Die Blockchain hält Einzug in die Arbeitswelt
Vertraulichkeit, Fälschungssicherheit und Transparenz – mit diesen drei Eigenschaften erobert die Blockchain-Technologie gerade die IT-Welt. Zu den neuesten Anbietern von Blockchain-Lösungen gehören Hersteller von Personalmanagement-Software.
Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum nutzen sie, die neuen digitalen Zentralbankwährungen werden darauf aufbauen, die Herkunft von Edelmetallen und Diamanten wird damit nachvollziehbar, auch die digitale Patientenakte wird wahrscheinlich irgendwann nicht ohne sie auskommen: Die Blockchain-Technologie hat das Potenzial, unseren Alltag in den nächsten Jahrzehnten zu prägen und die Richtung der technologischen Weiterentwicklung entscheidend zu beeinflussen.
Was genau ist die Blockchain?
Vereinfacht ausgedrückt ist die Blockchain nichts anderes als eine Datenbank, die aber keinen zentralen Speicherort hat, sondern in einer verschlüsselten Form auf allen Computern ihrer jeweiligen Anwenderschaft gespeichert ist. Außerdem enthält die Blockchain in der Regel nicht nur den aktuellen Status eines Wertes (im Fall einer Kryptowährung wäre das der Betrag, der sich in der digitalen Geldbörse eines Nutzers befindet), sondern auch die Vorgeschichte jeder Transaktion, die zu diesem Wert (im Fall der Kryptowährung zu diesem Guthaben) geführt hat. Dadurch ist die Blockchain extrem resilient und fälschungssicher, denn kaum eine externe Instanz ist in der Lage, einen Datenbankeintrag gleichzeitig auf allen Rechnern zu verändern.
Nicht nur der absolute Wert eines Guthabens, sondern auch all die Transaktionen, die diesen Wert generierten, sind in der Blockchain gespeichert.
Einblick hat der jeweilige Nutzer nur in die Werte und Transaktionen, an denen er selbst beteiligt war. Zumindest bei Community-Währungen wie Bitcoin ist dies der Fall. Diese Eigenschaft sowie die Tatsache, dass keine Zwischeninstanz wie eine Bank hinzugeschaltet werden muss, um eine Transaktion zu vollziehen, erklärt zu einem guten Teil die Attraktivität von Bitcoin & Co. Ob dieses Vertraulichkeitsniveau auch bei den offiziellen digitalen Zentralbankwährungen (Central Bank Digital Currency, CBDC) gegeben sein wird, die bald eingeführt werden, ist allerdings zu bezweifeln. Das Interesse, Wirtschafts- und sonstige Kriminalität zu bekämpfen, dürfte zu sehr im Vordergrund stehen, als dass z.B. die Europäische Zentralbank auf eine Art „Generalschlüssel“ zum Einblick in alle Transaktionen verzichten würde.
Lösung sucht Problem
Die Blockchain-Technologie ist freilich noch in einem Stadium, in dem es noch einigen Aufwand und noch mehr technische Expertise braucht, um ein Blockchain-Ökosystem aufzubauen. Seit einigen Jahren bieten große Cloud-Anbieter wie Microsoft oder Amazon Web Services komplette Blockchain-Entwicklungsumgebungen an, um die Eintrittsschwelle zu Blockchain-Anwendungen zu senken. Nur braucht es auch einen hinreichend begründeten Bedarf und den passenden Anwendungsfall, damit der Stein ins Rollen kommt. „Die Blockchain ist dort angebracht, wo es zwischen zwei Instanzen ein Problem zu lösen gibt, zwischen denen es kein Vertrauensverhältnis gibt“, erklärt Björn Obermeier, Principal Director Multiparty Systems bei Accenture.
Konstellationen, bei denen es den Aufwand lohnt, gibt es momentan scheinbar nur dort, wo auch viel auf dem Spiel steht: Das Responsible Sourcing Blockchain Network etwa nutzt die Blockchain-Technologie von IBM, um die Produktion und den Handel mit Kobalt zu überwachen, das zur Produktion von Batterien verwendet wird. Auf derselben Technologie basiert auch das IBM Food Trust, über das die Herkunft von Lebensmitteln nachvollziehbar wird. Der Überweisungsdienst Ripple nutzt die Blockchain, um größere Transaktionen zwischen Finanzinstituten abzuwickeln.
Wie vertrauenswürdig ist ein Lebenslauf?
In den letzten Jahren wird Blockchain-Technologie allerdings immer mehr auch im Personalbereich ins Spiel gebracht, allen voran von Software-Anbietern für die Personalverwaltung wie Workday oder Sumtotal Systems. Begründet wird dies in der Regel mit der Verwaltung von persönlichen Informationen, die natürlich eine hohe Vertraulichkeitsstufe genießen, aber auch mit deren Nachvollziehbarkeit. Verschiedenen Studien zufolge sind bei bis zu 85 Prozent der Lebensläufe und Bewerbungen Diskrepanzen zwischen den angegebenen und den tatsächlichen Daten über die Qualifikationen von Bewerbern festzustellen. Das reicht von Angaben über bestimmte Fachkenntnisse bis zu „Ärzten“, die ohne entsprechende Ausbildung praktiziert haben.
„In der heutigen Arbeitswelt, in der nicht nur die Anforderungen für Qualifikationen und Zertifizierungen, sondern auch die Mitarbeiter immer schneller wechseln, ist die Blockchain als sinnvolle Ergänzung der heutigen Lösungen zu sehen“, sagt Jon Drakes, Director Solution Architects bei SumTotal Systems. Sein Arbeitgeber hat neun Bereiche identifiziert, in denen Blockchain-Technologie im Personal- und Sicherheitsanforderungen revolutionieren könnte.
1. Einstellungsverfahren und Lebenslauf-Check: Kritische Daten wie Ausbildungsabschlüsse und Zertifizierungen würden in der Blockchain erfasst. Das würde die Überprüfung der Angaben aus dem Lebenslauf vereinfachen.
2. Onboarding und Karriereweg im Unternehmen: In der Blockchain wird während der gesamten Beschäftigungszeit festgehalten, wie sich die Position und Rolle des/r Angestellten ändert und welche weiteren Qualifikationen erworben werden, bis der/die Mitarbeiter*in das Unternehmen verlässt. Ob und in welchem Umfang der nachfolgende Arbeitgeber Zugriff auf diese Daten hätte, ohne die Privatsphäre des/der Beschäftigten zu verletzen, muss wohl noch rechtlich geregelt werden.
3. Smart Contracts: Laut dem US-IT-Branchenverband CompTIA setzten 45 Prozent der „Early Adopters“ Blockchain bereits 2017 zur Umsetzung von Smart Contracts in ihren Unternehmen ein, um beispielsweise die Leistungen von Dienstleistern zu überprüfen. Auch für die regelmäßige Lohnabwicklung der Angestellten werden Smart Contracts in Betracht gezogen.
4. Identitätsmanagement: Die Blockchain kann persönliche Identitätsdaten der Nutzers beherbergen, die der Nutzer autonom kontrolliert und deren Legitimität er schlüsselfertig nachweisen kann. Damit würde eine aufwändige Administration über Dritte überflüssig.
5. Rechte und Zugriffsverwaltung: Eine zentrale Quelle zum Nachweis der Identität und der entsprechend zugewiesenen Berechtigungen würde auch die Verwaltung von Zugriffsdaten erheblich erleichtern und für eine bessere Unternehmenssicherheit sowie Transparenz über Abteilungseinheiten und Branchen hinweg sorgen.
6. Sichere Transaktionen: Solche Transaktionen über die Blockchain können die Vertraulichkeit beim Austausch persönlicher Informationen, Arbeitserfahrungen und Aufzeichnungen sichern und den Austausch zugleich dokumentieren.
7. Qualifikationsmanagement: Der Nachweis von Qualifikationen, Zertifizierungen oder deren Äquivalenzen über geografische Grenzen hinweg könnte mit der Blockchain vereinfacht werden, ebenso wie deren Validierung.
8. Compliance & Auditing: Das sichere Identitäts- und Qualifikationsmanagement bildet auch die Basis, um Compliance und Audit-Anforderungen zu vereinfachen. Laut Sumtotal gibt es bereits erste Beispiele von Sicherheitszonen in der Fertigung oder für Wartungstechniker an Flughäfen, zu denen Mitarbeiter keinen Zutritt erhalten, wenn im Rahmen ihrer Identifikation nicht der Nachweis für die erforderlichen Lizenzen – „License to Operate“ – erbracht werden kann. Zu groß wäre ansonsten das Risiko, dass der Arbeitgeber bei Fehlern rechtlich belangt wird.
9. Zugriff & Zugang: Die Speicherung von biometrischen Daten wie Fingerabdrücke oder Iris-Scans kann den Zutritt in besonders sensible Unternehmensbereiche oder die Teilnahme an bestimmten Unternehmensprozessen sicher regeln.