ihren Blick und Ihren Arbeitstisch frei von privaten Dingen. Die Umstellung aufs Homeoffice gewinnt dadurch eher den Charakter der Eingewöhnung an einen neuen Arbeitsort als an „Arbeiten von zuhause aus“.
Virtuelle Kommunikation ist kein voller Ersatz für physische Präsenz
Die Mittel für virtuelle Kommunikation waren noch nie so gut entwickelt und günstig. Fast alle Anbieter, von Avaya über Microsoft bis Zoho, fahren gerade ihre Kapazitäten hoch und nutzen die Gelegenheit, um mit besonders attraktiven Angeboten für sich Werbung zu machen. Wer diese Kommunikationskanäle jetzt zu nutzen lernt, gewinnt doppelt: Er/sie lernt digitale Arbeit besser kennen und hilft sich selbst, sich weniger abgeschnitten im Homeoffice zu fühlen.
Dennoch sollte man sich dabei bewusst sein, dass virtuelle Kommunikation eben nur das ist: virtuell. Sie ist Mittel zur Verständigung aus der Distanz, kein Ersatz für menschliche Nähe. Selbst wenn die Arbeit digital ist und genauso erledigt werden kann, gibt es viele gute Gründe, warum auch digitale Arbeit von menschlicher Nähe profitieren kann. Apple gab vor einigen Jahren ein paar Milliarden für den Bau einer neuen Zentrale aus, etwa so groß wie eine Kleinstadt, und verlangt von seinen Mitarbeiter*innen nach wie vor Präsenz. Google gestaltet seine Campusse weltweit so attraktiv, dass seine Angestellten kaum nach Hause wollen.
Menschliche Nähe bringt eine andere Dynamik in die Zusammenarbeit. Im Rahmen eines Versuchs in den Neunzigern bildete Ford sechs Software-Entwicklerteams mit jeweils sechs bis acht Personen und ließ sie jeweils konzentriert an einem Projekt arbeiten. Die Teams zogen ihre Projekte in einem Drittel der üblichen Zeit durch. Das Geheimnis: Die Teammitglieder hatten sehr kurze Kommunikationswege, wussten genau wer was macht, manchmal reichte es einfach, seinem Gegenüber über die Schulter zu schauen, um ein Problem zu lösen.
Was tun? So widersprüchlich es klingen mag: Moderne digitale Kommunikationsmittel sind in einer solchen Situation das beste, was Ihnen passieren könnte. Chat und Videotelefonie machen Kommunikation informeller und unmittelbarer. Zusammenarbeit funktioniert am besten wenn die Kommunikation möglichst direkt ist, ohne Umschweife, ohne Anrede, ohne Signatur, denken Sie an WhatsApp. Im Homeoffice sind direkte Kommunikationsmittel wie das Telefon, Chat oder Videotelefonie die besten Mittel, um den Draht zu den Kolleg*innen warm zu halten, E-Mail hingegen schafft in dieser Situation eher Distanz.
Diese Art „Nähe“ sollten Sie während dieser Zeit unbedingt aufrechterhalten. Gute Zusammenarbeit setzt eine gewisse Vertrautheit voraus. Nur ist Vertrautheit ein Verbrauchsmaterial, das man immer wieder erneuern muss. Im normalen Arbeitsleben entsteht Vertrautheit durch physische Nähe, den Blickkontakt, das lockere Gespräch beim Essen, den gemeinsamen Firmenausflug. Im Ausnahmezustand überlebt sie am besten durch häufigen und möglichst direkten Kontakt.
Es ist Ausnahmezustand
Sie wären schon ein seltsames Wesen, wenn Sie all das, was in den letzten Wochen passiert ist, einfach so ausblenden könnten. Es war nicht Ihre Wahl, die nächste Zeit nur von zuhause aus zu arbeiten, eine weltweite Krise hat Sie dazu gezwungen. Und selbst wenn Sie selbst in Quarantäne gehen können, weder die Weltwirtschaft noch Ihr Arbeitgeber können das ebenso tun. Wir stehen am Beginn einer weltweiten Wirtschaftskrise und Sie können nicht abschätzen, welche Auswirkungen sie auf Ihren Arbeitgeber und auf Ihren Job haben wird. Sie wissen das alles und es beschäftigt Sie. Sie wissen aber nicht, wann Sie wieder Ihr Homeoffice verlassen und zu Ihrem Schreibtisch im Büro zurückkehren dürfen. Stattdessen bekommen Sie ständig neue Wasserstandsmeldungen über Infektionen und Opfer.
Was tun? Ungewissheit ist etwas, was im Hinterkopf gegen Ihre Konzentration arbeitet, selbst wenn Sie nicht gerade über all diese Themen nachdenken. Sie können die Ungewissheit nicht ausradieren, aber Sie können ihr die Versorgungswege abschneiden und sie ans Tageslicht der Rationalität zerren. Halten Sie sich während der Zeit, an der Sie arbeiten wollen, durchgehend von Nachrichten-Webseiten, Zeitungen und Nachrichtensendungen fern. Das Fiese an Nachrichten in solchen Zeiten ist, dass sie viel länger nachwirken als Ihnen lieb sein kann. Vereinbaren Sie am besten auch mit den Kolleg*innen, dass Sie sich während der Arbeitszeit nicht gegenseitig mit den allerneuesten Sensationsmeldungen bewerfen.
Tabuisieren Sie aber das Thema nicht komplett, weder für sich noch für die Kolleg*innen. Vereinbaren Sie am besten mit ihnen eine virtuelle Kaffeepause gegen Dienstschluss, während der Sie über das Programm des nächsten Tages sprechen und im Anschluss, ohne Zeitdruck, sich auch über etwaige Neuigkeiten aus der Corona-Front unterhalten, die Sie erst bei dieser Gelegenheit aufrufen. Über schwierige Situationen in der Gruppe zu sprechen hilft. Ebenso hilfreich ist es, über ein Worst-Case-Szenario für sich selbst nachzudenken und einen Plan B für den Notfall zu entwickeln. Das ersetzt die Ungewissheit der aktuellen Entwicklung mit der Konkretheit der eigenen Aktivität.
Ein paar praktische Tipps zum Schluss
Schaffen Sie Routine. Schauen Sie auf die Uhr und machen Sie Pausen, statt sich einfach von Ihrer Mailbox oder To-Do-Liste treiben zu lassen.
Setzen Sie sich Ziele. Ihr bester Freund im Homeoffice ist der Haken, den Sie neben einer erledigten Aufgabe am Ende des Tages setzen können. Achten Sie nur darauf, dass Ihre Tagesziele tatsächlich erreichbar sind, und belohnen Sie sich – aber erst nach getaner Arbeit, keine Vorschüsse!
Erholen Sie sich. Suchen Sie mentalen und physischen Ausgleich. Tun Sie das aktiv und ohne einfach nur den Blick auf einen anderen Bildschirm zu richten. Gehen Sie stattdessen, solange es erlaubt ist, aus dem Haus, einkaufen oder einfach nur ein paar Mal um den Block und wechseln Sie einige Worte mit anderen Menschen, das wirkt Wunder.