People Analytics: Zwischen Produktivität und Mitarbeiterüberwachung
Mitarbeiterüberwachung oder Datenanalyse zur Verbesserung der Arbeit? Damit People Analytics zum Firmenerfolg beitragen kann, müssen Beschäftigte Vertrauen in das Unternehmen und den Datenumgang bekommen. Das ist eine schwierige, aber machbare Aufgabe.
Nie standen Arbeitgebern mehr Möglichkeiten zur Verfügung, Informationen über ihre Belegschaft einzusammeln. Digitalisierte Personalakten, Kameras im Supermarkt und das Firmenhandy sendet Standortdaten an die Zentrale. Wenn es der Belegschaft misstraut, kontrolliert es sie auf diese Weise. Was mit den Daten geschieht, entscheidet bislang allein das Unternehmen – vorausgesetzt, es leistet sich keine grobe Verletzung des Datenschutzes oder der Persönlichkeitsrechte seiner Angestellten. Arbeitsplatzdaten, wie sie beispielsweise von Microsoft Workplace Analytics erhoben werden, können aber auch dazu beitragen, Mitarbeiter gezielt zu unterstützen, damit sie im Job zufriedener und damit motivierter und engagierter sind.
Mitarbeitererfahrung ist wie das messbare Kundenerlebnis im Sales und Marketing, nur eben intern.
Dazu wiederum braucht es das Vertrauen der Beschäftigten in das Unternehmen. Denn wie in anderen Lebensbereichen auch werden sich Menschen zunehmend ihrer Datenmacht bewusst und stemmen sich gegen die weitere Verwendung ihrer Daten, wenn sie nicht genau wissen, was damit passiert. Für das Unternehmen kann das schwerwiegende Folgen haben. Die Berater von Accenture nennen People Analytics in einer neuen Studie nicht umsonst: Goldmine oder Minenfeld.
People Analytics: Datenbasierte Personalführung
So wie Kundendaten im Sales und Marketing verwendet werden, um das Käufererlebnis zu verbessern, ist People Analytics das Pendant im Personalwesen. Neben den Kerndaten etwa zu Wohnort und Geburtsdatum, lassen sich Bewegungsdaten oder die Kommunikation mit Kollegen oder die Arbeitslast erheben. Auf dieser Datenbasis treffen Personaler und Führungskräfte immer häufiger Entscheidungen, die den Beschäftigten zugute kommen sollen. Laut der aktuellen Accenture-Studie nutzen bereits 62 Prozent der weltweit insgesamt 1400 befragten Unternehmen neue Technologien und Quellen für die Sammlung und Auswertung von Mitarbeiterdaten.
John Boudreau, Professor and Research Director at the University of Southern California’s Marshall School of Business and Center for Effective Organizations, fasst den Sinn und Zweck von People Analytics wie folgt zusammen: „Menschen und Maschinen interagieren immer mehr und hinterlassen eine Datenspur ihrer Arbeit, inklusive Lernverhalten, Erfolge und Möglichkeiten. Werden diese Daten ordentlich verwaltet und geteilt, sind die Informationen für Arbeitende und Führungskräfte ein Schatz, denn sie tragen dazu bei, bessere Entscheidungen zu treffen, und haben das Potenzial, neue Kräfte für ein produktives, agiles, leistungsfähiges, transparentes und engagiertes Umfeld zu sorgen.“
Vertrauen ins Datenhandling ist die Grundvoraussetzung für den Firmenerfolg
Die schlechte Nachricht: Die wenigsten haben Vertrauen in People Analytics. Nur 30 Prozent der Führungskräfte sind davon überzeugt, dass das Unternehmen verantwortungsvoll damit umgeht. Darüber hinaus wissen lediglich 32 Prozent der Beschäftigten, welche Informationen das Unternehmen über sie sammelt. Knapp über die Hälfte der Führungskräfte holen auch keine Zustimmung der Mitarbeiter ein, um ihre Daten erheben und verwenden zu dürfen. Heimlichkeit und Unsicherheit überlagern somit schnell die Chancen, die sich durch People Analytics ergeben.
Ein vertrauenswürdiger Betrieb floriert deutlich besser als einer mit kritischer Belegschaft.
Denn ohne Vertrauen wollen Beschäftigte verständlicherweise ihre Daten nicht hergeben. Die jüngsten Skandale um Datenmissbrauch in der Consumer-Welt, Sicherheitslücken in der IT-Infrastruktur oder die Sorge, für getätigte oder unterlassene Handlungen bestraft oder nicht belohnt zu werden, machen Beschäftigte immer skeptischer. Wenn Unternehmen es nicht schaffen zu transportieren, dass sie verantwortungsvoll mit den Mitarbeiterdaten umgehen, riskieren sie nicht nur ihren Ruf, sondern verlieren bares Geld. 77 Prozent der Führungskräfte sagen, Arbeitsplatzdaten können zum Wachstum des Geschäfts beitragen, 76 Prozent gehen davon aus, ihr Business könne dadurch agiler und effizienter sein und 74 Prozent glauben, mit den entsprechenden Daten das ganze Mitarbeiterpotenzial auszuschöpfen. Laut Accenture liegen zwischen dem Wachstum eines Unternehmens mit vertrauenden Mitarbeitern und dem mit kritischer Belegschaft 12,5 Prozentpunkte. Für die 6.000 größten börsennotierten Firmen bedeutet das eine Differenz von über drei Billionen US-Dollar.
Der Ruf von Unternehmen hinsichtlich des Umgangs mit Daten wirkt sich darüber hinaus auf die Fachkräftesuche aus. 55 Prozent sagen, sie würden bei einem weniger vertrauensvollen Unternehmen gar nicht erst anheuern. Und 53 Prozent der Wissensträger im Unternehmen engagieren sich weniger im Job, wenn sie Bedenken gegen die betriebliche Datenanalyse haben.
Big Data im Personalwesen ist ein Geben und Nehmen
Die wertvolle Ressource, nicht nur ein gutes Geschäftsmodell, sondern auch ein motivierendes Arbeitsklima für die Belegschaft zu schaffen, lassen Unternehmen noch häufig ungenutzt. Grundsätzlich sind Beschäftigte laut der Umfrage nämlich durchaus bereit, ihre Daten zu teilen. Allerdings muss zum einen etwas für sie dabei herausspringen. 62 Prozent würden bei ausreichendem Vertrauen der Datenerhebung zustimmen, wenn dadurch ihr Arbeitsalltag leichter würde, 61 Prozent wären offener bei der Option, sich dadurch beruflich weiterzuentwickeln und 56 Prozent würde eher zustimmen, wenn ihre Produktivität und Leistung dadurch steigen würde.
Beschäftigte sind eher bereit, ihre Daten zu teilen, wenn für sie etwas dabei herausspringt.
Zum anderen wollen sie die Datenhoheit behalten. 73 Prozent der befragten Mitarbeiter wollen beispielsweise über ihre Arbeitsdaten selbst verfügen und sie mitnehmen, wenn sie das Unternehmen verlassen. Die wenigsten Firmen gestatten dies derzeit. Immerhin 56 Prozent der Manager denken über das Open-Data-Konzept nach. Während im Consumer-Umfeld Opt-in-/Opt-out-Modelle oder die Kündigung von Datendiensten alltäglich sind, gibt es das im Arbeitsumfeld nur ganz selten.
„Die meisten Gesetze sind für das 20. Jahrhundert gemacht. Wir müssen die Normen aktualisieren, um Mitarbeiter im digitalen Zeitalter hinsichtlich Datenhoheit, Privatsphäre und Zustimmungsregeln besser zu unterstützen“, sagt beispielsweise Thomas Kochan, Professor am MIT Sloan School of Management und Co-Direktor beim Institute for Work and Employment Research.
Nach dem Motto „Gibst du mir, geb ich Dir“ verfährt etwa BMC Software. Der Software-Hersteller sichert Daten aus Business-Anwendungen wie Mails und Kalender, um die Produktivität der Belegschaft zu analysieren – allerdings in einem Opt-in-Modell (also, dass Mitarbeiter dem explizit zustimmen müssen). Im Gegenzug erhalten sie personalisiertes Feedback und Tipps für besseres Zeitmanagement. Aus der Sicht von Accenture kann es nur von Vorteil sein, Workplace Analytics statt zur Kontrolle und Deckelung von Beschäftigten dafür zu nutzen, um neue Karrierechancen zu eröffnen, Wertschätzung zu demonstrieren und Potenzial aufzuzeigen.
Aufgaben für die Vertrauensbildung
Führungskräfte können einiges dafür tun, das Vertrauen in People Analytics zu stärken. Voraussetzung dafür ist, das Gespräch mit den Beschäftigten zu suchen und sie an dem Prozess zur Einführung von People Analytics teilhaben zu lassen. Darüber hinaus sollten sie
- detaillierte Zustimmungsregeln definieren (Opt-in/Opt-out),
- für hohe Sicherheitsstandards sorgen,
- Datenerhebung und datenbasierte Entscheidungen transparent gestalten,
- Beschäftigten die Kontrollhoheit über ihre Daten lassen,
- Arbeitsplatzdaten-Modelle gemeinsam mit der Belegschaft entwickeln,
- Klare Leitlinien für ethische, rechtliche und technologische Fragen bei der Datenanalyse definieren.