Digitalisierung erzwingt eine Modernisierung der Ausbildungsberufe

Im ersten Lehrjahr stehen oft anspruchslose Arbeiten auf der Tagesordnung. Was aber, wenn Roboter die Routineaufgaben übernehmen? Lehrlinge brauchen eine andere Art Einführung in den Beruf als Akten zu sortieren. Das Bundesinstitut für Berufsbildung hat jetzt darauf reagiert.

Kaffee kochen, Dokumente sortieren, aufräumen – das sind die klassischen Klischees für Tätigkeiten im ersten Lehrjahr in einem Ausbildungsberuf. Das gehört einfach dazu, auch wenn der „Stift“ für den eigentlichen Job noch nichts lernt. Neudeutsch könnte man heute zumindest sagen: Es sind eben die Soft Skills, die trainiert werden, soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit oder andere Verhaltensweisen. Für die ersten Einblicke und weil ja noch kein Know-how da ist, eignen sich Routineaufgaben wie Dokumente sortieren, für Kollegen recherchieren oder das Archiv in Ordnung halten.

Qualifizierter Nachwuchs ist nicht zu erwarten, wenn Ausbildungsstellen gestrichen werden

Jetzt gibt es aber ein Problem: Derartige repetitive Aufgaben werden zunehmend an digitale Assistenten abgegeben. Statt beispielsweise für ein Firmen-Audit manuell hunderte Verträge durchzusehen, erledigt ein elektronisches System, entsprechend „trainiert“ auf Schlüsselbegriffe, diese Arbeit innerhalb einer Stunde. Und digitalisierte Dokumente sortieren sich mit Hilfe von smarten Software-Tools selbst. Damit gelingt zweierlei: Zum einen kann diese Basisarbeit viel schneller abgewickelt werden. Zum anderen minimiert sich die Fehlerquote.

Was passiert, wenn nicht mehr ausgebildet wird?

Diese Erfahrung hat das Beratungshaus Deloitte gemacht. Das Unternehmen nutzt KI-Systeme für eben jene Audits. Somit fehlt Lehrlingen aber die Möglichkeit, erste Erfahrungen im Firmenumfeld zu sammeln. Wichtiger in einem automatisierten Prozess sind junge Berufserfahrene, die die Ergebnisse der KI-Systeme gegenchecken. Allerdings, so fragt selbst Deloitte-CEO Cathy Engelbert laut einem US-Magazin, woher sollen sie ihre Erfahrung haben, wenn sie nicht ‚ganz unten‘ begonnen haben?

Das könnte tatsächlich in einer gefährlichen Spirale enden. Denn wenn Unternehmen für Lehrlinge kaum noch Einstiegsaufgaben haben, wenn sie operativ noch nicht soweit sind, aber auch keine Chance haben dorthin zu kommen, dann bildet niemand mehr aus und will niemand mehr ausgebildet werden. Dann müssen Fachkräfte woanders herkommen – woher, weiß niemand. Die Wissensträger fehlen schon heute an allen Ecken und Enden, extern wie intern. Qualifizierter Firmennachwuchs ist nicht zu erwarten, wenn Ausbildungsstellen gestrichen werden.

Bei Deloitte und wahrscheinlich auch in anderen Unternehmen sieht man ein massives Problem auf die Berufswelt zurollen. Der digitale Wandel ermöglicht Unternehmen, effizienter, produktiver und flexibler zu sein. Der Veränderung könnte aber der klassische Ausbildungsalltag zum Opfer fallen. Denn wenn sich die Ausbildungsmodelle nicht parallel zur Unternehmensentwicklung verändern, wird es in Zukunft schwierig, Lehrlinge an den Beruf heranzuführen.

Ausbildungsberufe, die mit der Zeit gehen

Eine zusätzliche Option wäre folgende: Firmen öffnen den Weg und werden Heimat ganz neuer Berufsbilder. Mit dem Ausbildungsstart am 1. August 2018 gehen immerhin 25 modernisierte Ausbildungsberufe an den Start. Erstmals können dann jungen Menschen den Beruf des Kaufmanns/der Kauffrau im E-Commerce erlernen. Eine Reihe von Ausbildungsbeschreibungen wurden zudem an die Veränderungen durch die Digitalisierung angepasst. „Für das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) ist eine moderne Ausbildung zentral, um Berufseinsteiger fit für die Zukunft zu machen und leistungswillige Nachwuchskräfte zu stärken“, sagt Friedrich Hubert Esser, Präsident des BIBB.

Grund für Neuordung im kaufmännischen Bereich sind laut BIBB die im Zuge der Digitalisierung entstandenen neuen Tätigkeitsfelder. So widmet sich der Kaufmann/die Kauffrau im E-Commerce den Waren- und Dienstleistungssortimenten und integriert sie in von ihm/ihr weiterentwickelten Vertriebskanäle, bewirtschaftet Onlineshops, agiert in modernen, kundenfreundlichen Kommunikationskanälen, kennt sich mit Online-Bezahlsystemen aus und arbeitet projektorientiert im E-Commerce. Nach der dreijährigen Berufsausbildung sollen die Kaufleute sowohl im Einzel-, Groß- und Außenhandel als auch in der Tourismusbranche oder bei Herstellern und Dienstleistern tätig sein können.

Zusatzqualifikation Digitale Vernetzung bedient den Fachkräftebedarf

Einige andere Berufsbilder hat das BIBB angepasst und um die Berufsbildposition „Digitalisierung der Arbeit, Datenschutz und Informationssicherheit“ erweitert. Dazu zählt beispielsweise der Elektroniker/-in für Automatisierungstechnik, unter anderem zuständig für die Betreuung von Automatisierungssystemen. In den industriellen Elektroberufen können Lehrlinge darüber hinaus drei optionale Zusatzqualifikationen – Programmierung, IT-Sicherheit und Digitale Vernetzung – erwerben, die insbesondere veränderte aus der Digitalisierung sich ergebende Qualifikationsbedarfe bedienen.

Die Berufsfamilie der IT-Berufe wird seit 2017 runderneuert. Hinkommen Qualifikationen wie „IT-Sicherheit, Datenschutz und Urheberrecht“ und ab August 2020 will man den Veränderungen in den Bereichen Vernetzung, Internet of Things, Industrie 4.0 und der damit verbundenen Digitalisierung aller Wirtschaftsbereiche Rechnung tragen.

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