Wie die KI der Google Cloud Anwendungen aufwertet
Wer anspruchsvolle Anwendungen auf Basis Künstlicher Intelligenz zu erschwinglichen Kosten erstellen möchte, kommt an die Big Player im Cloud-Geschäft nicht vorbei. Das liefert Anbieter wie Google Cloud die Gelegenheit, ihre Stärken auszuspielen.
Als Anbieter von Cloud-Computing-Services ist Google neben Microsoft und Amazon Web Services (AWS) einer der großen drei ‚Hyperscaler‘. Die Cloud-Sparte von Google betreibt Rechenzentren in 34 Regionen weltweit, in Deutschland ist das Rechenzentrum in Frankfurt am Main angesiedelt. Gemessen an ihrem Marktanteil hat die Google Cloud gegenüber ihren zwei Hauptwettbewerbern zwar noch einiges aufzuholen (siehe Grafik); doch das technische Fundament des Konzerns und seine sprichwörtliche Innovationsfähigkeit geben dem deutschen Management der Cloud-Sparte die nötige Gelassenheit, um die Aufholjagd zuversichtlich anzugehen.
An Selbstbewusstsein mangelt es zumindest nicht. „Wir waren diejenigen, die zu Beginn der Pandemie nichts ändern mussten“, sagt zum Beispiel Bernd Wagner, Managing Director der Google Cloud in Deutschland, in Bezug auf den Cloud-Workspace von Google. Immerhin war Google mit seiner Online-Office-Suite, den Videokonferenz-Möglichkeiten und dem vielfältigen Ökosystem an Partner-Lösungen der Pionier schlechthin in Sachen Cloud-Workplace.
Reichlich namhafte Kunden in Deutschland
Auch was Kunden in Deutschland betrifft, braucht Google sich nicht zu verstecken – Namen wie Volkswagen, Deutsche Bank, Siemens Energy, Deutsche Börse, SAP oder Metro sprechen für sich. „Der Unterschied zur Konkurrenz liegt nicht in der Pflicht, sondern in der Kür“, sagt Bernd Wagner. Gemeint sind damit vor allem Googles Fähigkeiten im Umgang mit Daten und besonders das Wissen in Sachen Künstliche Intelligenz. Das ist ein Gebiet, dem sich das Unternehmen sehr früh widmete. Auch sind wichtige Tools zur Entwicklung von KI-Anwendungen, wie zum Beispiel TensorFlow, im Hause Google entstanden und gehören heute zu den Standards der Open-Source-Community.
Auf dieses Wissen greifen Google und seine Kunden zurück, um aufsehenerregende Anwendungen zu erstellen. Dazu gehört zum Beispiel eine Anwendung der Lufthansa für den Zürcher Flughafen Kloten. Durch letzteren bläst häufig die Bise, ein starker nordöstlicher Wind, dessen Böen gravierende Auswirkungen auf den Flugplan haben können. So sind Flugzeuge manchmal kurzfristig gezwungen, die Landebahn zu wechseln, was eine Kettenreaktion von Flugverspätungen und Annullierungen auslösen kann. Resultat ist eine Verringerung der Abfertigungskapazität um bis zu 30 Prozent, was für die Lufthansa Umsatzausfälle in Millionenhöhe und unzufriedene Fluggäste bedeutet.
Einsparungen in Millionenhöhe
Abhilfe dagegen bringt die Fähigkeit, den Wind genauer vorherzusagen, um den Flugbetrieb optimal auf Start- und Landebahnen bzw. Zeitfenster zu verteilen und so die möglichen Störungen im Flugplan zu minimieren. Die Vorhersage der genauen Richtung, der Geschwindigkeit und der Stärke des Windes ist jedoch sehr schwierig zu modellieren, weshalb sich die Lufthansa an Google Cloud wandte. Denn Maschinelles Lernen (ML) kann helfen, diese Art Wetterereignisse besser vorherzusagen.
Um das Fundament für das Deep-Learning-Training zu schaffen, griff Google auf Simulationsdaten von Meteoswiss zurück. Die Daten des Schweizer Bundesamtes für Meteorologie beinhaltet Vorhersagen über Windrichtung, -geschwindigkeit und -druck, sowie über Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Diese Daten wurden anschließend mithilfe der Vertex AI Workbench bereinigt und aufbereitet, um den endgültigen Datensatz für das Training der Algorithmen zu erhalten. Vertex AI Forecast, ein AutoML-basierter Prognoseservice von Google, gab den Vorhersageergebnissen den letzten Schliff.
Die Lufthansa kann nun Stunden im Voraus die Bise vorhersagen, mit einer relativen Verbesserung der Genauigkeit um mehr als 40 Prozent im Vergleich zu internen Heuristiken. Bemerkenswert ist auch der geringe Aufwand für das Projekt, das innerhalb von Tagen Ergebnisse lieferte anstatt der Monate, die ML-Projekte dieser Größenordnung oft in Anspruch nehmen.
Volkswagen verkürzt seine Entwicklungszeiten
Volkswagen nutzt die Google-KI, um die Energieeffizienz seiner Fahrzeuge zu optimieren. Die Verbesserung der Aerodynamik ist in der Regel ein iterativer Prozess, bei dem die Designer viele Entwürfe durchgehen, jeden einzelnen bewerten, das Feedback integrieren und anschließend verfeinern. Dabei ist der Luftwiderstandsbeiwert eines Fahrzeugs einer der wichtigsten Faktoren für die Energieeffizienz. Schätzungen des Luftwiderstandsbeiwerts für mehrere Entwürfe helfen den Konstrukteuren, sich beim Experimentieren auf energieeffizientere Lösungen zu einigen.
Das Problem dabei ist, dass die Schätzung des Luftwiderstandsbeiwerts ein teurer und zeitaufwändiger Vorgang ist, der entweder einen physischen Windkanal oder eine rechenintensive Simulation erfordert, was zu Engpässen im Feedback-Zyklus führen kann. Volkswagen und Google Cloud haben deshalb beschlossen, in einem gemeinsamen Forschungsprojekt zu untersuchen, wie Machine Learning zu schnellen und kostengünstigen Schätzungen des Luftwiderstandsbeiwerts eingesetzt werden kann.
Weniger Windkanal-Tests notwendig
Im Rahmen dieses Projekts wurden zunächst die Datensätze bestehender Fahrzeugdesigns und ihrer Luftwiderstandsbeiwerte gesammelt und daraus eine Darstellung der verschiedenen Autos erarbeitet, die für das Training der ML-Algorithmen geeignet war. Anschließend wurde ein Deep-Learning-Modell trainiert, den Luftwiderstandsbeiwert eines Designs vorherzusagen. Dank dieses Modells kann nun für jedes neue Design der Luftwiderstandsbeiwert mit einer relativ großen Genauigkeit am Computer geschätzt werden, was dem Konzern zahlreiche Testkonstruktionen und aufwändige Windkanalversuche erspart.
So liefert bereits die erste Iteration des Algorithmus innerhalb einer Sekunde eine Schätzung des Luftwiderstandsbeiwerts mit einem durchschnittlichen Fehler von nur 4 Prozent. Das ist zwar nicht ganz so genau wie ein echter Windkanaltest, aber gut genug, um eine große Auswahl an Designkandidaten auf eine kleine Shortlist einzugrenzen. Damit können Designer auf einfache Weise mehr Prüfungen der Energieeffizienz auf dem Computer durchführen und in einem Bruchteil der Zeit, die sie früher benötigten, zu detailreicheren und effektiveren Designs übergehen.
Die Feuerwehr Düsseldorf ist schneller zur Stelle
Doch nicht nur für Großkonzerne wie Volkswagen und Lufthansa rechnen sich Investitionen in KI-Algorithmen. Auch die Feuerwehr der Stadt Düsseldorf wandte sich an Google Cloud als es darum ging, die Einsatzbereitschaft des Dienstes im gesamten Stadtgebiet zu gewährleisten. Die Anforderung: In sechs Minuten jede Adresse mit einem passenden Rettungsfahrzeug erreichen zu können – unabhängig von wechselnden Verkehrsströmen, Baustellen und anderen Hindernissen.
„Bisher mussten wir uns bei der Planung unserer Feuer- und Rettungswachen auf Gutachten und Abdeckungsanalysen von Beratungsunternehmen stützen“, erklärt David von der Lieth, Leiter der Feuerwehr Düsseldorf. Diese seien aber nicht nur kostspielig, sondern auch zeitaufwändig gewesen. „Auf ein einziges Gutachten warteten wir oft drei bis vier Monate. Heute haben wir dasselbe Ergebnis in wenigen Minuten. Dafür sorgt unser Google Cloud-basiertes Analysetool.“
Lösungen von Google Cloud und Google Maps kamen bei der Feuerwehr Düsseldorf bereits 2020 zum Einsatz, als der Google-Partner Ubilabs ein Tool zur Impfroutenplanung für Personen entwickelte, für die ein Besuch beim Impfzentrum aus gesundheitlichen Gründen nicht infrage kam. Auch das neue Tool sollte nun zur besseren Verfügbarkeit Cloud-basiert sein und vor allem auch von Endanwendern bedient werden können. Auch Außenstehende sollten anhand von Screenshots wichtige Vorgänge und Datensätze schnell begreifen.
Nach diesen Vorgaben entwickelte Ubilabs eine Lösung, die innerhalb von Minuten Daten liefert, für die früher aufwändige Gutachten nötig gewesen wären. Die Bedienung des Tools ist denkbar einfach: Der Nutzer setzt auf einer Karte Ortsmarker für bestehende und geplante Feuer- und Rettungswachen, legt ein Zeitfenster fest und kann herausfinden, wie viele Adressen innerhalb dieser Vorgabe erreichen werden können. „Die Investition hat sich schon beim ersten Einsatz gerechnet“, sagt David von der Lieth. „Auf der Karte werden die Regionen, die wir nicht mit der vorgegebenen Geschwindigkeit abdecken können, farblich markiert. So können wir blitzschnell verschiedene Szenarien durchspielen und herausfinden, wo wir nachbessern müssen.“
Google Cloud hat sich für dieses Jahr für Deutschland einiges vorgenommen. Zu den Prioritäten von Bernd Wagner gehört mitunter, vermehrt mittelständische Unternehmen von den Vorzügen der Google Cloud zu überzeugen. Hierfür wurde ein eigenes Lösungsteam zusammengestellt und Google möchte weitere IT-Systemhäuser als Lösungspartner gewinnen. Unterstützt werden diese Bemühungen durch einen neuen Cloud-Space am Standort München, in dem bestehende und potenzielle Kunden neue Anwendungsfälle erkunden, aufbauen und ausprobieren können sollen.