Leitlinien für Künstliche Intelligenz – eine Sache der Industrie?
Noch vor der Erfindung der Glühbirne den Stecker ziehen? Während man sich in Deutschland mit Ethik-Fragen rund um die Künstliche Intelligenz den Kopf zerbricht, will die US-Regierung ausdrücklich keine Regelungen. Bei der Deutschen Telekom ist man um verantwortungsvollen Umgang mit KI bemüht und formuliert eigene Leitlinien.
Bislang hält sich die Politik bei rechtlichen oder Ethik-Fragen rund um das junge Phänomen Künstliche Intelligenz auffällig zurück. Zwar beschäftigen sich zahlreiche Wissenschaftler mit dem Thema, doch eine staatliche Regulierung ist weit und breit nicht in Sicht.
Nun kommt aus Washington an die Adresse großer US-Technologiefirmen wie Google, Oracle, Facebook, Microsoft das Versprechen, dass dies auch künftig so bleiben wird. Die Trump-Administration hatte hochrangige Wirtschaftsvertreter nach Washington eingeladen, um über einen rechtlichen Rahmen für Künstliche Intelligenz zu diskutieren.
„Amerika wird stets umsichtig an die Künstliche Intelligenz herangehen, dennoch werden wir das amerikanische Potenzial auf der internationalen Bühne nicht behindern“, verspricht Michael Kratsios, Chef des Office of Science and Technology Policy in Washington den angereisten Unternehmensvertretern. „Wir werden auch nicht versuchen, Probleme zu ‚lösen‘, die nicht existieren“, so Kratsios weiter. Die USA hätten Edison bei der Entwicklung der Glühbirne nicht mit bürokratischen Hürden ausgebremst und man habe auch die Verbindungen vor Graham Bells erstem Telefonat nicht gekappt.
Arbeitstätige sollen Anpassungsfähigkeit zeigen
So würden etwa in Afrika Drohnen eingesetzt, um Medizin zu liefern, das aber sei in den USA aufgrund hoher Auflagen in den USA nicht möglich. Kratsios erklärte am Donnerstag auch, dass es bis zu einem gewissen Grad unumgänglich sei, dass bestimmte Jobs verschwinden werden. Kratsios aber fordert auch hier die hohe Anpassungsfähigkeit der Amerikaner. Gleichzeitig müssten aber auch Wissenschaft, Politik und Wirtschaft gemeinsam an dem Thema arbeiten, um das volle Potential dieser Technologie ausschöpfen zu können.
So wolle die US-Regierung auch in die aktuelle Entwicklung nicht eingreifen, sondern vielmehr die weitere Entwicklung unterstützen, etwa mit der anonymisierten Bereitstellung von Regierungsdaten an Unternehmen. Auch soll künftig ein neues Komitee die Regierung in Fragen rund um KI beraten.
Abseits der Ernennung von Dorothee Bär zur Beauftragten für Digitalisierung ist die deutsche Regierung noch recht verhalten mit konkreten Stellungnahmen zur Digitalisierung und zur Künstlichen Intelligenz. Es soll erst einmal die Entwicklung gefördert werden, heißt es von der Bundesregierung. Forschungsministerin Karliczek sieht sehr wohl, dass ein ethischer Rahmen für Künstliche Intelligenz entwickelt werden müsse. „Diese Regeln müssen wir uns jetzt erst gemeinsam geben, damit nicht Dinge aus dem Ruder laufen. Es ist immer noch die Maschine für den Menschen da und nicht umgekehrt.“ Wann und wie dieser Rahmen entsteht, steht jedoch noch nicht fest.
Die Industrie gibt sich selbst Leitlinien
Bei der Deutschen Telekom will man offenbar nicht auf ein Signal aus Berlin warten und verordnet sich selbst einen Ethikkodex für den Einsatz Künstlicher Intelligenz. „Künstliche Intelligenz ist eine mächtige Technologie“, erklärt Claudia Nemat, Technologievorstand der Deutschen Telekom im Interview mit der Wirtschaftswoche. Daher gelte es, sich vor dem Einsatz zu überlegen, wo diese eingesetzt werden soll und in welchen Bereichen nicht. Wie viele andere Unternehmen auch nutzt auch die Telekom diese Technologie, etwa für die Kundenansprache.
Neben den großen gesellschaftlichen Auswirkungen sind aber auch rechtliche Fragen noch völlig offen, wie etwa die Haftung im Schadensfall. „Unser Kodex ist da klar: Wir behalten die Kontrolle und die Verantwortung“, so Nemat „Darum wollen wir auch verhindern, dass künstliche Intelligenz zur Blackbox wird, deren Entscheidungen wir nicht mehr nachvollziehen können.“ Auch sollten die von der Telekom eingesetzten KI-Systeme den gleichen Rechtsrahmen respektieren wie Menschen. Zudem sollen laut Telekom-Kodex die für die KI-Systeme zwingend benötigten Daten vor unerlaubtem Zugriff geschützt werden.
Nemat fordert aber auch die Politik zu unterstützenden Maßnahmen auf. Ein neues Einwanderungsgesetz soll es Unternehmen erleichtern, internationale Fachkräfte einzustellen. Zudem müssten in Europa mehr private und öffentliche Investitionen fließen, um die Region dauerhaft wettbewerbsfähig zu machen.
In der Schweiz dagegen soll in einem Feldversuch ein Algorithmus getestet werden, der die Verteilung von Asylsuchenden automatisiert. Berücksichtigt werden dabei unter anderem die Wahrscheinlichkeit, dass für die Person eine Stelle vorhanden ist, sowie auch eine gleichmäßige Verteilung über die Kantone hinweg. Das System hat für die Zuteilung historische Daten über Asylsuchende in der Schweiz ausgewertet. Bislang macht der Algorithmus jedoch lediglich einen Vorschlag für eine Zuteilung, die letzte Entscheidung liegt bei einem Mitarbeiter.