Was Menschen mit Daten machen – und Daten mit Menschen
Eine neue Studie des international tätigen Data-Literacy-Projekts belegt: Fehlende Datenkompetenz kostet Unternehmen Milliarden an Produktivität. Sie kämpfen immer noch damit, Teams zu bilden, die Daten wirklich umfassend nutzen und daraus Kapital schlagen können.
Dass Unternehmen durch den Aufbau von Datenkompetenz in den eigenen Reihen den Wert ihrer Organisation spürbar steigern können, hat bereits die erste Studie des prominent besetzten Data-Literacy-Projekts (DLP) im Jahr 2018 gezeigt. Nun liegen neue Zahlen vor, und das DLP hat bei der diesjährigen Forschung einen zusätzlichen Gedanken in die Umfrage integriert: Wie geht es den Menschen in einer immer stärker digitalisierten Geschäftswelt mit den Daten, die zwar bares Geld, neue Geschäftsprozesse und eine tiefgreifende Transformation ihrer Organisation bedeuten können, die aber auch neue Herausforderungen in Sachen Fähigkeiten im Job bedeuten? Machen Daten vielleicht auch Angst? Überfordern sie? Oder verstellen sie – allein aufgrund der immer größeren Fülle und Vielfalt – eher den Blick aufs Wesentliche?
Drei von vier fühlen sich im Job von Daten überfordert
Ein sattes 21-Milliarden-Loch allein in Deutschland – durch Stress aufgrund von Daten- und Technikproblemen.
Laut der aktuellen Untersuchung zum Status der weltweiten Datenkompetenz 2020 steht fest: Den meisten Unternehmen ist die Bedeutung von Daten im Rahmen einer zunehmend digitalen Wertschöpfung durchaus bewusst. Jedoch gibt es eine bemerkenswerte Lücke zwischen dem Bestreben vieler Organisationen, sich auf den Weg zum datengetriebenen Unternehmen zu machen, und den tatsächlichen Fähigkeiten (und Befugnissen) der Mitarbeiter. Drei von vier der Befragten geben zu, sich unwohl oder überfordert zu fühlen, wenn sie im Job mit Daten umgehen müssen. Deutschland liegt hier mit 74 Prozent im (alarmierenden!) Durchschnitt.
Kurz: Die Analytics Economy wächst, ein Großteil der befragten Unternehmen wäre auch gern vorne mit dabei. Allerdings fehlen den Unternehmen für die Umsetzung einer nachhaltigen Daten- und Analytics-Strategie vielerorts noch drei entscheidende Erfolgsfaktoren: ein handfester Plan, eine tragfähige Kompetenzbasis in Sachen Datensouveränität – und das begründete Zutrauen in eine konsequent datengetriebene Unternehmenssteuerung. Viele Chancen, sich nachhaltig für die Zukunft aufzustellen und dauerhaft die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, bleiben so links liegen. Das ist gefährlich.
Interessant ist: Wenn Mitarbeiter sich schwertun, Daten zu verstehen und mit ihnen zu arbeiten, kann das für Unternehmen einen massiven Schaden bedeuten. Und der lässt sich quantifizieren: Gemäß der aktuellen Data-Literacy-Studie, für die 9.000 Mitarbeiter aller Job-Ebenen auf der ganzen Welt befragt wurden, verlieren Firmen jedes Jahr durchschnittlich mehr als fünf Arbeitstage (43 Stunden) pro Mitarbeiter. Warum? Weil die Menschen Aufgaben mit Datenbezug aufschieben oder sich aufgrund von Stress, verursacht durch Informations-, Daten- und Technikprobleme, krankmelden (in Deutschland: 36 Stunden und 52 Minuten).
Der Umgang mit Daten will erst gelernt sein
Was das global an Produktivitätsverlusten bedeutet, haben die Wissenschaftler ausgerechnet: Rund 109,4 Milliarden US-Dollar verpuffen so jedes Jahr in den USA; in Japan sind es 15,16 Milliarden; in Großbritannien 13,17 in Frankreich 10,9; in Australien 9,4; in Schweden 3,2 Milliarden. In Deutschland schlägt der Produktivitätsverlust durch Probleme mit Daten, Digitaltechnologien und deren Nutzung mit rund 23,7 Milliarden Dollar (etwa 21,46 Milliarden Euro) zu Buche.
Nur ein gutes Drittel vertraut eigenen Entscheidungen mehr, wenn sie auf Daten beruhen.
Insgesamt widmet sich die neue Studie des DLP der Frage, wie sich die Datenkompetenz-Lücke auf die Fähigkeit von Organisationen auswirkt, in der Analytics-Economy erfolgreich zu sein. Bemerkenswert ist, dass so gut wie alle Studienteilnehmer weltweit (87 Prozent) digitale Informationen als kritischen Faktor für ihre Tätigkeit wahrnehmen. Doch lediglich ein Bruchteil nutzt Daten, um auf deren Basis zu entscheiden. Nur etwa ein Viertel der Befragten war der Meinung, beim Antritt des aktuellen Jobs eine adäquate Einführung in das effektive Nutzen von Daten erhalten zu haben (in Deutschland sind es sogar nur 14 Prozent). Und nur 21 Prozent weltweit halten sich selbst für souverän im Umgang mit Daten – und vertrauen auf ihr Können und Verständnis, wenn es darum geht, datenbasiert zu agieren.
Wenn es darum geht, Daten zu lesen, sie zu verstehen, zu hinterfragen und mit ihnen im Job erfolgreich zu sein, schneidet Deutschland sogar unterdurchschnittlich ab: lediglich 17 Prozent trauen sich das zu. International vertrauen nur 37 Prozent der befragten Mitarbeiter ihren eigenen Entscheidungen mehr, wenn diese auf Daten basieren statt auf Erfahrung oder Bauchgefühl. Deutschland liegt hier mit 42 Prozent nur ein wenig besser.
Viele ducken sich vor den Daten einfach weg
Bei ihrer Suche nach Auswegen aus ihrem Unwohlsein in Bezug auf Daten und digitale Technologien sind Mitarbeiter*innen auf der ganzen Welt offenbar recht kreativ – jedoch nicht unbedingt proaktiv, sondern eher, indem sie vor den Daten auf Tauchstation gehen: Einige überforderte Mitarbeiter suchen explizit nach Wegen, Aufgaben mit Datenbezug in ihrem Job ganz zu vermeiden. Und 36 Prozent der befragten Mitarbeiter geben an, mögliche andere Wege zu finden, um ihre Aufgaben zwar zu erledigen, jedoch ohne Daten verwenden zu müssen.
Sechs von zehn Befragten (61 Prozent) äußern in der Untersuchung die Ansicht, dass ein Daten-Overkill mitverantwortlich ist für Stress am Arbeitsplatz (Deutschland: 54 Prozent). Und fast ein Drittel (31 Prozent) der globalen Befragten hat wegen Stress durch Tech-, Daten- und Informations-Probleme schon einmal einen Krankheitstag eingereicht. In Deutschland zeigt sich mit 28 Prozent ein vergleichbares Bild.
37 Prozent erhoffen sich mehr Produktivität durch Schulung der Daten-Souveränität.
Doch das DLP belässt es nicht bei der Problemanzeige, sondern gibt auch Empfehlungen: So legt die Studie Führungskräften nahe, ihre Mitarbeiter*innen darin zu unterstützen, mithilfe von Datenerkenntnissen einfacher, sicherer und selbstbewusster Entscheidungen zu treffen. Denn Arbeitende, die sich selbst als datenkundig wahrnehmen, fühlen sich laut der Studie um mindestens 50 Prozent eher in der Lage und befugt, bessere Entscheidungen zu treffen und sicher aufzutreten.
Darüber hinaus war deutlich mehr als ein Drittel (37 Prozent) der Befragten weltweit der Meinung, dass Schulungen in Bezug auf Datenkompetenz die Produktivität steigern können (hier liegt Deutschland im Durchschnitt mit 37 Prozent). Investitionen in diese Richtung sind also durchaus gerechtfertigt. Wie konkrete Schritte aussehen können, beschreibt das DLP mit seinen Mitgliederorganisationen in einem Beispiel-Plan. Dieser adressiert unter anderem die Planung einer Datenkompetenz-Strategie, die Förderung einer datenorientierten Belegschaft, die Definition klarer Datenerwartungen und -ziele sowie das Etablieren einer gemeinsamen, unternehmensübergreifenden Datenkultur.