KI-Agenten bieten Einblicke in die Zukunft der digitalen Arbeit

KI-Agenten sollen Wissensarbeitern künftig Routinearbeiten abnehmen und ihnen so mehr Freiraum für strategische und kreative Arbeit verschaffen. Im Marketing und der Software-Entwicklung nimmt das bereits Gestalt an. 

Das Thema Künstliche Intelligenz ruft in der Arbeitswelt derzeit diffuse Ängste hervor, und das leider nicht ganz unberechtigt. Zwar rechnen die meisten Marktforscher damit, dass KI langfristig mehr neue Jobs schaffen als vernichten wird, doch am Anfang des Übergangs in die KI-gestützte Arbeit stehen erstmal Rationalisierungen. Da können Experten noch so deutlich davor warnen, in KI nur einen Effizienzmotor zu sehen, über den man Personalkosten einsparen kann; fest steht, dass in Bereichen wie Customer Service, Marketing oder der Produktion von Inhalten der Einsatz von KI schon jetzt die Mitarbeiterzahlen reduziert. 

Ähnlich wie Junior-Mitarbeiter übernehmen KI-Agenten unter Aufsicht einen eng eingegrenzten Tätigkeitsbereich.

Firmen wie Adidas beispielsweise lassen Produktbeschreibungen für ihren Katalog von der KI erstellen und verzichten oft bei ihren Produktfotos auf teure Fotoshootings durch den Einsatz KI-generierter Hintergrundbilder. Für den Bereich Customer Service sagt Gartner voraus, dass bis 2029 etwa 80 Prozent der Kundenanfragen mithilfe von KI beantwortet und gelöst werden sollen. Außerdem übernimmt Künstliche Intelligenz zunehmend einfache oder eindimensionale kognitive Tätigkeiten, wie sie in der Sachbearbeitung üblich sind, zum Beispiel bei der Schadensabwicklung in Versicherungsunternehmen.

Doch wenn KI tatsächlich auch neue Jobs schaffen soll, wie sehen die entsprechenden Tätigkeitsprofile aus, welche Rolle übernimmt dabei die KI und welche Qualifikationen sind dafür notwendig? 

KI-Agenten als Junior Mitarbeiter

Ausgerechnet die Einführung von autonomen KI-Agenten in immer mehr Unternehmensprozessen könnte nun die Rollenaufteilung zwischen Mensch und KI etwas fassbarer machen. KI-Agenten sind nach aktuellem Stand der Technik so etwas wie Junior-Mitarbeiter, die unter Aufsicht einen eng eingegrenzten Tätigkeitsbereich übernehmen können. Statt nur auf Anweisungen (Prompts) zu reagieren, bearbeiten sie im Customer Service beispielsweise Kundenanfragen, die eine gewisse Komplexität nicht übersteigen, und liefern Antworten und Informationen in natürlicher Sprache. Ist eine Anfrage tatsächlich zu anspruchsvoll, leiten sie sie an einen Mitarbeiter weiter. 

Ein weiterer Bereich, in dem KI-Agenten schon sehr früh Fuß gefasst haben, ist die Software-Entwicklung. Die Unternehmensberatung Accenture zum Beispiel setzt ein agentenbasiertes System namens GenWizard ein, in dem mehrere Agenten unterschiedliche Rollen bekleiden (siehe Bild unten): Ein Agent ist für die Anwendungsbeschreibung (User Story) zuständig, ein anderer für den Entwurf der Software-Architektur, ein weiterer für die Dokumentation, etc. Deren Zusammenspiel wird über einen „Orchestrator“-Agenten organisiert, der sozusagen der direkte Ansprechpartner des Entwicklers ist. 

Quelle: Accenture

Die Auslagerung all dieser in der Regel recht teuren Tätigkeiten an KI-Agenten sorgt mittelfristig nicht nur für Kostenersparnisse, Effizienz- und Produktivitätsgewinne, sondern generiert auch zusätzliche Ressourcen, die gerade im Bereich Software-Entwicklung schwierig zu finden sind. Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom rechnen 20 Prozent der Unternehmen damit, dass KI im Bereich IT Stellen ersetzt, für die sich ohnehin niemand finden lässt. Dass es durch KI zu einem Stellenabbau von IT-Fachkräften kommt, glauben hingegen nur 15 Prozent. KI sei eher als Chance zu sehen, die Fachkräftelücke zumindest teilweise zu schließen, so der Verband.

Es mangelt noch an Vertrauen gegenüber KI

Ob sich die Situation auch in anderen Bereichen der digitalen Arbeit ähnlich entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Doch zumindest macht sich in den Unternehmen langsam die Einsicht breit, dass Produktivitätssteigerungen nur der offensichtliche Vorteil beim Einsatz von KI sind. Der langfristige Vorteil liegt in der Gewinnung neuer Erkenntnisse durch die analytischen Fähigkeiten der KI, der Entwicklung neuer Ideen und der Steigerung der Innovationsfähigkeit des Unternehmens. Auch ist man sich darüber einig, dass der Schlüssel hierfür im optimierten Zusammenspiel zwischen Mensch und KI liegt. Doch letzteres muss erst bewusst gefördert und in die richtigen Bahnen gelenkt werden. 

Nur 29 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland vertrauen der KI.

Dazu müssen zunächst jedoch gewisse Berührungsängste gegenüber der neuen Technik wegfallen. „Es ist nicht ausreichend, dass das System supergut arbeitet und fähig ist, alle möglichen Prozesse zu unterstützen, wenn ich ihm nicht auch das nötige Vertrauen entgegenbringe“, sagt Tobias Regenfuß, Geschäftsführer Technology bei Accenture. Doch mit Vertrauen ist es in der westlichen Welt zumindest nicht weit hin. Laut einer Umfrage der Agentur Edelman vertrauen der KI lediglich 29 Prozent der Befragten in Deutschland, in den USA immerhin 32 Prozent. In Ländern wie Indien oder China liegen diese Zahlen jenseits der 70 Prozent. 

„Ich muss vertrauenswürdige Technologie bauen und sicherstellen, dass diese Systeme keinen Data Bias haben, nicht halluzinieren, sicher sind und Menschen nicht manipulieren, aber auf der anderen Seite müssen wir in den Unternehmen und bei den Konsumenten das Vertrauen aufbauen, damit diese Technologie genutzt werden kann“, sagt Regenfuß. Es sei wie bei der Kindererziehung: Man müsse Kindern Vertrauen entgegenbringen und ihnen Aufgaben übertragen, damit sie die Gelegenheit bekommen, in diese hineinzuwachsen. Und dies wiederum setzt Fortbildung, Training und die Unterstützung der Mitarbeiter seitens des Unternehmens voraus.

Die menschliche Arbeit aufwerten

Wie der Aufbau von Vertrauen durch die Arbeit mit KI in der Praxis entsteht, beschreibt seine Kollegin Kathrin Schwan, Geschäftsführerin Data & AI, am Beispiel des oben erwähnten Agentensystems in der Software-Entwicklung von Accenture. „Das Interessante an solchen Agent Frameworks its, dass die Interaktion für Menschen verständlich stattfindet, nämlich über natürliche Sprache“, sagt Schwan. „Das heißt, wir haben eine Möglichkeit reinzuschauen, wie Entscheidungen vorbereitet, abgewogen und getroffen werden, und das ist für uns eine Möglichkeit, durch diese Transparenz Vertrauen zu gewinnen.“

Agentischen Systeme bilden immer mehr Prozesse ab, die menschliche Komponente zieht sich Stück für Stück zurück.

Im konkreten Beispiel erstellt die KI beispielsweise Testszenarien und die Entwickler redigieren sie, was an sich schon eine höherwertige Tätigkeit darstellt. Über das menschliche Feedback an die KI können die Agents verbessert werden. „Damit haben die Menschen die Möglichkeit, in den Prozess einzugreifen und gleichzeitig bewusst loszulassen“, sagt Schwan. „Die Zukunft der agentischen Systeme liegt darin, dass man immer mehr Prozesse über sie abbildet und die menschliche Komponente Stück für Stück zurückzieht. Das aber geht nur, wenn das Vertrauen bei 100 Prozent liegt und wenn man die Verbesserungen einbringen kann, die den Prozess qualitativ hochwertiger und zuverlässiger machen.“

Das Vertrauen und der umsichtige Umgang mit der KI zahlt sich laut Kathrin Schwan aus: „Wir sehen durch die Verwendung solcher Agentensysteme eine signifikante Zeitersparnis, wir sehen einen Weg der Standardisierung, die dann zu mehr Automatisierung führt, und wir sehen einen Weg, unliebsame Aufgaben wie zum Beispiel die Erstellung einer durchgängigen Dokumentation auszulagern. Dadurch lässt sich mehr Platz für Kreativität schaffen, um diese Software auf das nächste Level zu heben. Es ist ein deutliches Beispiel dafür, dass Mensch und Maschine als Kombination deutlich mehr wert ist als die einzelnen Komponenten für sich.“

Strategisch planen statt organisieren

Claudia Leischner, Geschäftsführerin Data & AI Experience bei Accenture in Deutschland, berichtet von einem Kunden, der sein Marketing-Team durch KI-Agenten nachgebildet hat, etwa nach dem Modell im Bild unten. „Das klingt erst einmal dystopisch, aber Tatsache ist, dass die Marketing-Expertin im Bild etwa 70 Prozent mit organisatorischen Aufgaben verbringt“, sagt Leischner. Dazu gehöre die Kommunikation mit Team-Mitgliedern und Agenturen, das Schreiben von Timing-Plänen, das Redigieren von Texten, die Datenauswertung, Trenderkennung, Forecasting, etc. All das könne zunehmend an KI-Agenten ausgelagert werden. 

Quelle: Accenture

Was wird die Marketing-Expertin morgen machen? „Sie wird es immer geben, sie wird nur ein anderes Skill-Set haben“, sagt Leischner. „Sie wird mehr Zeit und Freiraum für strategische Arbeit haben, weil alle Routineaufgaben sukzessive von Agenten übernommen werden, die zunehmend auch miteinander zusammenarbeiten werden, sodass ihr Hauptansprechpartner der Orchestrator sein wird.“ Und es werden auch weitere Fachkräfte im Marketing nötig sein, sie werden nur andere Skills haben und anders arbeiten.“  

In Bereichen wie Marketing, Customer Service oder Software-Entwicklung und in Branchen wie dem Finanzwesen oder der Pharmaindustrie schärfen sich zunehmend die Vorstellungen von den Fähigkeiten, die künftige Mitarbeiter mitbringen müssen. „Die bisher gesammelten Erfahrungen mit KI ergeben langsam ein klareres Bild“, bestätigt Kathrin Schwan. In anderen Industrien stehen die Unternehmen ganz am Anfang. „Wir können die Diversität an verschiedenen Rollen, die themen- und branchenbedingt nötig sein werden, heute noch nicht hundertprozentig absehen,“ ergänzt Claudia Leischner. „Das müssen wir heute immer gemeinsam mit dem Kunden entwickeln.“

Das könnte Sie auch interessieren

Back to top button