Industrie 4.0-Anwendungen: High-end Technology, Low-end Usability?

Deutsche Unternehmen sind führend im Bereich Fertigungs- und Industrieanlagen – eine optimale Ausgangsposition für die kommende Industrie 4.0. Doch bei der Benutzerfreundlichkeit ihrer Software-Produkte ist noch etwas Luft nach oben. 

Ob Wartungs-, Fuhrpark-, Infrastruktur-Management, Maschinen- oder Anlagensteuerung – die Industrie 4.0 ist datengetrieben. Und Daten sind ja bekanntlich das neue Gold. Umso bedauerlicher, dass man ihnen das gerade im B2B-Bereich so selten ansieht! Tatsächlich bleiben immer noch viele B2B-Anwendungen, die die wichtige Schnittstelle zwischen analoger und digitaler Welt bilden, in punkto User Experience (UX) und Benutzerfreundlichkeit weit hinter selbst komplexen B2C-Angeboten zurück. Das ist mehr als ärgerlich für die Kunden und hochriskant für die Anbieter selbst. Denn im Falle vergleichbarer Angebote wird die Qualität der zugehörigen Web-Apps und SaaS-Angebote immer häufiger zum kaufentscheidenden Kriterium.

Digital Natives nicht mehr bereit, sich mit komplizierten und zeitfressenden Anwendungen zu beschäftigen.

Ein Grund für die mangelnde UX-Qualität von B2B-Anwendungen ist, dass gerade die Hersteller von hochwertiger Technologie verständlicherweise zuerst auf die Qualität ihrer Hardware fokussieren und die zugehörigen Steuerungs-, Analyse- oder Monitoring-Anwendungen allenfalls funktional gestaltet werden. Dem UX/UI-Design (User Experience/User Interface Design) wird dabei eher wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Wie wichtig eine nachvollziehbare Navigation, klare Strukturen und Übersichtlichkeit für die erfolgreiche Nutzung solcher Anwendungen und damit letztendlich auch für den erfolgreichen Einsatz der jeweiligen Hardware sind, wird dabei leicht vergessen. 

Eine weitere Ursache ist auch die vermeintlich nicht vorhandene Konkurrenz. Denn ein Kunde, der sich für eine bestimmte technische Lösung entschieden hat, ist häufig auf die herstellereigene App angewiesen. Ein Wechsel ist nicht ohne weiteres möglich. Doch Vorsicht! Schlechte Nutzererfahrungen können leicht dazu führen, dass bei der nächsten Investitionsentscheidung ein Mitbewerber die Nase vorn hat.

B2B-Kunden werden wählerischer

Dieser Effekt wird auch dadurch verstärkt, dass mehr und mehr Entscheider und Anwender in den Unternehmen inzwischen der Altersgruppe der so genannten Digital Natives angehören. Diese mit dem Internet und digitalen Lösungen aufgewachsenen Zielgruppen haben deutlich höhere Ansprüche an die User Experience von digitalen Angeboten. Sie sind schlicht nicht mehr bereit, sich mit komplizierten, unverständlichen und zeitfressenden Web-Anwendungen, Plattformen und SaaS-Lösungen zu beschäftigen. 

Das liegt auch daran, dass sie wissen, dass es besser geht. Denn gut gemachte Consumer Apps sind in der Regel fester Bestandteil ihres Alltags. Dazu haben gerade versierte Nutzer wenig Lust auf zeitfressende Schulungen oder darauf, an die Hand genommen zu werden. Vielmehr haben sie einen hohen Anspruch an ein unabhängiges und selbstbestimmtes Arbeiten. Das gilt natürlich besonders für Software-as-a-Service-Lösungen (SaaS), Self-Service-Portale oder andere Web-Anwendungen, die sie für ihren Job benötigen. Vor diesem Hintergrund reagieren sie häufig eher pragmatisch als markentreu. 

Qualitätsansprüche steigen. Und das zu Recht

Dazu kommt, dass B2B-Unternehmen häufig viel investiert haben, um die Vorteile neuer Technologien und datenbasierter Lösungen zu nutzen. Wenn sich dann herausstellt, dass die entsprechenden Anwendungen, etwa zur Steuerung, Überwachung oder Analyse, umständlich und so schwierig zu bedienen sind, dass sie die Nutzer unter Umständen sogar zu Fehlern verleiten, ist die Enttäuschung verständlicherweise groß. Und das kann sich beim nächsten Investment negativ auswirken. 

Jochen Martens von der Medienwerft erlebt es häufig, dass Kunden mit beeindruckend innovativen Lösungen den Bereich UX/UI sträflich vernachlässigen.

„Häufig erleben wir, dass gerade Kunden, die wirklich beeindruckend innovative technologische Lösungen anbieten, den Bereich UX/UI der zugehörigen Anwendungen sträflich vernachlässigen“ berichtet Jochen Martens, UX/UI-Experte bei der Hamburger Digital- und Kommunikationsagentur Medienwerft. „Wir selbst raten davon ab, aus dem Bauch heraus zu entscheiden, welche Services der Endkunde braucht und wie diese in der Oberfläche der Software integriert werden. Bei diesen komplexen Herausforderungen unterstützen wir Inhouse-Entwickler-Teams, indem wir die Konzeption und Gestaltung des User Interfaces übernehmen. Dabei denken wir immer nutzerzentriert und sind im direkten Kontakt mit den Endkunden des Unternehmens, damit die Software ein echter Erfolg wird.“  

Die optimale User Experience ist individuell

Übersichtlichkeit, eine ergonomische Navigation, effiziente Prozesse und ein gutes CI-konformes (Corporate Identity) Design der Benutzerschnittstelle bilden die unverzichtbaren Grundlagen einer optimalen Nutzererfahrung. Denn jede Irritation kann zu Frustration und Ablehnung führen. Professionelle Design-Agenturen analysieren deshalb genau, wie die AnwenderInnen denken, arbeiten und wie sie digitale Tools einsetzen. Mit modernen Analysetechniken und agilen Methoden werden die eigenen Konzepte während der Entwicklung immer wieder mit den tatsächlichen User Anforderungen abgeglichen. Im Ergebnis entstehen Anwendungen, mit denen alle NutzerInnen produktiv und effizient arbeiten können.  

Damit ist schon viel erreicht. Echte Benutzerfreundlichkeit und eine deutliche Prozessbeschleunigung lassen sich darüber hinaus durch die Personalisierung von Benutzeroberflächen erreichen. Sie eröffnet die Möglichkeit, die unterschiedlichen Interessen verschiedener Stakeholder im Unternehmen in der Anwendung maßgeschneidert abzubilden. Denn klar ist: Auch wenn alle Mitarbeitenden letztendlich auf die gleiche Datenbasis zugreifen, verfolgen sie sehr unterschiedliche Ziele. 

Gleichzeitig muss eine Software anders als Websites oder ein Shop zwar sehr viele Informationen auf engstem Raum bereithalten, gleichzeitig aber Möglichkeiten zur Differenzierung bieten. Eine für die Wartung und Einsatzsicherheit verantwortliche Werkstattleitung benötigt andere Informationen als etwa die Controlling-Abteilung oder der Vertrieb. Neben möglichen Vorkonfigurationen im Sinne von Rollen- und Berechtigungsdefinitionen können lernende Systeme auch individuelle Präferenzen aufnehmen und das persönliche Dashboard entsprechend anpassen. So steuert jeder Nutzer auf direktem Wege zu den für ihn relevanten Inhalten und Funktionen. 

Das Innovationstempo nimmt stetig zu

Nicht erst seit dem Hype um Künstliche Intelligenz entwickeln sich die Spielräume zum Einsatz und zur Optimierung von Business-Anwendungen in einem rasanten Tempo. Wer mit seinen Lösungen auf der Höhe der Zeit sein möchte, ist gut beraten, aktuelle Entwicklungen genau zu beobachten und kontinuierlich zu prüfen, ob und welche Innovationen die eigenen Anwendungen verbessern können. Hilfreich kann es sein, neben den Entwicklungen im B2B-Segment auch die aktuellen B2C-Innovationen im Blick zu haben. Wer auf SaaS-Lösungen setzt, hat den Vorteil, dass Optimierungen schnell und unkompliziert umgesetzt werden können und so die Zukunftsfähigkeit der eigenen Anwendungen gesichert ist. 

Für Hersteller ist es deshalb wichtig, die Qualität ihrer Anwendungen als zentralen Aspekt der gesamten Produktqualität zu begreifen und entsprechend zu priorisieren. SaaS-Lösungen können Unternehmen helfen, schnell und sicher zu optimalen Ergebnissen zu kommen und die sich rasant entwickelnden technischen Möglichkeiten optimal auszuschöpfen. Bei der Wahl einer UX/UI-Agentur für SaaS-Anwendungen sollten Verantwortliche sowohl auf Erfahrung als auch auf eine große Vielfalt der Kompetenzen setzen. So lassen sich zum Beispiel auch Erkenntnisse aus dem oft innovativeren B2C-Bereich schneller für die eigenen B2B-Anwendungen nutzbar machen. 

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