Vom Werkzeug zum digitalen Assistenten: Wie Microsoft sein Office neu erfindet
Microsoft Office soll in Zukunft keine bloße Sammlung von Büro-Anwendungen sein, sondern ein komplett ausgestatteter digitaler Arbeitsplatz, der alle Funktionen zur Bearbeitung von Dokumenten, Kommunikation und interaktiver Zusammenarbeit bietet und auf Wunsch komplett aus der Cloud kommt.
Office ist nach wie vor die vielleicht wichtigste Komponente eines digitalen Arbeitsplatzes – und Microsoft gibt sich reichlich Mühe, dass dies auch in Zukunft auch so bleibt. Bereits in den letzten Jahren hat der Hersteller damit begonnen, durch gezielte Firmenkäufe das Kernprodukt aus Word, Excel, PowerPoint und Outlook zu erweitern. Erwähnenswert sind vor allem die Akquisitionen von Skype, LinkedIn und Yammer. Letzteres ist ein Facebook-ähnliches soziales Netzwerk, das Unternehmen ausschließlich für ihre Mitarbeiter aufsetzen können.
Durch die Integration dieser Produkte in Office stellt Microsoft die Weichen für einen digitalen Arbeitsplatz, der konzeptionell viel weiter gefasst ist als das MS-Office, das wir bisher kannten. Dieser soll zunächst alle wichtigen Voraussetzungen eines modernen Arbeitsplatzes erfüllen: Unabhängigkeit vom Standort, an dem der jeweilige Nutzer gerade arbeitet; Unabhängigkeit vom Endgerät, das er gerade benutzt; und ein hohes Maß an Datensicherheit, Vertraulichkeit und Datenschutz.
Zugleich soll der neue digitale Arbeitsplatz alle drei wesentlichen Bereiche der digitalen Arbeit abdecken: Die Arbeit mit Dokumenten, die Kommunikation mit Kollegen und der Außenwelt sowie die digitale Interaktion, also die elektronische Zusammenarbeit (Kollaboration) über ein beliebiges Endgerät. Auf seiner Hausmesse Ignite hat Microsoft letzte Woche eine ganze Reihe von Neuerungen rund um den digitalen Arbeitsplatz präsentiert, an denen die Gestalt des künftigen Office deutlicher wird.
Arbeit mit Dokumenten
Microsoft verwischt weiter die Grenzen zwischen dem lokalen Speicherort einer Datei und der Cloud. Nutzer von Office 365 können jetzt schon wählen, ob sie eine Datei lieber auf ihrem Rechner oder in einem ihrer Online-Speicherorte ablegen wollen. Da vor allem bei mobilen Geräten der Speicherplatz schnell knapp wird, Dateien aber trotzdem offline verfügbar sein sollen, hat Microsoft für Mac-Benutzer die Funktion OneDrive-Dateien On-Demand eingeführt. Damit zeigt Microsofts Cloud-Speicher OneDrive alle Dateien im Finder an, lädt eine aber nur dann herunter, wenn sie wirklich vom Nutzer gebraucht wird. Das spart Speicherplatz auf dem Gerät und Datenvolumen bei einer mobilen Internet-Verbindung.
Über Grenzen hinweg arbeitet auch die neue Suchfunktion Microsoft Search. Damit sollen Kontaktdaten, Dateien und andere wichtige Informationen innerhalb und außerhalb von Microsoft 365 leichter gefunden werden – ohne das jeweilige Programm verlassen zu müssen. Microsoft Search wird sukzessive in Office.com, Bing.com, der mobilen SharePoint-App eingeführt und soll bald auch im Edge-Browser, Windows und Office Einzug verfügbar sein.
Office bekommt Künstliche Intelligenz
Die wichtigste Neuerung in Office dürfte jedoch die Einführung Künstlicher Intelligenz in die Arbeit mit Dokumenten sein. Sie spielt natürlich zunächst bei der neuen Suchfunktion eine tragende Rolle. Mit der Zeit soll sie den Benutzer so gut kennen, dass sie über die Auswertung der Inhalte in seinen Dokumenten Zusammenhänge erkennt und Fragen wie „Kann ich meine Familie zu einem Betriebsausflug mitbringen?“ automatisch beantwortet.
Ein neuer KI-Assistent namens „Ideas“ soll Nutzern intelligente Vorschläge bei der Bearbeitung von Excel- und PowerPoint-Dokumenten machen. Ideas soll beispielsweise Trends und Zusammenhänge in den Dokumenten erkennen, bestimmte Diagramme vorschlagen und den Nutzer auf ungewöhnliche Werte hinweisen. Eine neue KI-gestützte Bildmustererkennung verwandelt handgeschriebene oder ausgedruckte Tabellen außerdem automatisch in ein Excel-Datenblatt und in PowerPoint empfiehlt Ideas Folien-Designs, Layouts und Bilder.
Kommunikation und Interaktion
Das Adressbuch in Office soll jetzt durch die Integration von LinkedIn-Kontakten erweitert werden. E-Mails können damit aus Outlook direkt an LinkedIn-Kontakte geschickt werden. Microsoft verspricht den Nutzern eine einfachere Pflege von Geschäftsbeziehungen, weil dadurch das Adressverzeichnis der Firma, die eigenen Kontakte und die LinkedIn-Bekanntschaften enger zusammenrücken. Bei Einladungen zu Besprechungen wird es zum Beispiel leichter, Informationen über einzelne Teilnehmer zu bekommen, die man bis dahin gar nicht oder nur wenig kannte. Durch die Verknüpfung des LinkedIn-Profils mit Office 365 soll es künftig auch möglich sein, gemeinsam mit LinkedIn-Kontakten Dateien in der Web-Version von Word, Excel und PowerPoint zu bearbeiten.
Die wichtigste Plattform für digitale Zusammenarbeit soll allerdings Microsoft Teams werden. MS-Teams vereint Gruppenkommunikation, Dokumentenablage und die Kommunikationsfähigkeiten von Skype for Business in einer Anwendung. Ihre Stärke dürfte darin liegen, dass die dort gespeicherten Dokumente lokal bearbeitet werden können, sie müssen nicht erst heruntergeladen und in Word oder Excel auf dem PC geöffnet werden. Schon jetzt wird sie laut Microsoft von weltweit mehr als 300.000 Unternehmen weltweit genutzt.
KI-Funktionen sollen nun die Zusammenarbeit in MS-Teams noch intelligenter machen. So lassen sich Besprechungen in Teams auf Wunsch schon jetzt aufzeichnen, künftig sollen sie auch automatisch protokolliert werden – man darf auf die Qualität der Protokolle gespannt sein. Außerdem ist geplant, dass Anwender über Skype for Business die Funktion „Background Blur“ aktiveren können. Bei Video-Telefonaten und -Konferenzen wird dann die Umgebung eines Teilnehmers unscharf gemacht, was bei unaufgeräumten Homeoffices ein Segen sein dürfte.
Digitale Arbeitsplätze aus der Cloud
Microsoft will ab dem nächsten Jahr komplett ausgestattete virtuelle PCs über seine Azure-Cloud anbieten. Bei dem auf der Ignite vorgestellten Windows Virtual Desktop handelt es sich laut Microsoft um den ersten Cloud-basierten Dienst, der virtuelle Windows-10-Arbeitsplätze skalierbar für eine Vielzahl von Anwendern realisieren kann. Solche Arbeitsplätze sollen sich innerhalb von Minuten einrichten lassen, inklusive der vom jeweiligen Unternehmen definierten Sicherheits- und Datenschutzrichtlinien.
Apropos Sicherheit: Microsoft hat letzte Woche die Ära der Passwörter für beendet erklärt. Eine neue App namens Authenticator definiert eine neue Login-Form, für die kein Passwort nötig ist. Der Nutzer legitimiert sich über eine Kombination aus Fingerabdruck, Gesichtserkennung und einer PIN, die ihm an sein Smartphone geschickt wird.