KI-gestützte Personalbeschaffung: So macht es Accenture

Algorithmen mischen im Personalwesen seit längerer Zeit mit. Doch wie reif ist Künstliche Intelligenz tatsächlich für den praktischen Einsatz im Recruiting? Accenture hat es in einem Pilotprojekt erkundet.

Accenture ist eine der renommiertesten Technologie- und Strategieberatungen weltweit. Als solche gehört es natürlich zum guten Ton, eigene Erfahrungen mit neuen Technologien zu machen und ihre Grenzen auszuloten. Im Fall von Künstlicher Intelligenz hat Accenture bereits ein hohes Maß an Expertise aufgebaut, auch durch deren Einsatz im eigenen Haus. 

Bei 50.000 Bewerbungen im Jahr macht eine Beschleunigung des Recruiting-Prozesses viel aus.

Im Rahmen eines sechsmonatigen Pilotprojekts hat die Beratung einen KI-gestützten Prozess zur Personalbeschaffung (Recruiting) erprobt. Jenseits der eigenen Experimentierfreude hat das Projekt auch einen handfesten Business-Sinn für die eigenen Personalabteilungen weltweit. Accenture beschäftigt mehr als ein halbe Million Menschen rund um den Globus, davon arbeiten etwa 12.000 im deutschsprachigen Raum. „Wir bekommen etwa 50.000 Bewerbungen pro Jahr“, sagt Shahriar Kamali, Senior Manager für HR & Recruiting aus der deutschen Zentrale in Kronberg bei Frankfurt. Bei einem solchen Volumen habe eine technikgestützte Rationalisierung und Beschleunigung des Recruiting-Prozesses eine große Bedeutung, nicht nur für Accenture, sondern auch für viele ihrer Kunden.

Die einzelnen Segmente im vierstufigen, KI-gestützten Recruiting-Prozess von Accenture richten sich nach der Strukturierung der jeweiligen Daten. (Quelle: Accenture)
Die einzelnen Segmente im vierstufigen, KI-gestützten Recruiting-Prozess von Accenture richten sich nach der Strukturierung der jeweiligen Daten. (Quelle: Accenture)

Statt das FAQ abzusuchen, einfach den Chatbot fragen

Beim KI-gestützten Recruiting handelt sich um einen vierstufigen Prozess, wobei die letzte Stufe weniger der Einstellung neuer Mitarbeiter gewidmet ist, sondern eher der internen Verteilung von Mitarbeitern auf die verschiedenen Projekte (siehe Grafik). Allerdings wird auch diese Disziplin ebenfalls dem Recruiting zugerechnet, da sie dieselbe Datenbasis nutzt und es sich dabei technisch gesehen nur um die interne Variante der Personalbeschaffung handelt.

Maßgeblich für die Differenzierung der vier Abschnitte war laut Shahriar Kamali die Aufbereitung der Daten, die in diesem Prozess notwendig sind. Im ersten Abschnitt geht es um die Kommunikation mit den Bewerber*innen. Hierfür kommt ein KI-gestützter Chatbot zum Einsatz, der alle grundlegenden Fragen der Interessenten, vom Format der Bewerbung bis hin zur Spesenabrechnung für die Anreise zum Bewerbungsgespräch. „Wir kennen inzwischen fast alle Fragen, die ein Bewerber während dieses Prozesses stellen könnte,“ sagt Kamali. Entsprechend sei der Chatbot im Endeffekt nichts anderes als ein FAQ, dem man einfach die eigenen Fragen im Klartext stellen kann. 

Lässt sich Personalsoftware austricksen?

Im zweiten Abschnitt geht es um eine erste Beurteilung der eingegangenen Bewerbungen. Diese werden dabei nach Schlagwörtern durchgesucht und mit dem Anforderungsprofil der jeweils ausgeschriebenen Stelle abgeglichen. „Contextual Intelligence“ nennt sich dieser Vorgang, an dessen Ende eine Rangliste der Kandidaten nach der Schlagwort-Trefferquote steht. Allerdings soll dieses Ranking nur eine erste Orientierung und Vorauswahl für die Personalmitarbeiter sein. 

„Es ist eine erste Hilfestellung für den Recruiter, damit er weiß, welche Kandidaten er zuerst anrufen soll“, betont Kamali. Dem Personalmanager ist sehr wohl bewusst, dass dieses Verfahren seine Schwächen hat. Zum einen könnte es Bewerber dazu einladen, ihre Anschreiben und Lebensläufe mit den passenden Keywords zu fluten, falls sie von diesem Mechanismus wissen. Zum anderen habe sich herausgestellt, dass die Software in ihrer deutschen Fassung mit der Vielfalt der deutschen Begriffe, die in Bewerbungsschreiben vorkommen, einige Probleme hatte. 

Bewerbungen sind oft zu divers für Algorithmen

Shahriar Kamali, Senior Manager HR & Recruiting bei Accenture: "Personaleinsatzplanung lässt sich nicht mehr mit Excel machen." (Bild: Accenture)
Shahriar Kamali, Senior Manager HR & Recruiting bei Accenture: „Personaleinsatzplanung lässt sich nicht mehr mit Excel machen.“ (Bild: Accenture)

Hinzu kommt die Tatsache, dass in der Praxis kaum eine Bewerbung der anderen gleicht, was das Format betrifft. „Besonders wenn es um Stellen im kreativen Bereich geht, sind häufig der Fantasie keine Grenzen gesetzt“, sagt Kamali. „Wir hatten schon den Fall, dass sich ein App-Entwickler über eine eigens dafür von ihm programmierte App beworben hat.“ Nach der sechsmonatigen Pilotphase wird nun die Software für Contenxtual Intelligence erstmal gründlich überholt. Bis dahin bleibt es bei der manuellen Prüfung, zu der auch gehört, die eingegangenen Bewerbungen auch anderen Fachbereichen innerhalb des Unternehmens verfügbar zu machen. 

Beim dritten Abschnitt, den Bewerbungsgesprächen, ist Accenture darum bemüht, sich so gut es geht nach den Bewerbern zu richten. Erst in dieser Phase wird neben den Fachkenntnissen auch nach dem „Cultural Fit“ zwischen Bewerber*in und dem potenziellen Arbeitgeber gesucht und auf die Soft Skills geachtet. Zwar sind auch Shahriar Kamali Software-Produkte bekannt, die speziell für diesen Zweck entwickelt wurden, doch diese kommen bei Accenture noch nicht zum Einsatz.  

KI als Personaldisponentin

„Durch die Strukturierung dieser Daten hoffen wir, einen Stream aufbauen zu können, der uns in der Zukunft den Einsatz von intelligenten Systemen ermöglicht“, sagt Kamali. Dieser Stream würde nahtlos an den vierten Abschnitt anschließen, dem bereits im Einsatz befindlichen Modul „AI-based Staffing“. „Hier geht es darum, den Bedarf der Projekte frühestmöglich zu erhalten und daraufhin das Angebot an verfügbaren Mitarbeitern damit abzugleichen – bei 12.000 Mitarbeitern eine komplexe Aufgabe“, erklärt Kamali. „Wir beschäftigen eine ganze Abteilung für diesen Zweck und das lässt sich nicht mehr mit Excel machen. Deswegen haben wir in Zusammenarbeit mit den Kollegen aus dem Bereich Digitalisierung ein Projekt ins Leben gerufen, um einen internen Pilotversuch aufzubauen, der bei der Besetzung der Projekte hilft.“

Bei der KI-gestützten Personaleinsatzplanung wird das Wunschprofil des gesuchten Projektmitarbeiters mit den hinterlegten Profilen des verfügbaren Personals abgeglichen. (Quelle: Accenture)
Bei der KI-gestützten Personaleinsatzplanung wird das Wunschprofil des gesuchten Projektmitarbeiters mit den hinterlegten Profilen des verfügbaren Personals abgeglichen. (Quelle: Accenture)

In der Praxis sieht es so aus, dass die Disponenten (bei Accenture „Scheduler“ genannt) eine priorisierte Liste mit Kriterien wie Fachkenntnisse, Seniorität, Standort, Projektlaufzeit und andere in das System eingeben, um das Profil des gesuchten Projektmitarbeiters zu definieren. Das System liefert daraufhin eine Reihe an Vorschlägen mit den Namen der Mitarbeiter, die nach Trefferquote priorisiert sind. Grundlage hierfür ist eine Datenbank, die entsprechende Informationen über jeden Mitarbeiter bereithält. 

Das Ziel: Ganzheitliche Prozesse

Wie macht Accenture nun nach diesem Pilotprojekt weiter? „Wir haben global sehr viele solcher Pilotversuche gefahren, um zu lernen“, sagt Shahriar Kamali. „Was wir nun anstreben, ist eine interne Vernetzung dieser Systeme. „Wenn zum Beispiel ein Java-Entwickler oder ein SAP-Berater gesucht wird und dieser auf längere Sicht nicht verfügbar ist, sollte sich daraus automatisch ein Stellengesuch auf unserem Jobportal ergeben. Das ist der Verbindungspunkt, der uns noch fehlt, wir haben aber eine sehr gute Gelegenheit, ihn herzustellen. Wir stellen derzeit intern unsere HR-Systeme auf ein solches System um, das vom Recruiting bis zur Gehaltsabrechnung durchgehend verbunden ist. Das soll die Basis für ganzheitliche intelligente Personalprozesse stellen.“

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