„Nicht Daten überfordern, sondern fehlende Datenkompetenz“

Die Welt ertrinkt gerade in Daten und Statistiken und macht dennoch mehr denn je einen ratlosen Eindruck. Zum Welt-Statistiktag wollten wir von Wolfgang Kobek, Senior Vice President EMEA beim Analytics-Spezialisten Qlik, wissen, was das Problem ist.

Business User: Alle fünf Jahre wird am 20. Oktober der Welt-Statistiktag gefeiert. Heute ist es wieder soweit. Das Motto lautet in diesem Jahr “Connecting the world with data we can trust”…

Datenkompetenz schafft Freiräume für kreatives und unternehmerisches Denken.

Wolfgang Kobek: Und das Motto ist aktueller und wichtiger denn je. Wir wissen, dass sich das weltweite Datenvolumen etwa alle zehn Monate verdoppelt. Diese Entwicklung einfach laufen zu lassen, statt sie aktiv zu gestalten, wäre ein großer Fehler. Denn erstens sehen wir bereits erste Anzeichen einer ernsthaften Daten-Überforderung, wenn es dazu kommt, dass die Datenkompetenz nicht mehr mit dem Datenaufkommen Schritt halten kann. Und zweitens lassen sich Organisationen aller Art und Größe viele Chancen entgehen, wenn sie die Geschäfts- und Transformationsmöglichkeiten, die in den Daten liegen, unbeachtet lassen. 

Business User: Wie sieht das in der Praxis aus?

Kobek: Zwei Beispiele nur: Aus der Forschung des international tätigen Data Literacy Projects ist bekannt, dass bis zu 45 Prozent der Europäer nicht mehr zwischen Fakt und Fake unterscheiden können. Das ist ein alarmierender Befund, denn jeder nutzt und generiert auf Schritt und Tritt digitale Informationen – kann aber teils kaum etwas damit anfangen. Das birgt die Gefahr, falschen, unvollständigen oder nicht vergleichbaren Daten aufzusitzen, unpräzisen Schlüssen zu folgen oder schlicht Falsches für wahr zu halten – oder umgekehrt. Blicken wir auf die Chancen in den Daten, zeigt sich, dass Unternehmen deutlich mehr Erfolg haben, die aktiv ihre Daten nutzen, die auf souveränen Umgang mit Daten, auf entsprechende Analytics-Lösungen und vor allem auf die Datenkompetenz ihrer Mitarbeiter achten. Entscheidend ist dabei, dass aus Terabytes an Unternehmensdaten wirklich das Relevante extrahiert und in umsetzbare Einsichten und Ideen transformiert wird.

Business User: Wie funktioniert das? Die Datenquellen und -formate werden immer heterogener…

Kobek: Stehen ursprüngliche Rohdaten – strukturierte und unstrukturierte aus Datenbanken, Data-Lakes und immer mehr Echtzeitquellen – sauber aufbereitet und analysebereit zur Verfügung, sprechen wir von einer starken Daten-Pipeline, die viele Schritte entlang der digitalisierten Wertschöpfungskette enorm unterstützen kann. Das hat die Studie „Data as the new Water“ erst vor wenigen Wochen eindrucksvoll nachgewiesen. Umsatz- und Gewinnsteigerungen von bis zu 17 Prozent sind hier keine Seltenheit. 

Business User: Vorausgesetzt, Unternehmen besitzen auch die Fähigkeit, mit Daten richtig umzugehen.

Wolfgang Kobek: "Eine verbindliche Datenbasis ist ebenso wichtig wie das Vertrauen in die eigenen Mitarbeiter."
Wolfgang Kobek: „Eine verbindliche Datenbasis ist ebenso wichtig wie das Vertrauen in die eigenen Mitarbeiter.“

Das alles ist natürlich kein Selbstläufer. Es braucht eine bewusste Datenstrategie, die Teil der gesamten Geschäftsstrategie sein muss. Mittragen müssen sie alle, vom C-Level bis in die Fachabteilungen hinein. Eine „Single Source of Truth“ – also eine gemeinsame, verbindliche Datenbasis mit validierter Datenqualität – ist dabei ebenso wichtig wie das Vertrauen in die eigenen Mitarbeiter. Sie sollen im gemanagten Rahmen und mit den passenden Werkzeugen und Befugnissen helfen, datenbasiert intuitiv, richtig, sinnvoll und nachhaltig zu entscheiden. Das können sie auch, wenn sie geschult, motiviert und begeistert vom enormen Potenzial datengesteuerter Wertschöpfung sind. Wer das umsetzt, ist schon sehr weit beim diesjährigen Motto des Aktionstages angekommen: “Connecting the world with data we can trust.”

Business User: Wollen die Menschen überhaupt freiwillig mit Daten, Statistiken und Co. arbeiten – oder machen ihnen Daten nicht eher Angst und vermitteln ihnen den Eindruck, ihre Erfahrung und Intuition sei nichts mehr wert?

Kobek: Das Gegenteil ist der Fall. Auch hier gibt die Data-Literacy-Forschung klare Antworten. Die Menschen, die es vermeiden möchten, mit Daten zu arbeiten, sich von den Informationen überfordert fühlen oder sogar Krankheitssymptome aufgrund einer übermächtig erscheinenden Datenflut aufweisen, haben eins gemeinsam: Sie sind nicht genug geschult im Umgang mit Daten. Wer sich hilflos einem Datenberg gegenüber sieht und keine Möglichkeiten hat, planvoll mit diesem zu arbeiten, wird früher oder später Wege suchen, seine Aufgaben auch ohne Datennutzung zu erledigen. Doch das ist schade. Denn in vielen Daten stecken unbekannte und unentdeckte Einsichten, die Grundlage von neuen Ideen, cleveren Geschäftsmodellen, Einsparpotenzialen und Co. sein können. Doch von allein lassen sich diese Chancen nicht in echten Mehrwert umwandeln.

„Nicht jeder braucht jederzeit Zugriff auf alle Daten.“

Business User: Was braucht es dafür?

Kobek: Dafür brauchen wir nach wie vor kluge, erfahrene, originelle und intuitive Menschen, die das Beste aus den neu gewonnen Einsichten machen. Natürlich helfen in modernen Analytics-Umgebungen längst KI-unterstützte Engines beim Sichern der Datenqualität und beim Vorbereiten von Entscheidungsgrundlagen. Aber das Entscheiden selbst – das kreative Umsetzen des Erkannten – bleibt dem fantasievollen Geist und dem unternehmerischen Sinn des Menschen vorbehalten. Und genau das macht Menschen auch Freude, wie die jährliche Data-Literacy-Forschung beweist.

Business User: Muss nun jeder zum Data Scientist werden, um im Job noch auf der Höhe der Zeit zu bleiben?

Kobek: Nein, sicher nicht. Datensouveränität zweifellos eine der Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts, doch beim Thema Daten und Analytics sprechen wir von sehr unterschiedlichen Anforderungen und Detailtiefen. Es benötigt nicht jeder permanent alle Daten zu jeder Zeit, um in seinem Bereich datenbasiert besser arbeiten zu können. Damit wäre auch nichts gewonnen, weil relevante Datensets- und Kombinationen für den einzelnen Standard- oder auch Power-User noch immer nicht zu erkennen wären. 

Business User: Datenverfügbarkeit allein löst das Problem also auch nicht.

Kobek: Richtig. Es brauchen vielmehr alle Mitarbeiter diejenigen Daten, die für ihre jeweiligen Aufgaben relevant sind: und zwar mit rollenbasiertem Zugriff und in hoher Qualität für all ihre Analytics-Apps und Dashboards auf allen Endgeräten – ortsunabhängig und jederzeit. Das kann für einen Standard-User im Außendienst ein KPI-Dashboard mit den wichtigsten Kunden- und Kenngrößen-Informationen sein, für den Data Scientist aber auch eine komplexe Daten-Umgebung, in der er zum Beispiel auch R- und Python-Integrationen mitdenken kann. Eine vernünftige skalierbare und Multicloud-fähige Plattform-Lösung bietet hier für alle Joblevels den passenden Rahmen.

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