Warum Homeoffice noch nicht durchstarten kann
Die gute Nachricht: Ein Viertel aller Betriebe in Deutschland bieten zumindest einem Teil ihren Mitarbeiter die Möglichkeit an, von zuhause aus zu arbeiten. Die schlechte: Nur 12 Prozent der Erwerbstätigen nehmen das Angebot wahr. Dafür gibt es gute wie schlechte Gründe.
Bis zum Recht auf Homeoffice, wie es der SPD vorschwebt, mag es noch ein langer Weg sein, doch das Thema kommt hierzulande langsam vom Fleck. Laut einer gemeinsamen Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim (ZEW ) und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg haben 26 Prozent aller Betriebe mit mehr als 50 Mitarbeitern in Deutschland letztes Jahr zumindest einem Teil ihrer Beschäftigten die Möglichkeit geboten, mobil zu arbeiten – von zuhause aus oder von unterwegs.
Für beide Seiten scheinen dabei die Vorteile zu überwiegen. Unternehmen können mit mehr Flexibilität, einer besseren Erreichbarkeit und einer höheren Produktivität ihrer Mitarbeiter rechnen und gleichzeitig von sich behaupten, dass sie ihren Angestellten eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie bieten können. Aus Sicht der Mitarbeiter bringt ihnen das Homeoffice außer der genannten Flexibilität und der Vereinbarkeit ihres Berufs mit dem Privatleben auch eine Zeit- und Kostenersparnis sowie mehr Ruhe und Konzentration für ihre Tätigkeit. Immer Kollegen um sich herum zu haben ist offensichtlich nicht nur mit Vorteilen verbunden.
Homeoffice als Eigentor
„Weniger Pendelzeit ermöglicht mehr zeitliche Spielräume, die häufig für Arbeitszwecke genutzt werden“, sagt Dr. Susanne Steffes, ZEW-Wissenschaftlerin und Mitautorin der Studie. Auch lasse sich die Einteilung der Tätigkeiten und der Abläufe besser mit den privaten Wünschen und Anforderungen vereinbaren. Homeoffice habe jedoch auch eine Kehrseite. Diese Vorteile seien hinfällig, wenn eine stärkere Vermischung von Arbeits- und Privatleben die Konsequenz ist. „Das kann auch zu Konflikten und psychischen Belastungen führen“, so Steffes.
Viele der Befragten nutzen die Möglichkeit für Homeoffice auch, um ausschließlich außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit, also in der Freizeit, zu Hause zu arbeiten. Wer sich dazu hinreißen lässt, kann sehr viel seltener die eingesparte Fahrzeit (32 Prozent) und die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatem (30 Prozent) für sich geltend machen. Diese Vorteile genießen immerhin knapp drei Viertel der Beschäftigten, die hauptsächlich während der regulären Arbeitszeit zuhause arbeiten.
Maschinen stehen nun mal im Betrieb
Trotz aller Argumente pro Homeoffice gaben nur 12 Prozent der Befragten der ZEW-Studie an, dass sie zumindest gelegentlich von zuhause arbeiten. Der Grund liegt meist in der Natur der Arbeit. 90 Prozent der Betriebe, die kein mobiles Arbeiten anbieten, nennen die Tätigkeiten ihrer Beschäftigten als Hinderungsgrund. In der Produktion etwa wird häufig an Maschinen gearbeitet, die mobiles Arbeiten ausschließen. 75 Prozent der Beschäftigten, die kein Homeoffice machen, bestätigen dies. An zweiter Stelle der Gründe gegen mobiles Arbeiten aus Sicht der Betriebe steht die schwierige Zusammenarbeit unter Kollegen (22 Prozent), an dritter Stelle stehen Datenschutzbedenken (16 Prozent).
Dem Homeoffice im Weg stehen allerdings häufig auch Gründe, die eigentlich keine sein sollten, zum Beispiel Misstrauen. Aus Sicht der Beschäftigten haben die direkten Vorgesetzten ein gewichtiges Wort mitzureden, wenn über die Möglichkeit zu Homeoffice entschieden wird. Gut zwei Drittel der Beschäftigten nennen die Präferenzen des Vorgesetzten für die Anwesenheit der Mitarbeiter/-innen als Grund, nicht von zu Hause aus zu arbeiten, obwohl nur 10 Prozent der Unternehmen von sich behaupten, dass eine Führung bzw. Kontrolle ihrer Kollegen im Homeoffice nicht möglich sei.
Druck und Begehrlichkeiten
Mehr als die Hälfte der befragten Beschäftigten gaben zudem an, dass in ihrem Unternehmen die technischen Voraussetzungen für mobiles Arbeiten fehlten. Auch das steht im krassen Widerspruch zur Einschätzung der technischen Voraussetzungen von Seiten ihres Unternehmens. Nach deren Aussage fehlten diese bei nur 10 Prozent der Betriebe. Der Widerspruch ist laut Studie durch einen näheren Blick auf die eigentliche Tätigkeit zu erklären: Je besser sich die Tätigkeit für Homeoffice eignet, desto eher sind auch die technischen Voraussetzungen dafür vorhanden.
Alles in allem steigt der Druck seitens der Beschäftigten an die Unternehmen, Homeoffice-Regelungen zu treffen. „Wir beobachten eine niedrigere Arbeitszufriedenheit bei Beschäftigten, die gerne Homeoffice machen möchten, die Möglichkeit dazu aber nicht haben und die in Betrieben arbeiten, in denen andere Homeoffice machen können“, sagt Dr. Susanne Steffes. „Zusätzlich schätzen diese Personen die gerechte Behandlung durch den Vorgesetzten niedriger ein. Wenn es in einem Betrieb Beschäftigte mit und ohne Homeoffice-Möglichkeiten gibt, könnten also Begehrlichkeiten geweckt werden, die für einen Teil der Belegschaft nicht zu befriedigen sind. Dies ist eine weitere Kehrseite der Medaille. Es ist daher eine große Herausforderung für das Personalmanagement, die Balance zwischen den Beschäftigten mit und ohne Homeoffice-Möglichkeiten zu bewahren.“