Wie Digitalisierung auch bei den Mitarbeitern ankommen kann

Viele Arbeitnehmer befürchten, von der Digitalisierung „abgehängt“ zu werden. Unternehmen sollten deshalb mehr in gezielte Lernstrategien und eine offene Lernkultur investieren, um digitale Kompetenz auf- und Ängste bei Mitarbeitern abzubauen.

In Studien und Umfragen zeigt die Digitalisierung ein ambivalentes Bild: 54 Prozent der Arbeitnehmer befürchten im Zuge der digitalen Automatisierung den Verlust ihres Jobs. Dies ergab eine repräsentative Umfrage von Infratest Dimap. Laut Digitalverband BITKOM fühlen sich sieben von zehn Arbeitnehmern „not ready“ für die digitale Arbeitswelt und die damit verbundenen Anforderungen.

Dabei haben Industrie und Wirtschaft mit 33,5 Milliarden Euro in den letzten Jahren nicht gerade wenig in IT-gestützte Lernformate zu digitalen Themen investiert. Die Erfolge sind jedoch offenbar bescheiden, denn ein Großteil der Arbeitnehmer stellt den Lerninhalten in ihren Unternehmen ein schlechtes Zeugnis aus: „Unattraktiv, zeitintensiv, nicht bedürfnisgerecht, wenig praxisbezogen, geringe Relevanz“ – lautet das Urteil von 6.000 befragten Arbeitnehmern einer internationalen Studie des Marktforschungsunternehmens Towards Maturity in Zusammenarbeit mit Skillsoft.

Die genannten Kritikpunkte bieten gute Ansatzpunkte für Verbesserungen beim Kompetenzaufbau für die Digitalisierung. Dabei sind die folgenden fünf Kriterien besonders wichtig:

Weiterbildung strategisch anlegen

Weiterbildungsmaßnahmen und Lernstrategien müssen auf die definierten Unternehmensziele der Digitalisierung einzahlen. Dabei gilt es, zwei erfolgskritische Fragen zu beantworten: Welche Qualifikationsprofile werden für bestimmte Aufgaben heute und in Zukunft benötigt? Welches Wissen muss vermittelt werden, um dazu Kompetenz „von innen heraus“ aufzubauen?

Hier sind vor allem die Führungskräfte gefragt. Ihre Aufgabe ist es, Stärken und Defizite der Mitarbeiter zu identifizieren und die angebotenen Lerninhalte so effizient wie möglich zu verteilen. Ein wesentlicher Bestandteil des Corporate-Learning-Konzepts ist es daher, Managern mit Personalverantwortung die notwendigen Führungskompetenzen zu vermitteln, um sie auf ihre veränderte Rolle und Aufgaben vorzubereiten.

Relevanz und Praxisnähe steigern

Kernziel der unternehmensweiten Lernstrategie muss sein, Mitarbeitern digitale Prozesse im Unternehmen verständlich zu machen und sie zu befähigen, geeignete Technologien routiniert und risikobewusst einzusetzen. Adäquate Lernprogramme enthalten daher drei große Themenkomplexe: Businessbezogene Fähigkeiten, IT-Kenntnisse sowie Rechtskonformität und Unternehmenssicherheit. Dabei werden auch für die digitale Arbeitswelt unerlässliche Eigenschaften „trainiert“, wie analytische Kompetenzen oder die Fähigkeit, in virtuellen Teams zusammenzuarbeiten.

Lerninhalte sollten darüber hinaus kontinuierlich erweitert werden. Aktuelle Compliance-Themen, Mobbing-Prävention, das neue Entgelttransparenzgesetz und die nunmehr geltende DSGVO dürfen nicht fehlen. Sie verstärken unter Mitarbeitern das Gefühl, Up-to-date zu sein.

Diversifikation ermöglichen

Moderne Lernprogramme richten sich nach individuellen Lernbedürfnissen. Sie berücksichtigen unterschiedliche Zielgruppen im Unternehmen und unterscheiden nach Funktionen, Altersgruppen und Reifegrad. Zum anderen sind die Kurse nach unterschiedlichen Wissens-Levels strukturiert und bieten eine hohe Kontinuität.

Eine sehr zeitgemäße Schulungsmethode sind Micro Learning-Kurse: Diese hauptsächlich Video-basierten „Lernhäppchen“ haben einen starken Praxisbezug und können aufgrund ihrer geringen Dauer von fünf bis zehn Minuten ideal in den Arbeitsalltag eingebaut oder auch mobil genutzt werden. Ein Mix aus variablen Lernmedien gehört auch dazu; denn während einige lieber über Videos lernen, bevorzugen andere eher interaktive Spiele. Das „klassische“ eBook ist ebenfalls nach wie vor ein beliebtes Lernmittel.

Offene Lernkultur etablieren

Unternehmen müssen Qualifizierung fördern und gleichzeitig fordern. Sie müssen zeitliche Freiräume zum Lernen schaffen, mobile Pattformen für zeit- und ortsunabhängiges Lernen bereitstellen sowie individuelle Karriereperspektiven für qualifizierte Mitarbeiter verbessern. Auf diese Weise demonstrieren sie ein klares Bekenntnis zu einer gelebten Lernkultur. An der Belegschaft sollte das Vorhaben jedenfalls nicht scheitern. Denn laut der bereits erwähnten Towards Maturity-Studie sind rund 69 Prozent der Mitarbeiter überzeugt, durch digitale Lernangebote ihre Aufgaben im Job besser und schneller erfüllen zu können.

Best Practice erfolgreicher Unternehmen adaptieren

Top Performer haben eine umfassende Strategie zur Organisation, Strukturierung und Pflege ihrer Lerninhalte etabliert. Sie stellen ansprechende, multimodale Inhalte mit hohen Lernanreizen zur Verfügung und sorgen für ein außergewöhnliches, individuelles Lernerlebnis. Statt Lerninhalte frontal und einseitig zu vermitteln, prägen hoch interaktive Methoden den Prozess. Darüber hinaus überprüfen und aktualisieren fortschrittliche Unternehmen regelmäßig ihre Inhalte. Es lohnt sich, besonders erfolgreiche Modelle anzusehen und geeignete Bereiche für das eigene Unternehmen zu adaptieren – hier ist „abgucken“ einmal sinnvoll.

Fazit

Die Qualifikation der Mitarbeiter war schon immer ein entscheidender Wettbewerbsfaktor für Unternehmen. In der digitalen Arbeitswelt wird es erfolgsentscheidend sein, wie zeitnah essenziell erforderliche Fähigkeiten aufgebaut und vor dem Hintergrund permanenter Veränderungen angepasst werden können. Mit einer umfassenden Lernstrategie können Unternehmen wesentlich gezielter in digitale Lernformen investieren und ihre gesteckten digitalen Geschäftsziele besser erreichen.


Der Autor
Steve Wainwright ist Managing Director, EMEA der Skillsoft Gruppe, eines global führenden eLearning-Anbieters, und verantwortet das operative Direktgeschäft und den Channel-Vertrieb in Europa, dem mittleren Osten und Afrika. Vor Skillsoft leitete Wainwright internationale Vertriebsfunktionen bei Unternehmen wie Salesforce.com und Oracle. Als Chief Digital Officer gehörte er außerdem zum Vorstand von SAP in Großbritannien.

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