Zeitfresser Inbox: Wie Sie dem E-Mail-Chaos Herr werden können

E-Mail wird gerne als Produktivitätskiller empfunden, doch E-Mail-Kommunikation muss nicht „unproduktiv“ sein. Auch wenn das leergeräumte E-Mail-Postfach am Ende des Arbeitstages für die meisten eine unerreichbare Utopie bleibt: Eine aufgeräumte Inbox ist alles andere als utopisch.

Es gibt kaum einen Berufstätigen, der seine Inbox nicht schon mal zum Teufel gewünscht hat, vor allem nach einer längeren Pause vom Schreibtisch. E-Mail kostet Zeit, nach Ansicht der meisten Nutzer viel zu viel Zeit. Laut einer neuen Studie von Workfront verwenden Arbeitende in Deutschland lediglich 45 Prozent ihrer Arbeitszeit für ihre Kernaufgaben, die restliche Zeit geht aufs Konto von „übermäßiger E-Mail-Korrespondenz und unproduktiven Besprechungen“.

Das Dilemma: in einer digitalen Arbeitswelt, die sich immer mehr in vernetzte Teams organisiert und auf produktive Zusammenarbeit setzt, ist gute Kommunikation einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Collaboration-Tools und Projektmanagement-Plattformen leisten dazu einen wesentlichen Beitrag und stellen die Kommunikation auf eine neue Basis. Trotzdem ist die E-Mail nicht totzukriegen, denn sie ist vor allem für den Dialog mit der Außenwelt sehr wichtig. Die Herausforderung besteht eher darin, Kommunikation sinnvoll zu strukturieren, um E-Mail wieder effektiv nutzen zu können.

Ist Ihre Inbox eine To-Do-Liste?

Egal ob Sie diese Frage mit Ja, Nein, oder Vielleicht beantworten, Sie haben Recht – und das ist das Problem. Was Ihre Inbox darstellt ist zugleich ein Stapel unbeantworteter Briefe, ein (hoffentlich geordnetes) Korrespondenzarchiv, ein Stapel mit Aufträgen zur Bearbeitung, eine Leseliste und ein Besprechungsraum. Bekennende E-Mail-Hasser wie der Investor M.G. Siegler sehen ihre Inbox sogar als „eine Ansammlung von Mikro-Meetings, in die man den ganzen Tag über hineingezogen wird“. 

Je länger Sie auf dieses wirre Knäuel schauen und versuchen, es in der Reihenfolge abzuarbeiten, die Ihre Inbox vorgibt, sind Sie fremdbestimmt, reagieren planlos auf Anliegen anderer Leute und Ihr Tagesablauf kommt durcheinander. Schaffen Sie deswegen lieber zu allererst Ordnung nach dem oben erwähnten Muster. Wenn jede neue E-Mail mit etwas Arbeit verbunden ist, organisieren Sie diese Arbeit nach ihren eigenen Bedürfnissen. 

Unabhängig von der Ordnerstruktur für die Mail, die Sie archivieren möchten, können Sie einige wenige Order für Mails in Ihrer Inbox einrichten, die die eingehenden Mail priorisieren, etwa: „Sofort bearbeiten“, „Später lesen“ oder „To Do“. Falls Sie ein routinierter Office-Nutzer sind, der Outlook technisch gut kennt, können Sie sich an der Methode der Workplace-Beraterin Luise Freese orientieren.

Was Ihre Mailbox auf keinen Fall sein sollte, ist eine To-Do-Liste (zumindest nicht für wichtige Aufgaben), ein Terminkalender, ein Dokumentenspeicher oder eine Müllhalde. Nicht nur gibt es dafür andere Programme, Ihr Hirn selbst braucht diese Trennung, um die Übersicht zu behalten.

Nutzen Sie die Technik Ihrer E-Mail-Software

Es gibt viele Methoden und Tools für diesen Zweck und E-Mail-Programme wie Outlook, Apple Mail oder eM Client bieten von sich aus viele Möglichkeiten. 

  • Nutzen Sie Regeln, um E-Mails von z.B. bestimmten Absendern automatisch in bestimmte Ordner zu verschieben – oder direkt in den Papierkorb.
    Wichtig dabei: Ihr Archiv kann beliebig viele Ordner haben, Ihre Inbox sollte nicht mehr als fünf bis maximal zehn beinhalten – mehr können Sie im Tagesgeschäft nicht im Auge behalten.
  • Lernen Sie Ihren Papierkorb zu schätzen! Lassen Sie das Programm automatisch dorthin Mails verschieben, die sowieso dort gelandet wären, wie z.B. Newsletter die Sie nur gelegentlich lesen. 
  • Richten Sie Intelligente Ordner ein. Sie zeigen Ihnen immer E-Mails mit bestimmten Attributen an, selbst wenn sie im Papierkorb sind.
  • Nutzen Sie Tags, um damit Mails zu kennzeichnen, die sie in intelligenten Ordnern sichtbar machen.
  • Nutzen Sie die Algorithmen Ihres E-Mail-Programms, wenn es welche hat. Ja, Künstliche Intelligenz hält langsam auch in E-Mail-Clients Einzug und sie kann sehr hilfreich sein, wenn Sie die Algorithmen richtig trainieren. Sie schauen Ihnen bei der Arbeit zu, lernen, wie Sie Ihre Arbeit organisieren, und können Sie beim Tagesgeschäft unterstützen. Googles Gmail praktiziert das seit einiger Zeit und darüber hinaus gibt es Dienste wie Mailstrom oder Sanebox, die sich darauf spezialisieren.

Legen Sie Zeiten für die Bearbeitung von Mails fest

Neben der Tatsache, dass E-Mail viel Arbeit verursacht, hat dieses Medium zwei weitere Eigenschaften, die uns zu schaffen machen, aber gerne unterschätzt werden. Die erste ist eine unbewusste Erwartungshaltung unsererseits, dass E-Mail-Kommunikation keine Zeit kosten darf. Wir werden zwar für diesen Irrglauben jeden Tag aufs neue dafür bestraft, trotzdem ist die Grundhaltung schwer wegzubekommen. Die zweite ist das Ablenkungspotenzial der E-Mail. Zum Glück können beide mit derselben Maßnahme geregelt werden. 

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Wie schnell müssen Sie in der Regel auf E-Mails reagieren? Ist E-Mail der Kommunikationskanal, über den andere auf Sie zugehen, wenn etwas dringend ist? Gibt es bessere, wie zum Beispiel Telefon oder Chat? Können Sie Kollegen und Außenwelt daran gewöhnen zu differenzieren, über welchen Kanal Sie am besten kontaktiert werden können, abhängig vom jeweiligen Anliegen und seiner Dringlichkeit?

Sie fahren am besten wenn Sie die Häufigkeit, mit der Sie Ihre Inbox anschauen müssen, abhängig von Ihrer Tätigkeit und Ihrer jeweiligen Situation bestimmen und sich daran halten. Je nach Tätigkeit ist Ihre Konzentration am besten geschützt, wenn Sie sich zwei- bis viermal am Tag mit Ihrer Mailbox beschäftigen und sich auch die entsprechende Zeit dafür nehmen. 

Weg mit den Benachrichtigungen!

Wenn Sie nicht jedes Mal Ihr E-Mail-Programm hoch- und runterfahren möchten, nutzen Sie zumindest die „Lass mich in den nächsten zwei Stunden in Ruhe“-Funktion Ihrer Software ein. Benachrichtigungen am Rande des Bildschirms sollten Sie aber auf jeden Fall abschalten, außer Sie warten auf wichtige Nachrichten. Die ständigen Unterbrechungen und Ablenkungen durch digitale Medien haben bereits dafür gesorgt, dass viele Menschen heute eine geringere Aufmerksamkeitsspanne als Goldfische haben. Die Benachrichtigungen Ihres E-Mail-Programms haben das Potenzial, den letzten Rest Ihrer Konzentrationsfähigkeit zu rauben und tragen zum digitalen Burnout bei.

Vor allem aber sollten Sie, so gut es geht, Herr Ihrer Tagesplanung bleiben. Prüfen Sie erst, was Sie an diesem Tag erreichen wollen, priorisieren Sie Ihre Aufgaben und planen Sie Ihren Tag, bevor Sie Ihre Inbox anschauen. Tun Sie das nicht, lassen Sie sich nur von Ihrer Inbox treiben und das führt zu ausufernden Arbeitszeiten.

Bleiben Sie sparsam

Mails bewirken einen Bumerang-Effekt: Je mehr Mails Sie verschicken, desto mehr werden Sie zurückbekommen. Daher: gehen Sie mit guten Beispiel voran und seien Sie bei Mails in jeder Hinsicht sparsam!

Der Hinweis TL;DR sollte einem zu denken geben

Wenn Sie möchten, dass Ihre Mails gelesen werden, sollten diese möglichst präzise formuliert sein, und das gilt an erster Stelle für die Betreffzeile. Eine unklare Aussage in der Betreffzeile suggeriert dem Empfänger, dass er sich dafür Zeit nehmen muss, sich damit zu beschäftigen – was jeder erstmal gerne von sich her schiebt. Sind Nachrichten zu lang, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass diese nicht bis zum Ende durchgelesen werden. Im Internet-Slang heißt das TL;DR (Too Long; Didn’t Read).

Fordern Sie diese Sparsamkeit auch bei Ihren Kollegen ein. Selbst das Lesen einer kleinen Nachricht mit dem Inhalt „Vielen Dank“ bindet Aufmerksamkeit und kostet Zeit, auch wenn die Geste gut gemeint ist. Im englischsprachigen Raum werden Hinweisse wie „Sie müssen nicht auf diese Nachricht antworten“ oder „Nachricht Ende“ verwendet, um überflüssige Mails zu begrenzen. Im englischen Sprachgebrauch haben sich dafür zwei Begriffe etabliert: NNTR (No Need to Respond) und EOM (End of Message).

„Hatte Klaus dich da nicht auf CC gesetzt?“

Meetings, bei denen nicht klar ist, worum es eigentlich geht und wen deren Inhalt betrifft, sind überflüssig. Bei der E-Mail-Kommunikation ist es kein bisschen anders. Ellenlange Diskussions-Threads, bei denen man auf CC gesetzt ist, verursachen bestenfalls einen hohen zeitlichen Aufwand beim Adressaten, der zunächst aus dem Dialog anderer auf die Relevanz für ihn schließen muss. Im schlechtesten Fall rutschen diese Informationen aufgrund von TL;DR oder SEP (somebody else’s problem) einfach durch.

Sind mehrere Abstimmungsschleifen oder längere Diskussionen nötig, sollte das Problem wohl eher nicht per Mail diskutiert werden. Hierfür eigenen sich Collaboration-Tools wie Cisco Webex Teams oder Microsoft Teams deutlich besser.

Fazit

E-Mail wird auch die nächsten Jahre über das präferierte Mittel für asynchrone Kommunikation bleiben, vor allem mit Ansprechpartnern außerhalb des eigenen Unternehmens. Finden Sie sich damit ab und machen Sie das beste daraus. Wer in Echtzeit kommunizieren oder der CC-Hölle entkommen will, sollte sich lieber nach Collaboration-Tools umsehen. Gruppenkommunikation lässt sich darüber viel besser abbilden.

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