Digitale Ethik oder: Wie gelingt die Balance zwischen Wettbewerb und sozialer Verantwortung?

Wie schafft es eine Gesellschaft, die durch die Digitalisierung ausgelösten sozialen, politischen und ökonomischen Veränderungen wirtschaftlich zu nutzen und dabei sozial verantwortungsvoll zu handeln? Das ist die zentrale Frage der digitalen Ethik.

In allen Lebensbereichen beeinflussen digitale Technologien unser Handeln. Bei der Kommunikation, in der Arbeitswelt sowie der Bildung, ja sogar bei der Funktionsweise der Demokratie müssen Menschen überlegen, ob, wie und warum der Einsatz von Algorithmen, Künstlicher Intelligenz (KI) und Daten allgemein Sinn macht – um den eigenen Bedarfen nachzugehen und gleichzeitig die Freiheit und Privatsphäre anderer zu respektieren. Das ist ein Balanceakt, den die Politik, die Wirtschaft und jeder Einzelne austarieren muss.

Hauptsächlich der Staat soll ethische Regeln definieren, sagen viele in der Bevölkerung.
Hauptsächlich der Staat soll ethische Regeln definieren, sagen viele in der Bevölkerung. (Quelle: eco)

Derzeit halten sich Faszination einerseits und Verunsicherung andererseits die Waage. Die Digitalisierung ist Horror und Hurra zugleich, Orientierung dringend erwünscht. Um mehr Klarheit (und Sicherheit) zu schaffen, diskutieren Experten weltweit über ethische Standards für digitale Technologien. Diese Standards müssen beispielsweise festlegen, welche Rolle (und Verantwortung) Staat, Wirtschaft und Individuum haben, um zu gewährleisten, dass der digitale Wandel, so gravierend er auch sein mag, moralisch verträglich auf das Leben wirkt. Ethische Maßstäbe wie sie heute gelten sollen auf das digitale Zeitalter übertragen werden. Dabei geht es um Anstand, Fairness, Respekt und Toleranz, aber auch um Recht und Gesetz. Mit „Vertrauen in die digitale Welt“ könnte man das zusammenfassen. So zumindest hat es der eco Verband der Internetwirtschaft in seinem gerade veröffentlichten Kompendium „Digitale Ethik“ getan.

Digitale Ethik ist Aufgabe für Politik, Wirtschaft und Individuum

Der Verband zeigt anhand verschiedener Themenfelder wie kompliziert es ist, sich mit digitaler Ethik zu beschäftigten – und wie umfangreich. Die beschriebenen Herausforderungen fokussieren auf Bereiche wie Staat, Arbeitswelt, Datenschutz, Smart City sowie Bildung. Es geht nicht nur, vereinfacht gesagt, um das Verhältnis Mensch und Maschine bei der Verarbeitung der Daten, also wer digitale Informationen nutzt, um zu handeln. Es geht auch darum, wer intelligente Systeme wie und warum entwickelt, wie die Daten entstehen, wer sie produziert, welche Handlung daraus dann erst abgeleitet wird und wer für das alles verantwortlich ist.

Ein Beispiel: Personalverantwortliche können sich intelligenter Systeme bedienen, um potenziell passende Bewerber zu identifizieren. Auf diese Weise sparen sich Personaler Zeit, die bisher für die aufwendige Suche draufgeht. Die Frage ist, wer hat das System mit welchen Daten gefüttert, dass es ein Muster beim Bewerber filtert, welches auf die Stelle passt? Für einige ist die Vorgehensweise unvorstellbar, andere würden sich von einem Chat durch den ganzen Bewerbungsprozess begleiten lassen. Auch wenn ein Großteil der Bevölkerung die Verantwortung für die Erstellung ethischer Grundsätze im Digitalzeitalter beim Staat sieht, wie es der eco herausgefunden hat, sollte jeder einzelne auch für sich sein Handeln hinterfragen. Denn was passiert, wenn irgendwo etwas falsch läuft oder Fehler passieren?

Es liegt auch an der Unsicherheit, was KI alles kann, dass die Frage nach der Chancengleichheit im Bewerbungsprozess so ausgeglichen ausfällt.
Es liegt auch an der Unsicherheit, was KI alles kann, dass die Frage nach der Chancengleichheit im Bewerbungsprozess so ausgeglichen ausfällt. (Quell: eco)

Die Politik ist hier aufgerufen, arbeitsrechtlich-ethische Rahmenbedingungen für die Entwicklung, Nutzung und Haftung von intelligenten Systemen zu schaffen. Unternehmen müssen sich fragen, ob und unter welchen gegebenenfalls selbst verpflichtenden Regelungen sie der datenbasierten Entscheidung vertrauen. Und die Bewerber, die von der Technologie so fasziniert sind, müssen überlegen, ob sie sich als Individuum auf ein alghoritmisierte System einlassen und dessen Entscheidung auch verdauen können und wollen.

Die Spielregeln dafür brauchen nach Meinung von Oliver J. Süme, Vorstandsvorsitzender des eco, nicht komplett neu erfunden werden. „Das Internet ist schon heute kein rechtsfreier Raum“, sagt Süme. „In Europa haben wir bereits einen engmaschigen Rechtsrahmen für das Internet. Zudem können viele Konfliktfälle in der digitalen Welt mit der Gesetzgebung aus der analogen Welt gelöst werden“. Süme zufolge braucht es keine Neuordung des Rechtssystems, sondern eine Evolution, eine Weiterentwicklung.

Dialog und Diskussion über digitale Ethik ist in vollem Gang

Daran arbeiten eine Reihe von Kommissionen, Verbänden und Unternehmen. Seit Juni 2018 besteht beispielsweise die vom Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Potenziale“. Sie hat den Auftrag, pro und Contra KI abzuwägen und Handlungsempfehlungen im Umgang damit zu formulieren. Ethik-Kommissionen zum autonomen Fahren und die Datenethik-Kommission arbeiten bereits vorher. Zusätzlich entwickelte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) gemeinsam mit Unternehmen eine Plattform zu Corporate Digital Responsibility (CDR), um Prinzipien und Eckpunkte für ein verantwortliches Handeln von Unternehmen in der digitalen Welt voranzubringen.

Große Konzerne wie die Telekom arbeiten weniger an Gesetzen und wollen nicht darauf warten. Sie geben sich selbst Leitlinien für den ethischen Umgang mit KI, auch deshalb, um das Gleichgewicht zwischen sozialer Haltung und Innovation hinzubekommen. Das vom eco Verband veröffentlichte Kompendium wiederum versteht sich als Debattenbeitrag, wie es andere Verbände und Wissenschaftsorganisationen tun. Das Fraunhofer IAO beispielsweise ist Mitglied der Plattform Lernende Systeme und vielen weiteren Initiativen.

Digital-Kongress „2. Executive Convention Digital World & Governance”

Klaus von Dohnanyi, Jurist, Politiker und heute Vorsitzender des Beirates der Wegweiser Media & Conferences GmbH Berlin, vergleicht die aktuelle Disruption mit der Einführung der Schrift vor 4.000 oder 5.000 Jahren. „Der einst in Griechenland geführte und von Platon berichtete Streit „Gedächtnis oder schriftliche Erinnerung?“ blieb folgenlos: Schreiben gewann, so wie heute die Digitalisierung,“ zitiert ihn der eco Verband.

Klaus von Dohnanyi am 17.04.2018 in Berlin
Klaus von Dohnanyi am 17.04.2018 in Berlin (Foto:
Berlin, Humboldt Carre, Fotograf: HC Plambeck)

Von Dohnanyi ist Initiator der „2.Executive Convention Digital World & Governance” am 21. und 22. März 2019 in Berlin. Der Digital-Kongress folgt auf die Premiere 2018, die unter dem Titel „Gesellschaftlicher Dialog Ethik & Digitalisierung“ Digitalverantwortliche aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft mit dem Ziel zusammenbrachte, die Chancen und Risiken der digitalen Transformation sichtbar zu machen (Rückblick, siehe Video am Ende dieses Artikels) Die Veranstaltung in diesem Jahr steht unter dem Motto „Mit Verantwortung in die Zukunft“. In Partnerschaft mit VOICE – Bundesverband der IT-Anwender e.V., fokussiert der Kongress insbesondere die Wirtschaft und stellt die konkrete Steuerung (Governance) der digitalen Transformation unternehmensseitig und im Zusammenspiel mit der Politik in den Mittelpunkt. Eröffnet wird die Veranstaltung mit einer Keynote des Chefs des Bundeskanzleramts, Bundesminister Prof. Dr. Helge Braun. Themenschwerpunkte sind:

  • Organisation & Führung: „Welt im Umbruch – Leadership im Wandel?“ Organisations- und Führungsstrukturen im Spiegel der digitalen Disruption.
  • Markt & Staat: (Un-)lösbarer Zielkonflikt zwischen Freiheit und Ordnung: Welche Regulierung braucht die Digitalisierung?
  • Technologie & Collaboration: Automatisierung, Big Data, KI & Co.: Wie verändern sich die Anwender- und Anbieterbeziehungen, nachdem „alles digital“ ist?

Der eco Verband war übrigens Partner des ersten Wegweiser Kongresses im letzten Jahr. „Das Kompendium ist sozusagen Zusammenfassung und Weiterführung der im Rahmen des Kongresses diskutierten Themen, Positionen und Diskussionsansätze rund um das Thema Ethik und Digitalisierung“, so Süme.

Rückblick auf den 1. Gesellschaftliche Dialog Ethik & Digitalisierung:

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